Der größte Zerstörer von Umwelt und Ressourcen taucht in keiner CO2-Bilanz auf

Das Militär wird ausgeklammert

Marianne Linke

Im Artikel 20a des Grundgesetzes ist seit 1994 als Staatsziel formuliert: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Die den Menschen umgebende Natur wird von der belebten und unbelebten Bio­sphäre (von Tieren und Pflanzen), der Atmosphäre (die unseren Planeten umge­bende Lufthülle), der Hydrosphäre (Seen, Flüsse, Meere, Ozeane, nicht zu verges­sen das Grundwasser) und der Lithosphäre (feste Erdoberfläche) gebildet. Natur ist also alles, was außerhalb unseres Bewusstseins existiert – gleichbedeutend mit Materie oder allem, unabhängig von der Tätigkeit der menschlichen Gesellschaft Ent­standenem.

Unsere heutige Neo-Warmzeit begann vor etwa 11.600 Jahren. Seit etwa 7.000 Jahren sind erste menschliche Eingriffe in die Natur beschrieben – die Einteilung der Landoberfläche in Acker- und Weideland in Mesopotamien. Aus den letzten Jahr­hunderten gibt es Aufzeichnungen über das Klima. Seit etwa 1850 liegen relativ systematische meteorologische Aufzeichnungen vor, die im Laufe der Zeit Veränderungen zeigen, die vor allem der Produktions- und Lebensweise der menschlichen Gesellschaft – anthropogenen Einflüssen – zugerechnet werden.

Katastrophenähnliche Zustände wie die großen Unwetter jüngst in Spanien, den USA oder auch in Rheinland-Pfalz und NRW vor drei Jahren werden in starkem Maße anthropogenem Handeln zugeschrieben. Bezieht man die Ergebnisse menschlichen Handels in die Natur mit ein, ist es gerechtfertigt, von Umwelt zu sprechen.

Ursachen für den Temperaturanstieg

Bei dieser Betrachtung gehen wir davon aus, dass es erstens dem Sonnensystem innewohnende Mechanismen gibt, die einen langfristigen Wechsel der Klimate verursachen, und zweitens es daneben kurzfristig wirkende (anthropogene) Faktoren gibt, die in der Umwelt verändernd auf das Klima wirken. Im Nachfolgenden sollen die unter erstens genannten Schwankungen außer Acht gelassen werden. Vorgänge, die das Klima charakterisieren, spielen sich in der Lufthülle der Erde – der Atmosphäre – ab und stehen in enger Wechselwirkung mit allen oben genannten Teilsystemen.

Zwei Begriffe sollen hier kurz definiert werden: Das „Wetter“ bezeichnet den Augenblickszustand der Atmosphäre an einem definierten Ort zu einer bestimmten Zeit. Das „Klima“ bezeichnet die Statistik des Wetters über einen längeren, definierten Zeitraum und einen definierten Ort.

In der Wetterstatistik arbeitet man in der Regel mit 30-jährigen Zeitreihen, die vergli­chen werden, aber auch überlappend neu berechnet werden. 2024 ist das wärmste Jahr im gegenwärtigen Jahrzehnt und das wärmste der aktuellen Dreißiger-Reihe. Was sind nun mögliche Ursachen für den aus den meteorologischen Daten nach­weisbaren Temperaturanstieg der letzten Jahre? Wir erinnern uns aus dem Physikunterricht an den Begriff „Treibhauseffekt“ – Was passiert da?

Die Sonne, unsere Energiequelle, sendet ihre Strahlung mit unterschiedlicher Wellenlänge: ultraviolette (uv-)Strahlung (200 bis 360 Nanometer), das sichtbare Licht (360 bis 760 Nanometer) und die infrarote Strahlung (auch langwellige oder Wärmestrahlung genannt, 760 bis 1.400 Nanometer) in Richtung Erde. Diese Strahlung erreicht zu 100 Prozent die oberste Schicht der Erdatmosphäre (= Exosphäre, etwa 400 km von der Erdoberfläche entfernt), wird hier zu etwa 43 Prozent in den Weltraum reflektiert (= Energie-Albedo der Erde). Etwa 43 Prozent der Sonnenstrahlung gelangen als kurzwellige ultraviolette Strahlung durch die Atmosphäre auf die Erdoberfläche. Der Anteil der von der Erdoberfläche absorbierten oder reflektierten Strahlung ist abhängig von der Beschaffenheit der Erdoberfläche. Die absorbierte Strahlung wird in langwellige Strahlung umgewandelt und je nach der Temperatur der Erdoberfläche wieder in die Atmosphäre abgestrahlt.

Von der Sonne gelangt aber auch langwellige Strahlung in die Atmosphäre. Diese wird von chemischen Verbindungen, die in der Atmosphäre enthalten sind, absor­biert. Das sind vor allem Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N20). Diese Verbindungen – auch Treibhausgase genannt – absorbieren neben der lang­welligen Sonnenstrahlung auch die von der Erdoberfläche ausgestrahlte langwellige Strahlung und werden damit selbst zu einer Quelle langwelliger Strahlung. Da die langwellige Strahlung nicht die Atmosphäre verlässt, sondern ähnlich einem Treib­haus diese zurückhält, kommt es zu einer Akkumulation der langwelligen Strahlung. Dieser Prozess wird auf zwei Wegen befördert: dem ununterbrochenen Eingang von kurzwelliger Sonnenstrahlung und dem ebenso ununterbrochenen Zufluss von Treib­hausgasen durch die Verbrennung fossil gebundenen Kohlen- und Stickstoffs. Der Anteil der Treibhausgase in der trockenen Luft beträgt nur Millionstel- oder Milli­ardstelanteile. Diese sind jedoch laut einer Mitteilung des Bundesumweltamtes von 2024 in den letzten Jahrhunderten deutlich gestiegen: Kohlendioxid (CO2) = 419,55 ppm (parts per million); Lachgas (N20) = 336,7 ppb (parts per billion); Methan (CH4) = 1.921 ppb.

Ausgewählte internationale Vereinbarungen

Die Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre und die damit einhergehende Temperaturerhöhung der Luft ist seit den siebziger Jahren Gegenstand öffentlicher, internationaler Debatten. 1979 fand in Genf die erste Klimakonferenz statt. Seit 1995 finden jährlich Weltklimakonferenzen statt (Conference of the parties – COP), die inzwischen 29., jüngst in Baku.

1997 wurde das Protokoll von Kyoto als Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention der UN (UNFCC) mit dem Ziel des Klimaschutzes vereinbart. 2015 auf der COP21 in Paris wurde die Festlegung getroffen, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius, möglichst aber auf 1,5 Grad zu begrenzen. In Dubai 2023 auf der COP28 wurde festgelegt, einen Fonds in Höhe von 337 Millionen Euro einzurichten, um klimabedingte Schäden zu verhindern oder zu beseitigen. Das Ziel besteht darin, bis zum Jahr 2030 über 100 Milliarden US-Dollar über diesen Fonds zur Verfügung zu stellen. Deutschland hat sich an diesem Fonds mit 100 Millionen Euro beteiligt.

Keiner redet über das Militär

Bedenkt man, dass der für Verteidigung vorgesehene Bundeshaushalt nach Angaben der Informationsstelle Militarisierung etwa 90 Milliarden Euro umfasst – 51,95 Milliarden im Verteidigungshaushalt, 19,8 Milliarden aus dem Sondervermögen und 18,83 Milliarden nach NATO-Kriterien (zum Beispiel für Waffenlieferungen an die Ukraine) –, erahnt man, wie kläglich dieser internationale Fonds ausgestattet ist. Auf der diesjährigen COP29 in Baku standen die Einzahlbeiträge einzelner Länder in diesen Fonds im Zentrum kritischer Debatten.

An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass aus allen Dokumenten der ge­nannten Konferenzen das Militär mit seinen die Umwelt schädigenden Einflüssen herausgehalten wurde. Armeen sind nicht verpflichtet, Bericht zu erstatten. Auch in dem deutschen Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) ist der militärische Bereich aus­geklammert. Überdies haben nicht alle erdöl- beziehungsweise erdgasproduzierenden Staaten die genannten Vereinbarungen unterzeichnet.

Soldaten sind Ressourcenkiller

„Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, lehrte uns Carl von Clausewitz. Kriege zerstören durch den Einsatz von Waffen sehr direkt Men­schenleben und deren natürliche Lebensgrundlagen. Das Militär ist die materiell-technische Basis der gegenwärtig über 20 Kriege, aber auch von Manövern und den über 50 militärischen Konflikten. Wäre das Militär ein Staat, so hätte dieser Staat mit etwa 5 bis 6 Prozent Emissionen den viertgrößten CO2-Fußabdruck bei weltweit etwa 28 Millionen Soldaten, deren Einsatz an schwere Technik gebunden ist.

Gemessen am prozentualen Ausstoß von Treibhausgasemissionen ergibt sich fol­gende Reihenfolge: 1. VR China, 2. USA, 3. Republik Indien, 4. Weltweites Militär, 5. Russische Föderation, 6. Japan. Die Reihenfolge der Staaten sähe anders aus, würde man den jeweiligen Prokopf-Ausstoß an CO2-Emissionen in Tonnen zugrunde legen: 1. Weltweites Militär (pro Kopf der Soldaten), 2. USA, 3. Russische Föderation, 4. VR China, 5. Indien.

Die Daten für das Militär haben eine hohe Schwankungsbreite (66 bis 139 Tonnen CO2-Emission je eingesetztem Soldaten). Ersichtlich ist aus diesen Daten, die Ausdruck des Verbrauchs an fossilen Energieträgern sind, dass der Verbrauch beim Militär weit über dem Verbrauch hoch industrialisierter Staaten liegt. Den Bürgern werden hohe Auflagen und CO2-Steuern auferlegt, nicht jedoch dem Militär.

Wie unmenschlich ist es, dem Militär, dessen Handeln gewollt auf die Vernichtung von Leben, Infrastruktur sowie die Verschmutzung von Atmosphäre, Böden und Gewässern gerichtet ist, quasi alles ohne Restriktionen zu erlauben?

  • Ein Leopard 2 verbraucht laut Wikimedia auf der Straße 340 Liter, im Gelände 530 Liter und im Gefecht 720 Liter Diesel je 100 km. Zum Vergleich: Ein Pkw mit Dieselmotor verbraucht 6 Liter je 100 km.
  • Die Bundeswehr hat an die Ukraine 46 Flugabwehrkanonenpanzer vom Typ Ge­pard geliefert. Jeder hat ein Gewicht von 47,5 Tonnen, was im Gelände zu andauernder Bodenverdichtung führt, die Bodenstruktur zerstört und dadurch den Wasserhaushalt beeinträchtigt sowie mit Schadstoffen belastet. Ein Gepard, der vier Stunden im Einsatz ist, emittiert nach Angaben des „Westfalenblatts“ 1.422 kg CO2 in die Atmosphäre.
  • Ein Panzer vom Typ Puma verbraucht 500 Liter Diesel je 100 km. Die Bundeswehr hatte 2019 davon 350 Stück im Bestand, 50 bestellt und 61 in Planung. Der Panzer hat ein Gewicht je nach Ausrüstung bis 43 Tonnen.

Zusammenfassend bedeutet das:

  1. Militär – das steht für Ressourcenvergeudung bei der Produktion: Einsatz der menschlichen Arbeitskraft, Bodenversiegelung, Verbrauch von Stahl, Zement, seltenen Erden, Wasser, fossilen Energieträgern, Anfall von Abwasser und Emissionen.
  2. Militär – das steht für Ressourcenvernichtung im Einsatz: Menschenleben, Tiere und Pflanzenbestände, Verschmutzung der Böden und Gewässer, deren Nutzung erst nach intensiver Altlastensanierung möglich wird; Zerstörung der vom Menschen geschaffenen Infrastruktur; Belastung der Atmosphäre und Böden mit giftigen Schadstoffen.
  3. Militär – das steht für erneute Ressourcenvergeudung, denn das Zerstörte muss neu aufgebaut, verwundete Menschen geheilt und psychisch Erkrankte betreut werden.
  4. Militär – das steht für Krieg, Vernichtung, Eroberung von Territorien, Rohstof­fen und Profit. Albert Einstein fasste das kurz und klar zusammen: „Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten.“

Drei Beispiele mögen das andeuten:

  • 15.000 Gemeindewohnungen in Österreich oder 225 Pandur-Radpanzer – beides kostet je 1,9 Milliarden Euro.
  • Eine Lehrkraft für ein Jahr oder ein Eurofighter-Flugstunde – beides kostet je 60.000 Euro (beides aus einem Öffentlichkeitsmaterial der KPÖ).
  • Eine Grundschule für 25 Millionen Euro oder ein Leopard für 27,5 Millionen Euro (nach Gesine Lötzsch von „Die Linke“).

In einer Gesellschaft, deren Produktionsweise auf dem Privateigentum an den Pro­duktionsmitteln basiert, ist der Anspruch Einsteins wohl kaum umsetzbar, denn „der Kapitalismus trägt den Krieg in sich, wie die Wolke den Regen“ (Jean Jaurès).

Kriege verhindern!

Kriege sind Frevel an der Menschheit, an der Umwelt. Diese zu verhindern, erfordert die Produktionsweise zu ändern, sich also auf einen langen Weg zu begeben. Die ersten Ansätze hierzu im vergangenen Jahrhundert waren nicht erfolgreich, dennoch haben die älteren Bundesbürger während der deutschen Zweistaatlichkeit erleben können, was es heißt, ohne Krieg leben zu dürfen. Diese Erfahrungen sollten an jün­gere Menschen weitergegeben werden, damit Jung und Alt gemeinsam für den Frie­den und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen zusammenstehen. Das ist die beste Antwort an Politiker, die das deutsche Volk wieder kriegstüchtig machen wollen.

Dr. Marianne Linke ist habilitierte Agrarmeteorologin und ehemalige Dozentin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie ist Mitglied der Partei „Die Linke“ und war Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Text basiert auf einem Vortrag „Wie greifen Kriege in die Umwelt ein?“, den Marianne Linke auf einer gemeinsamen Tagung des Vereins Helle Panke und der Rapoport-Gesellschaft hielt, die unter dem Titel „Warum nur Krieg – Wege zur Friedensfähigkeit“ am 2. November in Berlin stattfand.

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"Das Militär wird ausgeklammert", UZ vom 29. November 2024



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