… reicht aber noch nicht – Warum die Demo vor der Gesundheitsministerkonferenz am 20. Juni in Düsseldorf wichtig ist

Der Druck wirkt …

Von Monika Münch

Im August letzten Jahres wurde § 137i in das Sozialgesetzbuch V eingefügt, der für alle pflegesensitiven Bereiche Pflegepersonal-Untergrenzen vorschreibt. Auf diese Untergrenzen sollen sich die Spitzenverbände der Gesetzlichen Krankenkassen, der GKV-SV, und der Krankenhäuser, die DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft) bis Ende Juni 2018 einigen. Die Krankenkassen wollen sparen, die DKG fürchtet um die unternehmerische Freiheit.

Der §137i schreibt vor, den Deutschen Pflegerat, die für Personalfragen der Krankenhäuser maßgeblichen Gewerkschaften sowie Patientenorganisationen und wissenschaftliche medizinische Fachgesellschaften qualifiziert zu beteiligen – die letzte gemeinsame Beratung zu diesen Pflegepersonal-Untergrenzen fand nun am 8. Mai statt. Ohne sachgerechtes Ergebnis.

„Pflegerat und Verdi laufen Sturm“ – so titelt die „ÄrzteZeitung online“ zwei Tage später. „Ziel verfehlt“ stellt ver.di fest. In einer gemeinsamen Erklärung kommen Patientenvertretungen, ver.di und DGB zum Verhandlungsstand über die Einführung von Personaluntergrenzen „zu dem Schluss, dass die von ihnen eingebrachten Vorschläge, Kritikpunkte und Forderungen von den Verhandlungspartnern DKG und GKV-SV weder berücksichtigt noch in die Verhandlungen einbezogen wurden“.

Wen wundert das denn wirklich?

F. A. von Hayek, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften und Vordenker des Neoliberalismus, sagte 1983: „Es mag hart klingen, aber es ist wahrscheinlich im Interesse aller, dass in einem freiheitlichen System die voll Erwerbstätigen oft schnell von einer vorübergehenden und nicht gefährlichen Erkrankung geheilt werden, um den Preis einer gewissen Vernachlässigung der Alten und Sterbenskranken.“ Weder der GKV-SV als Geldgeber noch die DKG als Arbeitgeber noch die Bundesregierung als Sachwalter des Neoliberalismus in diesem Land haben ein wirkliches Interesse an einer bedarfs- und menschengerechten Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Nicht mal eine Änderung des Paragrafen 137i hat diese Regierung geschafft, obwohl laut Koalitionsvertrag nicht nur für die sogenannten pflegesensitiven Bereiche, sondern für alle bettenführenden Abteilungen Pflegepersonaluntergrenzen eingeführt werden sollen, u. a. um Personalverschiebungen zu verhindern. Und so haben sie sich das laut Zwischenbericht vom 30. Januar 2018 vorgestellt:

  • „Pflegelast“ feststellen: den Pflegepersonalanteil aus den Fallpauschalen rausrechnen, das als Untergrenze definieren und eine Art Pflegefallpauschale bestimmen.
  • Perzentilmethode: die Personalausstattung als Untergrenze definieren, bei der die Patientensicherheit gerade eben gewährleistet ist – mehr Personal gibt es dann nicht.
  • Monatsdurchschnitt als Maßstab für das Einhalten der Pflegepersonal-Untergrenzen festlegen statt Realisierung in jeder einzelnen Arbeitsschicht
  • Bei 100 000 fehlenden Pflegekräften in den Krankenhäusern und ca. 30 000 in den Altenheimen bietet die Bundesregierung im Koalitionsvertrag 8 000 zusätzliche Pflegekräfte für Behandlungspflege in den Altenheimen.

„Den Bock zum Gärtner gemacht“ empören sich viele Bündnisse für mehr Personal in den Krankenhäusern – in Berlin, Hamburg, Bremen, im Saarland, in Bayern und Baden-Württemberg. Mit wochenlangen Streiks haben die Klinikbeschäftigten der Charité in Berlin, die Kolleginnen im Saarland, an der Uniklinik in Düsseldorf und in Baden-Württemberg für Entlastungstarifverträge, für mehr Personal gekämpft. In der Bevölkerung haben ver.di und die Bündnisse für mehr Krankenhauspersonal hunderttausende Unterschriften gesammelt und an die Gesundheitsminister überreicht – in kurzer Zeit hatten die Berliner genug beglaubigte Unterschriften für ihr Volksbegehren zusammen. Die Hamburger sammelten für ihre Volksinitiative in drei Wochen über 27 000 Unterschriften, obwohl nur 10 000 nötig gewesen wären. Der Druck wirkt, reicht aber noch nicht, um wesentliche Forderungen durchzusetzen:

  • Eine gesetzliche Personalbemessung, bei der das Wohl der Patienten bei guten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Mittelpunkt steht und nicht der sogenannte „wirtschaftliche Erfolg“, die schwarze Null oder die Gewinnerwartung eines Klinikkonzerns. Personaluntergrenzen müssen sich als Verhältnis von examinierter Pflegekraft zur Anzahl zu versorgender Patienten an guten internationalen Beispielen orientieren wie Kalifornien und Australien oder Norwegen und Schweiz
  • Verbindliche Umsetzung für alle Stationen und Bereiche und zwar in allen Schichten, keine Nachtschicht mehr alleine!
  • Zur Personalbemessung muss darüber hinaus die Pflegepersonalregelung von 1992 aktualisiert und wieder in Kraft gesetzt werden
  • Die Zahl der Ausbildungsplätze in der Pflege muss um 30 Prozent erhöht werden!
  • Die DRGs, die Fallpauschalen müssen abgeschafft und durch das Selbstkosten-Deckungsprinzip ersetzt werden, um den Zielkonflikt zwischen guter Pflege bzw Medizin und der Ökonomie aufzulösen
  • Gewinne machen im Krankenhaus – das gehört wieder verboten wie vor 1985

Wenn sich DKG und GKV-SV nicht bis 30. Juni auf Pflegepersonaluntergrenzen einigen, wird Gesundheitsminister Jens Spahn Anfang 2019 das Problem auf dem Verordnungswege regeln.

Um ihre notwendigen Forderungen durchzusetzen schließen sich Beschäftigte in den Krankenhäusern und Pflegeheimen mit – potentiellen – Patienten bundesweit zusammen. Aber vor allem aus den Kliniken heraus muss so ein Druck aufgebaut werden, dass Herrn Spahn das „SPAHN“ vergeht.

Die nächste Gelegenheit, der GroKo einzuheizen, ist die bundesweite Demo in Düsseldorf am 20. Juni bei der Konferenz aller Gesundheitsminister mit Bundesgesundheitsminister Spahn.

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"Der Druck wirkt …", UZ vom 25. Mai 2018



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