Erstes Buch über das Leben des Raúl Castro auf deutsch erschienen

Der jüngere Castro

Von Lars Mörking

der juengere castro - Der jüngere Castro - Politisches Buch, Raul Castro, Rezensionen / Annotationen - Theorie & Geschichte

Volker Hermsdorf

„Raúl Castro – Revolutionär und Staatsmann“

Verlag Wiljo Heinen

2016, 350 Seiten

16 Euro

Wie viele Bücher gibt es über das Leben des Fidel Castro? Es sind viele. Und über das Leben seines jüngeren Bruders, Raúl Castro? Eines, und es ist jüngst erschienen im Wiljo Heinen Verlag.

Dass es nicht mehr sind verwundert doch. Schließlich ist der ehemalige Verteidigungsminister, Weggefährte von Fidel und Che, Revolutionär der ersten Stunde und seit 2008 Präsident (des Staats- und Ministerrates) der sozialistischen Republik Kuba und steht zudem seit 2011 an der Spitze der Kommunistischen Partei. Andererseits ist die Frage, was denn über die kubanische Revolution noch zu erfahren ist, was nicht schon in den Büchern über Raúls Weggefährten vorkommt.

Der Autor, Volker Hermsdorf, ist u. a. Journalist und schreibt für die „junge Welt“. Sein Buch „Raúl Castro – Revolutionär und Staatsmann“ fängt mit der Geschichte vom Bauernjungen an und erzählt vom Wirken des „jüngsten Verteidigungsministers der Welt“ bis zum „Architekten einer neuen Ära“. Dabei geht es meist weniger um die persönlichen Eigenschaften und Erlebnisse des Raúl Castro, sondern über den politischen Werdegang, das sozialistische Kuba und um sein Wirken in verantwortlicher Position.

Und doch weiß Hermsdorf etwas über die Kindheit und Jugend des Jüngeren zu berichten, das nicht schon über Fidel geschrieben wurde. Klar ist, dass Fidel und Raúl einen überwiegenden Teil ihres Lebens einen gemeinsamen Weg gegangen sind. Doch eifert Raúl nicht in allem seinem Bruder nach. Schon die von Fidel gepriesene Ausbildung durch Jesuiten im Colegio Dolores in Santiago de Cuba ist für Raúl eher Anlass, sich in Widerstand zu üben: „Es war unerträglich“ wird er von Hermsdorf zitiert. „Den ganzen Tag wurde gebetet. Man weckte uns um halb sechs Uhr morgens, und gleich nach dem Aufwachen gab es ein Gebet. (…) Dann führte man uns zur Messe, wo wir wieder beteten. (…) Beten, Frühstück, Beten. Nach dem Refektorium begann die erste Schulstunde des Tages: Beten vorher, Beten nachher. (…) Ich hatte das Beten wirklich satt.“

In seiner Zeit als Student in Havanna freundete sich Raúl mit jungen Kommunisten an, leitete die Studentenzeitschrift „La Saeta“ („Der Pfeil“). Mit 21 leitete er die kubanische Delegation zur „Internationalen Konferenz zur Verteidigung der Rechte der Jugend“ in Wien und lernte die kommunistische Jugendbewegung und den „Weltbund der Demokratischen Jugend“ WBDJ kennen. Dass er in Wien auch eine Ausgabe von Makarenkos „Der Weg ins Leben“ geschenkt bekam, wäre vielleicht nur eine Fußnote wert gewesen. Doch erstens können Bücher wie das des sowjetischen Pädagogen eine erstaunliche Kraft entfalten und zweitens führte es während der Überfahrt von Genua nach Havanna zu einer Begegnung mit dem sowjetischen Diplomaten Leonow, der sich über die Lektüre des Kubaners wunderte.

Zurück in Havanna beginnt die Zeit der organisierten und gezielten Angriffe auf die Batista-Diktatur. Der Angriff auf die Moncada-Kaserne, Verhaftung und Prozess, Freilassung und Repression und schließlich der Entschluss, Kuba zu verlassen und mit einer kleinen Gruppe von Guerillakämpfern in einem noch kleineren Boot namens „Granma“ zurückzukehren, um den bewaffneten Kampf auf kubanischem Boden aufzunehmen … all das erzählt Hermsdorf, ohne die Geschichte neu zu schreiben, aber immer fokussiert auf die Rolle Raúls.

Was die Zeit der Revolution und des Aufbaus des sozialistischen Kubas betrifft, so befasst sich das Buch mit dem Wirken Raúls in seinen verschiedenen Funktionen. Der Schlussteil, der sich mit der Zeit ab 2008 befasst, in der Raúl die für ihn immer vorgesehene Funktion des Nachfolgers Fidels auch wirklich einnimmt, macht „Raúl Castro – Revolutionär und Staatsmann“ nicht nur zum einzigen deutschsprachigen Buch über Raúl Castro, sondern auch zu einem der ganz wenigen Bücher über die aktuelle Politik des sozialistischen Kubas und der Kommunistischen Partei.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Der jüngere Castro", UZ vom 28. Oktober 2016



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