Die Nominierung Clintons und die deutsche Cheerleader-Presse

Die Glaubenskriegerin

Von Klaus Wagener

„Warum wir Hillary Clinton feiern sollten“, erklärt uns eine Anett Meiritz im „Spiegel“ und nörgelt „Die Euphorie von damals“ (bei Obama 2008) fehle bei ihr hierzulande völlig. „Unverständlich“, immerhin unterstütze „die Obama-Familie“ Frau Clinton „leidenschaftlich“. Clinton sei eine Frau, glaubt Meiritz zu wissen, dazu „Rechtsanwältin, Senatorin und Außenministerin, ist Mutter und Großmutter“. Für „dieses Leben und diese Karriere“ verdiene sie „Respekt. Und mit Sicherheit auch etwas mehr Begeisterung.“ Frau Clinton könne wie Angela Merkel, „eine der angesehensten Spitzenpolitikerinnen der Welt“ werden. Sie könne „Trump verhindern und ihr Amt fähig gestalten“. Über diese Perspektive dürfe man „happy sein. Und es auch zeigen.“

Die Ergebenheitsartikel der übrigen deutschen Qualitätspresse anlässlich von Frau Clintons Nominierung liegen auf ähnlichem Niveau. Leider geht es nicht um die Großmutter-Qualitäten von Frau Clinton, sondern um die schlichte Frage, auf wen die größte Zerstörungsmaschine, die die Welt je gesehen hat – wohlmöglich unter dem Oberkommando dieser Dame – als nächstes gehetzt werden wird.

Frau Clinton hat ihre diesbezüglichen Fähigkeiten, beispielsweise als Außenministerin von Barack Obama, hinreichend unter Beweis gestellt. Einer der wenigen harten Fakten, die es in diesem US-Wahlkampf gibt. Der große Erfolg der Außenministerin Clinton war der unprovozierte Krieg gegen den souveränen Staat Libyen. Er hat, vermutlich zum großen Unverständnis von Frau Meiritz, außer vielleicht einer Reihe islamistischer Fundamentalisten vom Schlage IS oder Al-Kaida, dort kaum jemand „happy“ gemacht. Wer es kann, kratzt sein letztes Geld für einen Platz im Schlauchboot zusammen.

Die US-Autorin Diane Johnstone hat in ihrem empfehlenswerten Buch „Die Chaoskönigin – Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht“, „Hillarys ureigene(n) Krieg“ nachgezeichnet. Wieder einmal angeleiert vom französischen Kriegstreiber Nr. 1 – ein andereres Wort fällt einem da nicht ein –, Bernard-Henri Lévy, stieg auch Clinton umgehend in die große Anti-Gaddafi-Show ein. Aus dem mittlerweile seiner panarabischen Hoffnungen ledigen, aber im regionalen Vergleich immer noch rational-aufgeklärten libyschen Führer wurde eine „bizarre, manchmal auch schaudererregende Figur“ (Clinton). Gaddafi hatte vor 40 Jahren den Fehler gemacht, dem „Westen“ ordentlich in die Suppe zu spucken. So etwas vergisst das Imperium und erst recht Frau Clinton nicht. Bevor der „Westen“ seinen Frieden mit einem Gaddafi, Assad, Mossadegh oder Nadschibullah macht, ist der IS, Al-Kaida oder die Taliban allemal das „kleinere Übel“. Also Bomben auf Tripolis. Die Ergebnisse sind bekannt. Das Motto heißt: Je schlimmer, desto besser.

Was für „Greater Middle East“ gilt, gilt erst recht für Russland. Das Land war über 70 Jahre das „Reich des Bösen“ (Reagan) schlechthin. Das nach wie vor größte Land der Erde verfügt über strategische Bodenschätze, leider auch strategische Atomwaffen und steht damit im Fokus der alten, von Brzezinski, den Neocons, Friedman & Co. aufgewärmten Strategie, keinen eurasischen Herausforderer entstehen zu lassen. Grund genug für ein Revival eines nur für einen – bestenfalls – naiven Gorbatschow und einen – ebenfalls bestenfalls – grenzdebilen Jelzin hinter dem Vorhang gehaltenen Kalten Kriegs. Und Grund genug für ein Billionen Dollar teures atomares Aufrüstungsprogramm. Wladimir Putin hatte spätestens auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 klargemacht, dass er sich nicht hinter Boris Jelzin einreihen und den globalen Allmachtsanspruch der USA anzuerkennen gewillt war. Seither trägt er das Fadenkreuz auf der Stirn.

Zu denjenigen, die ihren Zeigefinger gern am Abzug hätten, gehört an erster Stelle Hillary Clinton. Sie hatte sich schon sehr früh als Obamas Außenministerin als engagierte Scharfmacherin bei der Dämonisierung des russischen Präsidenten hervorgetan. Nachdem Russland weder nach dem Ukraine-Putsch noch im Syrienkrieg eingeknickt ist, hat das Powerplay gegen Wladimir Putin an Schärfe zugenommen. Falls nun die Türkei in Reaktion auf den Putschversuch eine Neupositionierung in Richtung Russland und Syrien vornimmt, könnte die Lage an gefährlicher Brisanz deutlich zunehmen. Das gilt auch gegenüber Iran. Eine immense Versuchung für PolitikerInnen mit Omnipotenzphantasien.

Für die außenpolitische Haltung des Exzentrikers Donald Trump gibt es diese Erfahrungen nicht. Nach dem was er beispielsweise im New-York-Times-Interview erklärt hat, läuft seine Haltung auf eine Art kommerzgesteuerten Pragmatismus hinaus, der die enormen Kosten des globalen US-Interventionismus negativ kalkuliert. Bei einem Schuldenberg von bald 20 Billionen Dollar und einer satt negativen Handelsbilanz würden die USA sich ihn auf Dauer nicht mehr leisten können. Daher müsse man mit Russland und China sozusagen ins Geschäft kommen, „einen Deal“ abschließen. Eine nicht ungefährliche Haltung für einen US-Präsidenten. Ob der mächtige US-Repressionsapparat so etwas tatsächlich zulassen würde, steht auf einem anderen Blatt.

Bei Clinton dagegen ist die Sache klar. Sie ist eine ebenso zynische Überzeugungstäterin wie die Neocons der Bush-II-Administration. Sie glaubt tatsächlich, dass die USA die auserwählte Nation sei; berufen, für ein weiteres Jahrhundert das Heil in die Welt zu bomben. Also, ein bisschen Begeisterung, bitte.

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"Die Glaubenskriegerin", UZ vom 5. August 2016



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