Vorstand der Deutschen Bahn will Konzern umbauen – Gewerkschafter bezeichnen Vorhaben als realitätsfern

Völlig losgelöst

Von Lars Mörking

Mit völlig konträren Darstellungen gehen der DB-Vorstand und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in der letzten Woche aus den Aufsichtsratssitzungen des bundeseigenen Konzerns Deutsche Bahn AG. Während der Vorstand in einem Mitarbeiterbrief verkündet, dass der Aufsichtsrat „Grünes Licht“ für die „weitreichenden Veränderungen im DB-Konzern“ gegeben hätte, widerspricht der Vorsitzende der EVG, Alexander Kirchner, dieser Darstellung: „Auch wenn die DB AG das in ihrem Mitarbeiterbrief und in einer Pressemeldung behauptet. Diese Aussage ist so nicht richtig. Richtig ist: Zu dem vom Vorstand der DB AG vorgelegten Sachstand zum Projekt ‚Zukunft Bahn‘ gab es im Aufsichtsrat keine Beschlussfassung. Der Aufsichtsrat hat den augenblicklichen Status lediglich zur Kenntnis genommen.“

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( Deutsche Bahn AG/Pablo Castagnola)

Das bereits wenige Stunden nach der Sitzung der Darstellung des DB-Konzerns widersprochen wurde, ist ein ungewöhnlicher Vorgang abseits der üblichen Verlautbarungen. Es deutet darauf hin, dass in der Gewerkschaft deutlicher Widerstand gegen diesen Kurs zu erwarten ist.

Der bereits vor Monaten angekündigte Konzernumbau bei der DB AG sollte auf dieser Sitzung des höchsten Kontrollgremiums seinen Abschluss mit der Vorlage von konkreten mit Maßnahmen unterlegten Konzepten finden. Schon in den letzten Wochen zeichnete sich aber ab, dass der Konzernvorstand trotz der Einbeziehung ganzer Stäbe in Projektgruppen offensichtlich nicht in der Lage ist, der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens etwas entgegen zu setzen.

Strukturänderungen eingeleitet

Bereits im Vorfeld dieser in der Öffentlichkeit mit Spannung erwarteten Aufsichtsratssitzung sind Strukturveränderungen in Form von Zuständigkeiten der jeweiligen Konzernressorts umgesetzt worden. So machte der Konzernvorstand deutlich, dass er einen Verkauf von Anteilen seiner Auslandstöchter im Personenverkehr „DB Arriva“ und im Güterverkehr „DB Schenker Logistic“ beabsichtige. Diese Unternehmen sind daher dem Finanzressort zugeordnet worden. Ein Umstand, der innerhalb der in der Verkehrsbranche aktiven NGO’s in Deutschland heftig diskutiert wird, da es von Teilen als Einstieg in die Kapitalprivatisierung des bundeseigenen Konzerns gewertet wird.

Auch wurde deutlich, dass die Dienstleistungsunternehmen der DB vor einer gravierenden Umstrukturierung stehen. „Diese Ansagen lösten Aktivitäten im vorauseilenden Gehorsam des Managements der betroffenen Geschäftsfelder aus“, erläutert der Berliner Betriebsrat und Sprecher der Eisenbahnerbetriebsgruppen der EVG, Rainer Perschewski, auf Anfrage der UZ, „so dass unsere Kolleginnen und Kollegen den Eindruck gewinnen mussten, dass hier an der Personalschraube gedreht werden soll“.

Die Dienstleistungsunternehmen arbeiteten schon in den vergangenen Jahren mit einem Anteil von Subunternehmen, da diese deutlich unter den Tarifverträgen der DB AG liegen, erklärt Perschewski weiter, dazu käme noch eine Verpflichtung aus den Tarifverträgen und Konzernbetriebsvereinbarungen, welche eine Ausweitung der Auftragsvergabe an Dritte verhindert.

Die vom Konzernvorstand angestrebte Auflösung der Deutschen Bahn Mobility und Logistik AG (DB ML AG) wird von vielen Akteuren eher positiv aufgenommen. Dieser „Konzern im Konzern“ wurde eigens für den – von der Weltwirtschaftskrise gestoppten – Börsengang der Deutschen Bahn gegründet. Das Anliegen war, Teile der Transportunternehmen der DB zu verkaufen, während die Infrastrukturunternehmen (Bahnhöfe, Schienennetz und Energie) zu 100 Prozent in der DB AG verbleiben sollten.

Diese zweite Konzernebene soll wieder in die DB AG eingegliedert werden. Die EVG in Berlin machte in einer eigenen Presseerklärung deutlich, dass etwa 3 000 von den 7 000 Arbeitsplätzen der Konzernleitung in Berlin von dieser Änderung betroffen sind Rationalisierung bei der Bahn sei dabei nichts Neues. Aber der Konzernumbau dürfe kein Vorwand sein, bestehende Rationalisierungsmaßnahmen noch zu verschärfen, sagt der Berliner EVG-Chef Klaus Just. Nach den jetzigen Plänen könnten einige Unternehmensbereiche ganz aufgelöst werden, andere würden zusammengelegt. Letztlich sei aber auch die Politik gefordert. So habe der Bund mit den Fernbussen selbst eine „Dumping-Konkurrenz“ geschaffen, die die Bahn unter Druck setze, heißt es in der Berliner Stellungnahme weiter: „Anders als die Bahn zahlen die Busse nichts für die Benutzung der Infrastruktur wie Straßen und Busbahnhöfe. Das ist ein unfairer Wettbewerbsvorteil. Und die Billigpreise sind nur auf dem Rücken der Beschäftigten möglich“, kritisiert Just. Die Bahn mache einen fatalen Fehler, wenn sie sich das zum Vorbild nehme.

Verkehrspolitik für die Straße

Die Entwicklung der Deutschen Bahn seit dem Beginn der so genannten „Bahnreform“ vor etwas über 20 Jahren macht deutlich, dass die nach außen dargestellten Gründe für die „Reform“ gescheitert sind. Die schon seit Jahrzehnten in der BRD betriebene Verkehrspolitik fördert den Straßenverkehr, und zwar entgegen aller volkswirtschaftlichen und umweltpolitischen Notwendigkeiten, öffentliche Gelder zielgerichtet einzusetzen und Verkehr auf die Schiene zu verlagern.

„Wer nicht begreift, dass die Bahn als komplexes Gebilde nur funktioniert, wenn es als Ganzes erhalten bleibt und nicht unter Profitstreben funktionieren kann, der macht nur deutlich, dass man es gegen die Wand fahren möchte um die Interessen der Straßenlobby zu bedienen“, schlussfolgert der Berliner EVG-Gewerkschafter Rainer Perschewski. Den Appell des Bahnvorstandes, „Denken in Geschäftsfeld- und Ressortgrenzen“ nicht mehr akzeptieren zu wollen, wertete Perschewski, als „völlig losgelöst von der Realität des Unternehmens“.

„Diese Aussage kann nur Kopfschütteln verursachen. Schließlich wurde das Unternehmen vom Management in hunderte Teilunternehmen filetiert und nun wird beklagt, dass diese Unternehmen nur auf ihre eigenen Kennzahlen schauen. Deutlicher kann man das Scheitern nicht darstellen.“

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Völlig losgelöst", UZ vom 25. Dezember 2015



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