Auszüge aus dem Referat des Parteivorstands auf dem 26. Parteitag der DKP

Den Imperialismus zum Frieden zwingen

Vom 20. bis 22 Juni fand der 26. Parteitag der DKP in Frankfurt am Main statt. Mit großer Einmütigkeit beschloss er eine Handlungsorientierung „Widerstand gegen Militarisierung und Sozialabbau organisieren – Wir kämpfen für Heizung, Brot und Frieden“ und wählte einen neuen Parteivorstand. Wir dokumentieren auf dieser Doppelseite Auszüge aus dem Referat des alten und neuen Vorsitzenden, Patrik Köbele, und aus den Grußworten des Botschafters der Sozialistischen Republik Vietnam, Vu Quang Minh, und der Bundesvorsitzenden der SDAJ, Andrea Hornung. Alle Dokumente des 26. Parteitages werden in der Schriftenreihe „DKP intern“ veröffentlicht, die in Kürze im Mitgliederbereich von dkp.de abgerufen werden kann. Sie werden ebenso wie Redebeiträge aus den verschiedenen Diskussionsblöcken in dem Dossier „26. Parteitag der DKP“ im Blog von unsere-zeit.de veröffentlicht. Wir bitten alle Delegierten, ihre Redebeiträge an pv@dkp.de zu senden. Über diese Adresse können Mitglieder auch den Zugang zum Mitgliederbereich auf dkp.de anfordern.

In den Leitgedanken des Parteivorstands zur inhaltlichen Vorbereitung des Parteitags charakterisieren wir die globalen Entwicklungen als einen rasanten, widerspruchsvollen Veränderungsprozess, der gekennzeichnet ist von einem drohenden Hegemonieverlust des US-geführten Imperialismus. Wir kamen noch zu dem Schluss, dass das gemeinsame Inte­resse an der Machterhaltung des Imperialismus die sich dadurch verstärkenden innerimperialistischen Widersprüche verdeckt.Das ist mittlerweile Vergangenheit. Für seinen Kampf gegen China will der US-Imperialismus möglicherweise ein Kriegsende in der Ukraine – dieser Krieg ist ihm zu teuer und er hofft, Russland umgarnen zu können, damit das Bündnis mit China gelockert wird. Das widerspricht offensichtlich den Inte­ressen der führenden Kräfte in der EU und Britanniens, die wissen, dass ihre Dominanz in Europa ein schwaches Russland, für die eigenen Weltmachtansprüche möglichst ein halbkoloniales Russland als Hinterland und Rohstoffquelle erfordert. Vor allem Deutschland, Frankreich, Polen und Britannien setzen deshalb auf die Fortsetzung des Krieges mit Russland, ja sogar auf dessen Eskalation.

Zugespitzte Widersprüche

Die Zuspitzung der innerimperialistischen Widersprüche hat möglicherweise das von uns in den Leitgedanken gesehene Verhältnis von Unterordnung und Dominanz des deutschen Imperialismus im Verhältnis zum US-Imperialismus bereits verändert. Seine schwächer gewordene ökonomische Dominanz in der EU und Europa, die größer gewordenen strategischen Unterschiede zum US-Imperialismus zwingen ihn zu einer stärkeren Kooperation mit den Konkurrenten aus Frankreich und Britannien. Einzelne ihrer „Experten“ gehen so weit zu sagen, dass „Europa ohne die USA, vielleicht sogar gegen sie, verteidigungsfähig werden“ müsse, so am 2. Juni Professor Christopher Daase vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung. Und trotzdem bleibt die Unterordnung in wesentlichen und gefährlichen Punkten: Da ist die nukleare Teilhabe, die Deutschland mit den Atomwaffen in Büchel zum Atomwaffenstandort macht. Da ist die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen, die ab kommendem Jahr in Deutschland stationiert werden sollen, um im Kriegsfall Russland militärisch zu enthaupten. Beides macht Deutschland zur Zielscheibe.

Der widersprüchliche Prozess des Hegemonieverlusts des Imperialismus ergibt sich auch aus der Widersprüchlichkeit der Prozesse in den verschiedenen Ländern und Regionen, bei handelnden Kräften. Ein Beispiel dafür war der Sturz der Regierung Assad in Syrien. Ihre Stabilität und Verankerung war offensichtlich morsch geworden, dazu trugen die unmenschlichen Sanktionen des Imperialismus bei. Ihr Sturz durch dschihadistische Kräfte war ein Rückschlag für den Antiimperialismus. Aber selbst auf diese dschihadistischen Kräfte wirkt offensichtlich die Widersprüchlichkeit, sodass ein völliger Übergang auf die Seite von NATO und Zionismus noch offen scheint.

Analyse vertieft

Das Denken in Widersprüchen, das Erkennen der Widersprüchlichkeit von weltgeschichtlichen Prozessen, das haben wir in den Diskussionen zu den Leitgedanken vertieft – allein dafür haben sich diese Diskussionen gelohnt. Wir haben unsere Analyse des deutschen Imperialismus geschärft, nachdem wir in der vergangenen Periode die Analyse globaler Prozesse vertieft haben. Wir sind jetzt besser in der Lage, unsere Strategie und Taktik zu entwickeln.

Die Form der Leitgedanken und vor allem der Punkt, dass sie kein Beschlussdokument gewesen sind, war ungewohnt – ich denke, die Dynamik der Entwicklungen macht das aber nachvollziehbar. Wir haben auf der Linie der Leitgedanken unsere Politik entwickelt und weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung schlägt sich ja in den Referaten „Parteiengefüge und Klassenkräfte“, „Übergang zur Kriegswirtschaft? – Probleme und Widersprüche“ sowie im Referat „Zur Lage der Arbeiterklasse nach den vorgezogenen Bundestagswahlen“ nieder.

Kapitalfraktionen

Etwas schwer zu durchschauen ist die Frage, warum bislang selbst die Teile des Kapitals, die ökonomisch tatsächlich Probleme mit den hohen Energiepreisen als Folge der Sanktions- und Pipeline-Sprengungspolitik haben, keinen Widerspruch formulieren. Es liegt vermutlich daran, dass sie wissen, dass die Arbeiterklasse, die Bauern, die Mittelschichten, die Intelligenz für sie zur Kasse gebeten werden. Dass sie wissen, dass Unruhe der Ausgeplünderten befördert würde, wenn sich Risse in der herrschenden Klasse zeigen. Und dass sie wissen, dass eine Abwanderung in die USA mit dortigen Honigtöpfen garniert ist.

Trotzdem stellt das natürlich einen möglichen Riss in der derzeitigen Aggressions- und Kriegsstrategie der dominierenden Fraktion des Monopolkapitals dar. Auch, weil die vom US-Imperialismus gewünschte stärkere Aggression gegen China ökonomisch eine ganz andere Problematik für große Teile des Kapitals darstellt als die Aggression gegen Russland.

Bislang zeigen sich keine Kapitalkräfte, die auf eine eurasische Zusammenarbeit orientieren, trotzdem können sich aus der Verschärfung und Umorientierung der Aggression des Imperialismus gegen China neue Konstellationen ergeben.

Das müssen wir beobachten, denn es kann die Rahmenbedingungen für den Friedenskampf verändern.

Friedensperspektiven

Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen – das stimmt umso mehr für den Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium. Deswegen ist uns klar, dass wir letztlich den Frieden nur dauerhaft erkämpfen können, wenn wir den Kapitalismus überwinden und den Sozialismus erkämpfen. Trotzdem wäre es falsch, den Erhalt des Friedens auf die Zeit nach der Überwindung des Kapitalismus zu vertagen. Auch weil wir heute wissen, dass das eine globale Frage ist und folglich die Vertagung mindestens bis zur starken Dominanz so­zialistischer Produktions- und Gesellschaftsverhältnisse im Weltmaßstab dauern würde. Die Vertagung wäre vor allem auch falsch, weil kriegerische Auseinandersetzungen immer die Dynamik zu einer globalen, möglicherweise nuklearen Dimension beinhalten. Deswegen muss die Arbeiterklasse im globalen Maßstab, müssen die antiimperialistischen Kräfte darum kämpfen, ein Kräfteverhältnis zu erreichen, das den Imperialismus in Schach hält und zum Verzicht auf Krieg zwingt. Diese globale Aufgabe wird zur nationalen Aufgabe im internationalen Kontext, das heißt: Vor der Arbeiterklasse in Deutschland, vor den antiimperialistischen und antimonopolistischen Kräften in Deutschland steht die Aufgabe, den deutschen Imperialismus zum Verzicht auf Krieg zu zwingen. Dabei geht es darum, ihn aus den aggressiven imperialistischen Bündnissen zu lösen, ihn zu einem friedlichen Zusammenleben mit seinen Nachbarn und seinen heutigen zu Feinden Erklärten zu zwingen und ihm eine neue Entwicklungsrichtung im Inte­resse der Menschen in Deutschland und auf der Welt zu geben. Eine Umorientierung von der transatlantischen Fixierung zu einer eurasischen Zusammenarbeit kann eine Perspektive sein, die auch Teil des Kampfes ist, den Imperialismus zum Frieden zu zwingen.

Das wird nicht ohne eine starke Friedensbewegung zu erreichen sein, das wird nicht ohne intensive Klassenkämpfe zu erreichen sein, das wird nicht ohne die Zusammenführung von Friedens- und Arbeiterbewegung zu machen sein, das wird nicht gehen, ohne dass die Arbeiterklasse eine entsprechende Bündnispolitik mit anderen nichtmonopolistischen Klassen und Schichten entwickelt.

Scheinalternative

Eine der materiellen Grundlagen für die Integration großer Teile der Arbeiterbewegung in den Kriegskurs ist die veränderte Rolle der deutschen Rüstungsindustrie. Sie ist massiv gewachsen, weil Kriegsfähigkeit dieses Wachstum verlangt. Wichtiger noch: Sie wird angesichts der ökonomischen Krise, die stark durch die aggressive Sanktionspolitik des Imperialismus verursacht ist, zum Strohhalm vieler Beschäftigter in den Krisenbranchen.

Die Anzahl der Industriearbeitsplätze ging seit 2018 um 4,2 Prozent oder 240.000 Arbeitsplätze zurück, seit 2024 um 1,8 Prozent. Für dieses Jahr wird ein weiterer Abbau von 70.000 Arbeitsplätzen, besonders im Maschinen- und Automobilbau, prognostiziert – das macht schon etwas im Bewusstsein der Arbeiterklasse. Die Aussicht, die Lebensperspektive für sich und seine Familie zu verlieren, ist schrecklich. Alternativen scheinen nicht vorhanden zu sein. Die Beschäftigten hier moralisch zu kritisieren greift zu kurz und ist falsch. Wir müssen deutlich machen: Produktion ist dann „nachhaltig“, wenn die Produkte auch sinnvoll und vernünftig verbraucht werden können. Wenn Rüstungsproduktion verbraucht wird, dann bringt das Tod und Zerstörung, dann ist Krieg. Wir müssen deutlich machen, dass Waggons gebraucht würden, würde man die notwendige Verkehrswende weg vom Individualverkehr angehen. Heute werden sie nicht gebraucht, weil der Profit Ausgangspunkt für Produktionsentscheidungen ist und nicht die Inte­ressen der Menschheit.

Zähes Ringen …

Wir wissen, dass wir mit dieser Argumentation kurzfristig keine Mobilisierung der Kolleginnen und Kollegen gegen Rüstungsproduktion hinbekommen – trotzdem müssen wir zeigen, dass wir ihre Sorgen und Nöte kennen und verstehen und dennoch unsere Positionen und Alternativen propagieren.

Zuhören, verstehen, prinzipienfest und gleichzeitig flexibel sein – das gilt wohl derzeit für unsere gesamte Aktionseinheitspolitik, also die wichtigste Form unserer Bündnispolitik, nämlich die innerhalb der Arbeiterklasse. Dort sind wir vor allem mit der komplizierten Entwicklung des Reformismus und der komplizierten Entwicklung seiner organisierten Form, der Sozialdemokratie, konfrontiert. Organisiert haben wir es mit drei Parteien – der SPD, der Linkspartei und dem BSW – zu tun. Einfach machen könnte man es sich mit der SPD – man könnte sagen: „Kriegstreiberpartei – mit der wollen wir nichts zu tun haben“. Es stimmt natürlich, die SPD als Partei ist Kriegstreiberpartei und Arzt am Krankenbett des Imperialismus – trotzdem reicht das als Charakterisierung nicht aus. Nach wie vor verfügt die SPD über eine große Ausstrahlung und großen Einfluss auf die wichtigste Form der organisierten Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften, die DGB-Gewerkschaften. Und ja, die Gewerkschaften selbst sind weit in den Kriegs- und Krisenkurs der herrschenden Klasse integriert. Trotzdem, die Gewerkschaften sind die Schulen des Klassenkampfs, es ist kommunistische Pflicht, in den Gewerkschaften aktiv zu werden und zu sein – alles andere ist Sektierertum, das die kommunistische Bewegung in Deutschland zu Recht mehrfach, beginnend mit der sogenannten „Bolschewisierung“ 1925, überwunden hat.

Nach wie vor gibt es in der SPD auch Friedenskräfte, wie aktuell das SPD-Manifest „Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“ zeigt. Bei allen Halbheiten, das ist ein wichtiger Formierungsschritt der Friedenskräfte in der SPD, der durchaus auch helfen kann, die Diskussion in den Gewerkschaften mehr zu öffnen. Wir sind bereit, den gemeinsamen Kampf mit diesen Friedenskräften in der SPD zu führen, wie wir mit allen ehrlichen Friedenskräften gemeinsam zu kämpfen bereit sind.

… gegen die Integration

Ein Problem der drei sozialdemokratischen Parteien ist, dass sie alle drei in verschiedenen Punkten in den Kurs der herrschenden Spaltungspolitik der Klasse eingebunden sind: die SPD unter anderem in die Verarmungs- und Ausgrenzungspolitik von Teilen der Klasse, die Linkspartei in die Orientierung auf Themen, die gesetzt werden, um vom Friedens- und vom Klassenkampf abzulenken, das BSW in das Ablenken von den Ursachen von Kriegs- und Krisenpolitik auf die Frage von Migration und Flucht. Bei allen drei Parteien kommen wir nicht darum herum, klar zu unterscheiden zwischen der Rolle der Parteien, die wir gegebenenfalls in aller Schärfe kritisieren müssen, und ihren Mitgliedern, Anhängern und Wählerinnen und Wählern. Sie sind unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Nachbarinnen und Nachbarn, sie sind oftmals Teil der Arbeiterklasse, mit ihnen wollen und müssen wir in Bewegung kommen, in den Friedenskampf, in die Klassenkämpfe, in die Kämpfe um die Verteidigung demokratischer Rechte. In diesen Kämpfen müssen wir ihr Bewusstsein über die Widersprüchlichkeit ihrer Parteien, die Widersprüchlichkeit des Reformismus an sich wachsen lassen. Das verlangt Geduld und vor allem gemeinsame Kämpfe.

Klar muss uns auch sein: Solange die Arbeiterklasse stark in dieser Integration in die Politik der herrschenden Klasse gefangen ist, so lange kann sie nur unzureichend die notwendige Magnetfunktion in der Bündnispolitik mit anderen Klassen und Schichten wahrnehmen. Das führt dann zu solchen Erscheinungen wie dem Aufbrechen von Widersprüchen bei den Bauern, die dann aber politisch-ideologisch eher im Reaktionären zu landen drohen. Neben den Bauern betrifft dies vor allem auch die Intelligenz beziehungsweise übergreifend die Mittelschichten.

Dieses Referat haben wir in voller Länge im UZ-Blog veröffentlicht.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Den Imperialismus zum Frieden zwingen", UZ vom 4. Juli 2025



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit