Vor 80 Jahren führte Italien einen mörderischen Krieg – und nicht nur das faschistische Deutschland profitierte …

Der Abessinien-Krieg

Von NH

Seit 1922 – dem Jahr des Machtantritts des Faschismus in Italien – verstärkte sich der Druck auf Äthiopien. Der italienische Faschismus bereitete zunächst unter der Flagge „Wiederherstellung des Römischen Imperiums“ propagandistisch die Aggression vor. Dazu wurde entsprechend Stimmung gemacht.

1926 sicherten sich Großbritannien und Italien trotz ihrer sonstigen Gegensätze in der „Äthiopienfrage“ gegenseitig zu, dass ihre Gesandtschaften in Addis Abeba gemeinsam vorgehen würden, um zur Erlangung von Konzessionen Druck auf die äthiopische Regierung auszuüben. In einem geheimen Abkommen legten beide Mächte ihre Interessensphären in diesem Teil Afrikas fest.

Ende der zwanziger Jahre rüstete der italienische Faschismus zum Krieg gegen Äthiopien. Die italienischen Kolonien Eritrea und Somaliland wurden als Aufmarschbasis ausgebaut.

Am 3. Oktober 1935 überfiel Italien ohne Kriegserklärung und mit erdrückender Übermacht das Land.

Die Faschisten setzten in der Folge mehrfach Giftgas ein. 750 000 Äthiopier fielen der verbrecherischen Kriegsführung zum Opfer. Sie starben im Krieg, erstickten durch Gas, verhungerten in den Konzentrationslagern oder wurden bei Strafexpeditionen getötet. Das Land setzte sich trotzdem über Jahre erbittert zur Wehr. Der Unabhängigkeitskampf Äthiopiens brachte das faschistische Italien in eine äußerst „schwierige politisch-wirtschaftliche Gesamtlage“, wie die italienische Regierung in Geheimberatungen mit der Hitler-Regierung eingestand. Dieser Krieg spielte in der Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges eine wichtige Rolle.

Das faschistische Deutschland stand von Anfang an auf der Seite des Aggressors, unterstützte ihn diplomatisch und materiell. Am 17. Januar 1936 hielt der deutsche Botschafter in Rom, Ulrich von Hassel, bei Hitler einen Vortrag über die militärische Lage Italiens. Ein Sieg des faschistischen Italiens in Äthopien lag auch im deutschen Interesse. Italien dürfe als Faktor im europäischen Spiel nicht allzusehr geschwächt werden, meinte von Hassel. Zudem brauchte das faschistische Deutschland den Zugriff auf Ressourcen.

Einzig die Sowjetunion sprach sich damals konsequent gegen die italienische Annexionspolitik aus und verteidigte die Völkerbundsatzung.

Die faschistischen Kriegsziele berührten auch die Kolonialinteressen Großbritanniens (Seeweg nach Indien) und Frankreichs. Dennoch begünstigten beide Mächte Mussolinis Kriegspolitik. Die Aktionäre der Suezkanal-Gesellschaft kassierten zudem hohe Gebühren für die umfangreichen italienischen Truppentransporte. Es gibt sogar Hinweise, dass diese Gelder zur Entlastung der italienischen Kriegskasse von der französischen Bank der Kanalgesellschaft vorgeschossen wurden. Die USA lieferten an Italien wichtige strategische Rohstoffe (Baumwolle, Öl, Eisenschrott), Waffen und Autos, letztere unmittelbar zum afrikanischen Kriegsschauplatz.

Trotz brutaler Kriegführung gelang es den faschistischen Truppen erst am 5. Mai 1936 Addis Abeba zu besetzen.

Das deutsche Finanz- und Industriekapital wurde übrigens natürlich an der „Erschließung“ des okkupierten Territoriums großzügig beteiligt. Im Oktober 1936 kam es zwischen den Regierungen beider faschistischer Staaten in der „Kolonialfrage“ zu einer bedeutsamen Absprache: Hitler-Deutschland zog Nutzen aus der kolonialen Ausbeutung Äthopiens und seinen Ressourcen. Es entstand die „Achse Berlin-Rom“, die später auch (ab 1940) Japan mit einschloss („Antikominternpakt“).

Bereits vor dem Putsch gegen die Republik in Spanien unterstützte das faschistische Deutschland die Franco-Putschisten. Italien entsandte – die Kräfte waren ja nicht mehr durch den Abessinien-Krieg „gebunden“ – im Dezember 1936 ein erstes italienisches Expeditionsheer unter dem Kommando von General Mario Roatta. Die „Freiwilligenverbände“ erreichten auf dem neuen „Betätigungsfeld Spanien“ bis April 1937 eine Truppenstärke von 80 000 Mann.

Quelle unter anderem: Geschichte Afrikas. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. 2, Berlin 1976

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"Der Abessinien-Krieg", UZ vom 29. Januar 2016



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