Washingtons Auslandsgeheimdienst erwog Kidnapping und Ermordung von Julian Assange

Die Rachepläne der CIA

Während in Deutschland Grüne und SPD in den vergangenen Wochen mit nahezu religiösem Eifer „Die Linke“ auf ein Bekenntnis zum Kriegspakt NATO und zu transatlantischer Verbundenheit zu verpflichten versuchten, haben US-Journalisten ein Mordkomplott des US-Geheimdienstes CIA gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange enthüllt. Der Journalist sitzt weiter auf Betreiben der US-Regierung in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis in Isolationshaft, um seine mögliche Auslieferung an die Vereinigten Staaten sicherzustellen, wo ihm für die Enthüllung von US-Kriegsverbrechen und CIA-Folter 175 Jahre Gefängnis drohen.

Unter dem Titel „Entführung, Ermordung und eine Schießerei in London: Einblicke in die geheimen Kriegspläne der CIA gegen Wikileaks“ hat das US-Onlineportal „Yahoo News“ in einem ausführlichen Beitrag nachgezeichnet, wie Beamte des US-Auslandsgeheimdienstes 2017 darüber nachgedacht haben, Assange aus seinem politischen Asyl in der Botschaft Ecuadors in London zu verschleppen und zu ermorden. Die Recherche stammt von den bekannten Investigativreportern Zach Dorfman, Sean D. Naylor und Michael Isikoff. Sie geben an, mit insgesamt 30 ehemaligen Beamten gesprochen zu haben, von denen acht Details der Kidnapping-Pläne schilderten. Die CIA selbst lehnte eine Kommentierung ab. Während die Enthüllungen in Deutschland in der Presse breit aufgegriffen wurden, stoßen sie in den großen Mainstreammedien der USA kaum auf Resonanz – dabei gehört „Yahoo News“ selbst zu den meistgelesenen Webseiten der Vereinigten Staaten. Weder bei SPD und Grünen noch bei Union und FDP spielte das am 26. September enthüllte mutmaßliche Komplott ihres Wertepartners gegen einen weltweit bekannten und vielfach ausgezeichneten Journalisten eine Rolle.

Wie das „Yahoo“-Rechercheteam berichtet, wurden die Diskussionen innerhalb der CIA über eine Entführung und Ermordung von Assange – einem Staatsbürger des engen Verbündeten Australien, mit dem die USA und Britannien gerade den antichinesischen Militärpakt AUKUS geschmiedet haben – im Frühjahr 2017 gestartet. Wikileaks hatte da gerade unter dem Titel „Vault 7“ rund 9.000 geheime CIA-Dokumente und Dateien über die Cyberspionage des US-Auslandsdienstes veröffentlicht. Konkret ging es um die Hackeraktivitäten der CIA, Schadsoftware und Trojaner für Smartphones und Computer. Der international blamierte Nachrichtendienst sprach in dem Zusammenhang vom „größten Datenverlust in der Geschichte der CIA“. Die Wikileaks-Veröffentlichungen seien das „Äquivalent eines digitalen Pearl Harbor“ gewesen. Auf blinde Wut über die Schmach folgten Rachepläne. Ein hochrangiger Beamter der Spionageabwehr sagte laut „Yahoo“-Bericht, man habe „auf höchster Ebene“ der Trump-Regierung über die Entführung und Ermordung Assanges diskutiert. Sie haben „Blut gesehen“, sagte einer. Ein anderer: „Es schien keine Grenzen zu geben.“ Angetrieben wurde die Morddebatte vom damaligen CIA-Chef und späteren US-Außenminister Mike Pompeo, der Wikileaks als „nichtstaatlichen feindlichen Nachrichtendienst“ einstufte, sowie seiner damaligen Stellvertreterin und späteren Nachfolgerin Gina Haspel, die von der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation ACLU wegen ihrer Folteraktivitäten in Black-Site-Geheimgefängnissen als „Kriegsverbrecherin“ bezeichnet wird.

Dem „Yahoo“-Bericht zufolge wurden die CIA-Pläne nach Hinweisen von Juristen aus dem US-Justizministerium nicht ausgeführt. Die hatten den Geheimdienst darauf hinwiesen, dass ein Kidnapping von Assange aus London klar rechtswidrig sei. Die angedachte Ermordung des Journalisten wurde wohl verworfen, noch bevor sie Juristen zur Prüfung hätte vorgelegt werden können.

Die Bürgerrechtsorganisation ACLU bekräftigte nach den Skandal­enthüllungen ihre Forderung an US-Präsident Joseph Biden, die Anklage gegen Julian Assange endlich fallenzulassen. Deutlich positionierte sich auch die Organisation „Reporter ohne Grenzen“: „Sollten diese Schilderungen zutreffen, würde dies die schlimmsten Befürchtungen bestätigen, die Assange und sein Unterstützerkreis mit einer Auslieferung an die USA verbinden. Zudem wäre es ein Warnsignal an Medienschaffende weltweit, die über Enthüllungen zu geheimen Aktivitäten der USA berichten. Reporter ohne Grenzen wiederholt deshalb seine Forderung an die USA, die Anklage gegen Julian Assange fallenzulassen, und die an Großbritannien, ihn umgehend aus seiner Haft zu entlassen.“

Fraglich bleibt, ob das britische Gericht, das über die Auslieferung Assanges an die USA entscheidet, die „Yahoo“-Enthüllungen zur Kenntnis nimmt und daraus die notwendigen Konsequenzen zieht. Die Hauptverhandlung in London ist für den 27. und 28. Oktober angesetzt.

Der Yahoo-Bericht im Wortlaut: kurzelinks.de/CIA-Mordplan-Assange

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"Die Rachepläne der CIA", UZ vom 8. Oktober 2021



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