Deutsche Bahn will Auslandstöchter verkaufen – teilweise

Der lange Abschied vom Börsengang

Von Rainer Perschewski

Schenker und Arriva

Bis zum Herbst will die Deutsche Bahn ein Konzept für den Verkauf von Minderheitsbeteiligungen an den DB-Tochterunternehmen Arriva und Schenker vorlegen.

Arriva betreibt Busse und Bahnen in 14 europäischen Ländern und beschäftigt mehr als 45000 Mitarbeiter. Schenker ist ein Transport- und Logistikunternehmen mit etwa 66000 Mitarbeitern an rund 2 000 Standorten.

Die Deutsche Bahn AG ist inzwischen ein internationaler Player im Mobil- und Logistikgeschäft. In der Luft, auf dem Wasser oder auf dem Land per Schiene oder Straße, mit dem reinen Eisenbahnverkehr ist es schon seit geraumer Zeit vorbei. Das wurde und wird gerade von Umwelt- und Verkehrsverbänden kritisch betrachtet. Das Bündnis „Bahn für alle“ formulierte 2008 in ihrem „20-Punkte-Katalog“ mit Forderungen für die Zukunft der Bahn: „Die aktuelle Strategie einer aggressiven Expansionspolitik im Ausland muss aufgegeben werden. Eine Bahn der Zukunft orientiert auf den Binnenmarkt und den Ausbau eines europaweiten Schienenverkehrs in Form von Kooperationen mit den anderen Eisenbahnen in Europa.“

Im gleichen Jahr scheiterte der damalige Bahnchef Mehdorn aufgrund der Weltwirtschaftskrise mit dem geplanten Börsengang der staatseigenen Aktiengesellschaft DB AG. Auf Betreiben der Bundesregierung hatte der Konzern hierzu eigens eine Gesellschaft konstruiert, die „DB Mobility Logistic AG“, die den Verkauf von einem Viertel der Aktien der Verkehrssparte ermöglichen sollte, während die Schieneninfrastruktur komplett in der Hand der DB AG verbleiben sollte. Auch dies wurde mit Protesten begleitet.

Sehr unkritisch sahen es damals alle Bahngewerkschaften. Der GDL-Führung war es egal unter welchen Eigentümern ihre Lokführer fahren sollten und die EVG-Vorgängergewerkschaften (TRANSNET, GDBA) bzw. unter ihrem Vorsitzenden der TRANSNET Norbert Hansen beschränkte sich auf eine „kritische Begleitung“ des Börsenganges. Wie sich aber zeigte, sollte der TRANSNET-Chef als Personalvorstand der Bahn diese Begleitung mit finanzieller Absicherung versüßt bekommen. Die Weltwirtschaftskrise verhinderte diese Planungen, ein Börsengang lohnte sich nicht mehr. Wie die wirtschaftlichen und technischen Probleme der Deutschen Bahn der Folgejahre zeigten, war das gesamte Unternehmen derart auf den Börsengang getrimmt, dass es auch in finanzieller Hinsicht für den Eisenbahnverkehr eine Fahrt ins Fiasko geworden wäre.

Inzwischen spricht innerhalb der DB AG niemand mehr vom Börsengang, weder das Unternehmen noch die Gewerkschaften. Die EVG als Nachfolgeorganisation der TRANSNET hat sich in ihrem gültigen Grundsatzprogramm gegen Privatisierungen ausgesprochen.

Der Börsengang ist durch den Konzernumbau vom Tisch. „Durch den Beschluss des Aufsichtsrates, die DB ML AG aufzulösen, ist diesen Plänen nun die Grundlage entzogen worden“, machte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner nach der außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsgremiums Anfang Mai deutlich.

Der reine Grundsatzbeschluss, an zwei Auslandstöchtern – Schenker und Arriva – eine Minderheitsbeteiligung Dritter zuzulassen, wurde von den Arbeitnehmervertretern der EVG mitgetragen. „Die DB AG reduziert ihr Engagement im Ausland und nutzt die Erlöse für Investitionen in Strecken und Züge in Deutschland“, stellte Kirchner dazu fest. „Dass die Milliarden, die so erzielt werden sollen, wieder ins Unternehmen fließen, ist dabei eine unserer Bedingungen“, betonte der EVG-Vorsitzende. Das sichere letztlich Arbeitsplätze, dafür setze sich die EVG ein.

Der Vorstand der DB AG wurde beauftragt, nun konkrete Umsetzungsplanungen der angestrebten Minderheitsbeteiligung an den beiden Auslandstöchtern zu entwickeln. Diese müssen dem Aufsichtsrat vorgelegt und von diesem genehmigt werden. Die Vorlage eines Gesamtkonzeptes ist für den Herbst dieses Jahres vorgesehen.

Obwohl auch der Bahnvorstand betont, dass die zu erwartenden Verkaufserlöse von ca. 50 Milliarden Euro dazu dienen sollen, die „Qualitäts- und Investitionsoffensive in Deutschland“ fortzuführen, ist Skepsis angebracht. Sehr wohl könnte auch ein Investor der Auslandstöchter Einfluss auf die Unternehmenspolitik erlangen. Unklar ist, wie das Unternehmensgebaren der DB Arriva und der DB Schenker auf das Ausland beschränkt bleiben soll.

Ein Mehrheitseigner muss selbst nach deutschem Recht immer auch die wirtschaftlichen Interessen des Minderheitseigners berücksichtigen. Das wollen die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat ausschließen. Konsequent wäre allerdings nur der komplette Verkauf der Auslandstöchter und die Auflösung der Deutschen Bahn als Aktiengesellschaft. Nur als öffentlich-rechtliches Unternehmen ohne Renditeinteresse kann eine Konzentration auf das vom Bahnvorstand Rüdiger Grube immer wieder betonte „Brot- und Butter-Geschäft“ erfolgen.

Das zeigt auch das Geschäftsgebaren der DB AG beim Güterverkehr. So ist der geplante Kahlschlag bei dem Schienengüterverkehrsanbieter DB Cargo alles andere als eine Qualitätsoffensive in Deutschland. Mit der geplanten Schließung von hunderten Güterverkehrsstellen und dem Abbau von einigen tausend Stellen ist der Abgesang programmiert. Hiergegen rufen die Betriebsräte und die EVG zur Protestkundgebung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung am 8. Juni in Berlin auf.

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"Der lange Abschied vom Börsengang", UZ vom 27. Mai 2016



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