Polen: Die Erzkonservativen stehen für neue Angriffe auf soziale und demokratische Rechte

Die rechte Offensive

Von Anton Latzo

Die Parteienlandschaft Polens hat sich in den vergangenen 25 Jahren gravierend verändert. Einst war „Bund der Demokratischen Linken“ (SLD) Regierungspartei und stellte auch den Staatspräsidenten. Im vergangenen Jahr stimmten nur noch 5 Prozent für sie, im Parlament ist sie nicht mehr vertreten.

Eine aktuelle Umfrage besagt: Mit 30 Prozent genießt die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) die meisten Sympathien. Sie gewann bei den letzten Parlamentswahlen (37,5 Prozent) die absolute Mehrheit der Mandate und stellt die Regierung. Auch der Staatspräsident entstammt dieser Partei. Polens Erzkonservative sind zurück!

„Polen soll zum starken Staat in der Region werden.“

Dicht gefolgt wird PiS von der erst am 31. Mai 2015 im Vorfeld der Parlamentswahlen gegründeten „wirtschaftsliberalen“ Partei Nowoczesna (Modernes Polen), die bei den Parlamentswahlen 7,6 Prozent der Wählerstimmen erhielt. Nur ein halbes Jahr später, in der aktuellen Umfrage (Januar 2016), sprachen sich aber schon 27 Prozent der Befragten für sie aus. Das widerspiegelt große Unsicherheit in der Bevölkerung, eine Änderung des politischen Klimas und der Entwicklungsrichtung im Lande.

Die Partei, die von 2007 bis Herbst 2015 Regierungspartei war, die „Bürgerplattform“ (PO), kam bei den Parlamentswahlen noch auf 24,1 Prozent. Sie befindet sich geradezu im Sinkflug, die aktuelle Umfrage sieht sie bei 14 Prozent und sogar von der nationalistischen Kukiz-Bewegung (Kukiz 15) überholt, die sich erst 2015 im Vorfeld der Wahlen formiert hat. Das Funktionieren des politischen Systems in Polen wird in der nächsten Zeit von den katholisch gestützten nationalkonservativen Konzepten getragen, die Nationalismus und Russophobie in der Innen- und Außenpolitik des Landes zum Tragen kommen lassen.

„Die Regierung will die paramilitärischen Milizen bewaffnen.“

Nationalismus als Bestandteil reaktionärer bürgerlicher Ideologie verzerrt die Bestimmung der nationalen Interessen des Landes im Sinne des Kapitals, indem er die eigene Sicht der Nation über die Erfordernisse des internationalen Zusammenwirkens der Nationen, Staaten und Völker erhebt. Dabei sind die Regierenden bereit, das eigene Volk den Interessen der Monopole unterzuordnen und es psychologisch auf die Bekämpfung anderer Völker vorzubereiten.

Diese Entwicklung wird einerseits durch die imperialistischen Mächte gefördert, weil sie sich politische Vorteile versprechen, die sie im Interesse ihrer Ziele besonders in Europa und gegenüber Russland einsetzen können. Die Lage wird aber dadurch verschärft, dass die Interessen der einzelnen imperialistischen Großmacht in Konkurrenz zu den anderen durchgesetzt werden müssen. Es entsteht eine Lage, in der Polen zum Gegenstand und Instrument der aggressiven Politik des Imperialismus in Europa wird.

Die Regierenden hoffen, mit dem Ausverkauf der Interessen des Volkes ihrem Ziel näher zu kommen, Polen zu einem starken Staat in der Region zu machen.

Die neue Regierung unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo, in der antirussische Hardliner und Befürworter einer engeren Zusammenarbeit mit den USA führend vertreten sind, steht für eine aggressive Außenpolitik und neue Angriffe auf soziale und demokratische Rechte im Inneren.

„Nowoczesna“ (Modernes Polen), zur zweitstärksten Partei aufgestiegen, fordert eine Gesellschaft, deren Fokus auf „innovativem Unternehmertum“ liegt. Dazu gehören „freie Wirtschaft“ ebenso wie „Reduzierung der Arbeits- und Arbeitgeberkosten“. Sie fordert „Einschränkung der Intervention des Staates in die Wirtschaft sowie der Subventionierung unrentabler Branchen“, Abschaffung von Privilegien für einzelne Berufsgruppen wie Landwirte und Bergleute usw.

Die PiS-Regierung strebt die Errichtung dauerhafter NATO-Stützpunkte in Polen an. Für Mitte 2016 wurde die Stationierung schwerer US-Waffen auf zwei Stützpunkten angekündigt. Laut Präsident Duda und Verteidigungsminister Macierewicz sei die „Stärkung der NATO-Ostflanke“ eines der wichtigsten Ziele. Gleichzeitig will die Regierung das polnische Militär und paramilitärische Einheiten aufrüsten. Schon unter der Vorgängerregierung hatte Polen erklärt, im Rahmen eines Modernisierungsprogramms in Höhe von 140 Milliarden Zloty (33 Milliarden Euro) jährlich 2 Prozent seines BIP für das Militär auszugeben. Die Ministerpräsidentin will diesen Betrag sogar auf 3 Prozent des BIP erhöhen.

Die PiS plant, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen, um unabhängig von ausländischen, vor allem russischen, Lieferungen zu werden. Ein wichtiger Teil der Planungen ist die Bewaffnung und Förderung der paramilitärischen Milizen. Das Ministerium will sie mit schweren Waffen ausrüsten und eine „Freiwillige Heimatarmee“ nach dem Vorbild der US-Nationalgarde aufbauen.

Die Politik der gegenwärtig Herrschenden in Polen wird von einem eindeutigen Ruck nach rechts bestimmt. Nationalistisches Denken, Chauvinismus, Militarisierung und Ruf nach einem starken Staat haben Konjunktur.

Das ist aber keine Reaktion auf Stimmungen in der Bevölkerung, wie es in deutschen Medien gerne dargestellt wird. Es ist Ausdruck reaktionärer Wandlungen im nach 1989 installierten Kapitalismus und in der Haltung der herrschenden Eliten, die reaktionäre Stimmungen schüren, um ihre Pläne zur Sicherung von Macht und Profit verwirklichen zu können. Diese Entwicklungen führen Polen zurück in die Zeiten des Pilsudski-Regimes.

Die Regierung unternimmt entschiedene Schritte, um Legislative, Exekutive und die Judikative unter ihre direkte Kontrolle zu bringen. Ihre Maßnahmen sind Ausdruck ihrer Ziele und Befürchtungen und zielen vor allem auf demokratische Rechte der Arbeiterklasse. Angesichts der gesellschaftlichen Polarisierung, der um sich greifenden wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Krise, der ausgeprägten politischen und militärischen Spannungen im Verhältnis zu Russland bereitet sich die neue polnische Bourgeoisie auf kommende und schärfere innere und äußere Konfrontationen vor. Am vergangenen Sonntag trat das neue Polizeigesetz in Kraft. Die Polizei und andere Sicherheitsdienste dürfen nach dem neuen Gesetz auch ohne Gerichtsbeschluss telefonische und digitale Daten von Bürgern sammeln. Lediglich die Inhalte von Emails sind nicht ohne richterliche Anweisung zugänglich, die Namen von Kontakten eines überwachten Bürgers dürfen dagegen gesammelt werden.

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"Die rechte Offensive", UZ vom 12. Februar 2016



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