Barbara Majd Amin kandidiert für die DKP auf Listenplatz 6 zur EU-Wahl

„Die EU war nie ein Friedensprojekt“

Barbara Majd Amin (82) ist aktiv in der GEW und der Berliner Friedenskoordination (Friko). Sie ist außerdem Mitglied der Friedenskommission des DKP-Parteivorstandes und kandidiert für ihre Partei auf Listenplatz 6 zur EU-Wahl.

UZ: Du bist seit vielen Jahren in der Berliner Friedenskoordination (Friko) aktiv und hast auch in der DKP hier deinen Schwerpunkt. Was hat dich zur Friedensbewegung getrieben?

Barbara Majd Amin: Das waren vor mehr als 40 Jahren die Pläne der NATO, in Westeuropa, vor allem in der Bundesrepublik, atomar bestückte Mittelstreckenraketen aufzustellen. Den Vorschlag dazu hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) gemacht. Die Atomraketen sollten uns vor der „Bedrohung durch die Sowjet­union“ schützen und eine angebliche Lücke in der Abschreckung schließen. Angeblich ging es um „Nachrüstung“, in Wahrheit ging es um ein weiteres Anheizen des Wettrüstens zur Schwächung der Sowjetunion.

Ich war damals in der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin (SEW) organisiert und natürlich war die Organisation von Widerstand gegen diese Pläne Anfang der 1980er Jahre eine unserer Hauptaufgaben. Wir Genossen waren aktiver Teil einer schnell wachsenden Friedensbewegung. „Besuchen Sie Europa, solange es noch steht“ – diese Zeile aus einem satirischen Song der Band „Geier Sturzflug“ drückte treffend aus, was wir alle befürchteten: die Vernichtung Europas in einem drohenden Atomkrieg. Heute stehen wir wieder an diesem Punkt. Ein Wahnsinn.

UZ: Als Mitglied der GEW hast du die Friedensarbeit auch immer in deiner Gewerkschaft stark gemacht. Die DKP sieht es zur Zeit als ihre Hauptaufgabe an, die Arbeiterklasse aus der Integration in den NATO-Kriegskurs zu lösen. Das klingt sehr abstrakt. Kannst du es übersetzen?

Barbara Majd Amin: Der jetzige Kurs der Bundesregierung ist fraglos die Umsetzung des NATO-Kriegskurses gegen Russland und China. Dieser Kurs hat auf der einen Seite Gewinner: die Monopole, zum Beispiel die der Rüstungsproduktion und der Finanzindustrie. Die Arbeiterklasse, die Lohnabhängigen – sie sind es, die die Folgen dieser Politik, die Folgen von Aufrüstung, Wirtschaftskrieg und Krieg schon jetzt tragen: Inflation, Entlassungen und zunehmende Verarmung. Dagegen muss Widerstand organisiert werden, breiter Widerstand der Betroffenen.

Was liegt da näher, als die Organisationen der Arbeiterklasse, die Gewerkschaften zu mobilisieren? Sie sind gefordert – wir müssen sie fordern. Leider ist es den Herrschenden gelungen, die Vorstände der Gewerkschaften und damit deren veröffentlichte Haltung in ihren Kurs einzubinden. Nur vereinzelt werden Waffenlieferungen in die aktuellen Kriege, Sanktionen, Aufrüstungspläne kritisiert. So bleibt die Kritik an den Kürzungen im Sozialbereich hohl und substanzlos.

Wieder, wie schon in der 1980er Jahren, ist die Basis in den Betrieben, in den Gremien gefordert, Druck zu machen für eine Kursänderung.

UZ: Wie gehst du daran?

Barbara Majd Amin: Ich ziehe bis heute meine Kraft aus den Erfahrungen von damals, den Aktionen mit hunderttausenden friedensbewegten Menschen, dem Erfolg des Drucks der Basis, so dass sich letztlich auch die Gewerkschaften der Bewegung anschlossen – bis hin zum Friedensstreik von hunderten Berliner Lehrkräften im Oktober 1983, an dem ich natürlich teilgenommen habe.

In der Berliner GEW gibt es seit dieser Zeit eine Arbeitsgruppe „Friedenserziehung und Friedenspolitik“. Ich bin seit 2007 wieder dabei. Wir treffen uns einmal im Monat, diskutieren, schreiben Artikel, verabreden uns zu Aktionen der Friedensbewegung und bringen uns in die gewerkschaftliche Willensbildung ein.

Einige von uns haben ein Mandat in der Landesdelegiertenversammlung unserer Gewerkschaft und bringen dort Anträge als Ergebnis dieser Diskussionen ein. Wir engagieren uns im Berliner Bündnis „Schule-ohne-Militär“ gegen die Auftritte der Bundeswehr an Berliner Schulen und auf Berufsmessen. Das wird im Zuge der angestrebten „Kriegstüchtigkeit“ wieder wichtiger. Da wir als gewerkschaftliche Gruppe auch angebunden sein wollen, engagiere ich mich in der Friedenskoordination Berlin, dem Berliner Netzwerk gegen Krieg und in dem GEW-Friedensnetzwerk, das sich kürzlich gegründet hat und uns Kollegen bundesweit verbindet.

UZ: Die Ostermärsche stehen bevor. Was ist aus deiner Sicht das zentrale Thema, um mehr Menschen für den Frieden zu mobilisieren?

Barbara Majd Amin: Die Antwort auf diese Frage ist die zur Zeit in der Friedensbewegung am heftigsten diskutierte. Da geht es fast um den „Stein der Weisen“: Was ist aktuell am drängendsten, am bedrohlichsten, was muss genannt werden bei den etwas missverständlich „Minimalkonsens“ genannten Forderungen? Was geht über das Gemeinsame hinaus und spaltet, trennt, statt Breite zu schaffen?

In Bezug auf die Kriege in der Ukraine und in Gaza plädiere ich für „Verhandlungen – Keine Waffenlieferungen“ und in Bezug auf die Sicherheitspolitik der BRD: „Abrüstung und Investitionen in Soziales statt Aufrüstung“ und „US-Atomwaffen abziehen“. In diesen Forderungen sind alle wichtigen Einzelfragen wie die Ablehnung der NATO-Manöver an Russlands Grenzen, der Bundeswehrwerbung an Bildungseinrichtungen et cetera enthalten. Über die Frage der Gefahren der drohenden Stationierung von US-Hyperschallwaffen „Dark Eagle“ in Deutschland herrscht sicher Einigkeit. Wir müssen diese Pläne breit bekannt machen.

UZ: Nicht nur der NATO-Krieg gegen Russland ist brandgefährlich, sondern auch die Eskalation im Nahen Osten. Du warst im Oktober letzten Jahres im Iran, der Heimat deines Mannes. Ein Land, das permanent im Fadenkreuz des Imperialismus ist. Wie hast du die Stimmung dort erlebt?

Barbara Majd Amin: Zunächst hatte ich den Eindruck, dass die Menschen vollauf damit beschäftigt sind, mit den Folgen der sehr hohen Inflation fertigzuwerden. Schätzungen gehen über 80 Prozent Inflationsrate hinaus. Die seit Jahrzehnten immer wieder verschärften Sanktionen vor allem der USA zeigen Wirkung. Wie soll es weitergehen? Diese Frage wird viel diskutiert. Auch die Kriegsgefahr ist allgegenwärtig. Der Krieg des Irak gegen Iran in den 1980er Jahren und dessen Unterstützung durch die USA ist nicht vergessen. Der Freude über das Atomabkommen von 2015 ist große Verunsicherung gefolgt.

UZ: Du kandidierst für die DKP zur EU-Wahl. Was hat dich dazu bewogen?

Barbara Majd Amin: An erster Stelle steht für mich die Frage der Außen- und Kriegspolitik der EU-Kommission und die Rolle der Bundesregierung dabei. Wir müssen die Chance des Wahlkampfs nutzen, unsere Positionen dazu öffentlich zu machen. Die EU war von Anfang an kein Friedensprojekt und Friedensgarant, wie behauptet, sondern ein Konstrukt zur Durchsetzung der Interessen vor allem deutscher und französischer Monopole. Im Vertrag von Lissabon wurde die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik verankert – der Weg in die Militarisierung und der Einbindung in die NATO-Kriegspolitik, da fast alle EU-Staaten auch Mitglied der NATO sind.

Der deutsche Imperialismus setzt seine Ziele im EU-Rahmen um, personell und mit Beschlüssen. Dagegen müssen wir auftreten, bei dieser EU-Wahl und natürlich auch danach

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"„Die EU war nie ein Friedensprojekt“", UZ vom 8. März 2024



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