Interview mit Jugendkandidat Nikolaos Papadopoulus

„Die EU kriminalisiert sogar Seenotrettung“

Flo, Bamberg/POSITION

Nikolaos Papadopoulos kandidiert auf Platz 5 der DKP-Liste für die EU-Wahl. Der 28 Jahre alte Servicetechniker ist in der DKP, SDAJ und der IG Metall aktiv. Warum er antritt und weshalb die Europäische Union keine fortschrittliche Institution ist, legt er im Interview in Ausgabe 1/2024 der POSITION, dem Magazin der SDAJ, dar. Wir bedanken uns für die Erlaubnis zum Nachdruck.

POSITION: Hey Nikos, du trittst bei der EU-Wahl als Jugendkandidat der DKP an. Was hat dich dazu bewegt zu kandidieren, obwohl die DKP wohl aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ins Parlament einziehen wird?

Nikolaos Papadopoulos: Hauptgrund, warum ich kandidiere, ist, dass ich momentan keine andere Partei sehe, die das vertritt, wofür ich stehe. Alle großen Parteien feiern die EU als großen Fortschritt, EU-Kritik kommt – wenn überhaupt – von rechts. Dabei gibt es wirklich viele gute Gründe, die EU im Allgemeinen und die Rolle Deutschlands innerhalb der EU zu kritisieren, was aber keiner macht. Mit meiner Kandidatur will ich genau das tun. Dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ins EU-Parlament kommen werde ist richtig, trotzdem finde ich es wichtig, die Aufmerksamkeit, die jetzt aufgrund der EU-Wahl auf dem Thema liegt, zu nutzen und auch offen mit meinen Kolleginnen und Kollegen über genau dieses Thema zu sprechen.

POSITION: Die Europäische Union wird von vielen Jugendlichen als großer Fortschritt abgefeiert. Warum ist die EU kein Fortschritt für die arbeitende und lernende Jugend?

Nikolaos Papadopoulos: Dass die EU der arbeitenden und lernenden Jugend nichts zu bieten hat, sieht man an vielen Punkten. Ich möchte das für Deutschland an zwei Beispielen festmachen: Erstens werden viele Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge mit Verweis auf das EU-Recht privatisiert, mit dem Ziel, sie profitabel zu machen. Das bedeutet effektiv, dass sie hinterher schlechter sind als vorher, weil sie in einer guten Form keinen Profit abwerfen würden. Als Beispiel hierfür kann man sich die privaten Krankenhäuser anschauen. Mit der Einführung des DRG-Systems sind sie darauf ausgelegt, Profit zu machen. Und auch die Bereiche, die in staatlicher Hand sind, müssen auf einmal profitabel sein. Hier ist die Deutsche Bahn ein krasses Beispiel: Sie gehört zwar zu 100 Prozent dem Staat, muss aber wie ein profitorientiertes Unternehmen wirtschaften. Dass das ganze nicht funktioniert, sieht man daran, wie viele Krankenhäuser jedes Jahr von den Kommunen und Ländern entschuldet werden müssen oder auch, dass die Bahn nach wie vor keinen Profit abwirft. Der zweite Aspekt, an dem man das sieht, ist, dass die EU es möglich macht, massiven Druck auf die Beschäftigten in Großunternehmen aufzubauen: Der gemeinsame Wirtschaftsraum sorgt dafür, dass man Arbeitsplätze relativ leicht in sogenannte „Best Cost Countries“ auslagern kann. Das Ergebnis ist massiver Druck auf die Arbeiterbewegung in Deutschland. Und das, obwohl Deutschland, gemessen an seiner Produktivität, bereits ein Niedriglohnland ist.

POSITION: In der Schule und in Diskussionen wird die EU oft als Garant für Frieden, Demokratie und Menschenrechte dargestellt. Wie stehst du zu dieser Darstellung?

Nikolaos Papadopoulos: Diese Darstellung halte ich für grundfalsch. Es ist die EU, die mit ihren Debatten um Asylrecht seit Jahren Menschenrechte zur Verhandlungssache macht. Es ist die EU, die die unmenschlichen Bedingungen von Geflüchteten außerhalb der EU-Grenzen wie in der Türkei und innerhalb der EU-Grenzen wie in Moria zu verantworten hat. Und es ist die EU, die Geflüchtete auf offener See zurück in ihre Länder treibt oder treiben lässt und dabei sogar Seenotrettung kriminalisiert. Das alles tut sie, während sie sich gleichzeitig kräftig an den Kriegen und der Perspektivlosigkeit, die die Menschen zur Flucht bringen, bereichert und weltweit Regierungen stützt, die absolut nichts mit Menschenrechten am Hut haben, solange sie wirtschaftlich und geopolitisch im Sinne der EU handeln.

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