Amazon will den Arbeitern nichts von den Milliardengewinnen abgeben

Über Vergesellschaftung sprechen

Der US-amerikanische Handels- und Medienkonzern Amazon hat einmal mehr kräftige Gewinne gemacht. Am 3. Februar meldete der Konzern einen Quartalsüberschuss von 14,3 Milliarden Dollar – damit lagen die Gewinne doppelt so hoch wie im Vorjahr. Für Andy Jassy, der im vergangenen Jahr die Nachfolge von Konzerngründer Jeff Bezos angetreten hat, sind solche Zahlen jedoch kein Grund für einen Kurswechsel, damit die Beschäftigten – ohne die diese Profite nicht möglich wären – bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne erhalten.

Schon Bezos hatte immer wieder verkündet, Amazon wolle „der beste Arbeitgeber der Welt“ werden, doch was hinter solchen Worten steckt, zeigt sich dieser Tage in Alabama. Seit dem 4. Februar wird dort die Abstimmung über die Bildung einer Gewerkschaft im Amazon-Versandzentrum Bessemer wiederholt. In den USA darf eine Gewerkschaft erst dann in einem Unternehmen aktiv werden, wenn eine Mehrheit der Beschäftigten sich dafür ausspricht. In Bessemer waren die Beschäftigten schon im vergangenen Jahr an die Urnen gerufen worden, doch der Konzern hatte zu so massiven Einschüchterungsmethoden gegriffen, dass das Ergebnis der Abstimmung zu seinen Gunsten ausfiel: eine Mehrheit votierte gegen die Gewerkschaft. Die US-Handelsgewerkschaft RWDSU legte dagegen jedoch Einspruch ein. Die Arbeitsschutzbehörde NLRB gab diesem statt und ordnete eine Wiederholung an. Sollte die RWDSU diesmal erfolgreich sein, wäre Bessemer der erste Standort von Amazon in den USA, in dem die Arbeiter eine Vertretung haben.

Doch auch in anderen Teilen der Welt organisieren sich die Arbeiter gegen die Macht des Konzerns. In Deutschland etwa hat die Gewerkschaft ver.di auch in den vergangenen Monaten ihre Streikaktionen fortgesetzt, insbesondere während des „Black Friday“ Ende November und im Weihnachtsgeschäft legten die Beschäftigten an zahlreichen Standorten die Arbeit nieder. ver.di fordert seit Jahren die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie einen Tarifvertrag „Gute und Gesunde Arbeit“. Doch auch in die politische Diskussion bringt sich die Dienstleistungsgewerkschaft ein. Von der „Wirtschaftswoche“ auf die Debatte um eine Zerschlagung von Amazon angesprochen, zeigte sich der für den Einzel- und Versandhandel zuständige ver.di-Funktionär Orhan Akman Mitte Dezember skeptisch, „ob dies ohne eine grundsätzliche Veränderung der Eigentums- und Machtstrukturen im Konzern mehr wäre als Kosmetik“. Wenn die Diskussion ernst gemeint sei, müsse man „über Vergesellschaftung sprechen“, so Akman.

Das wäre auch in Polen angebracht, wo bereits mehrfach Beschäftigte während der Arbeit ums Leben gekommen sind, zuletzt im September der 49-jährige Lagerarbeiter Dariusz Dziamski. Zwar gibt es inzwischen auch eine polnischsprachige Website des Konzerns, doch nach wie vor kommt der Großteil der Aufträge für die Lager im Nachbarland aus der Bundesrepublik. Die Gewerkschafterin Magda Malinowska von der linken „Proletarischen Initiative“ macht die Arbeitsbedingungen für den Tod des Kollegen mitverantwortlich. „Wir denken, dass Amazon für die Situation verantwortlich ist, in der Arbeiter ihre Gesundheit verlieren und einige von ihnen auch ihr Leben verloren haben“, sagte sie der deutschen Tageszeitung „junge Welt“. „Wenn man über längere Zeit so hart arbeitet, kann das auf Dauer wirklich den Körper schädigen. Dieses Mal ist Dariusz gestorben. Schon 2020 starb eine andere Kollegin in unserem Lagerhaus. Wir denken, dass diese Menschen leben könnten, wenn Amazon die Arbeitsbedingungen geändert hätte.“

Inzwischen organisieren sich die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften grenzüberschreitend, wenn es dabei auch noch Luft nach oben gibt. Doch immerhin gibt es Absprachen und manchmal auch koordinierte Aktionen, wie etwa am „Make Amazon Pay Day“ Ende November. Und im vergangenen Jahr achtete ver.di bei den Streikplanungen auch auf Feiertage in den Nachbarländern, um dem Konzern so zu erschweren, die Arbeiten dorthin zu verlagern. Umgekehrt versuchen die Kollegen in Polen immer wieder, durch eigene Proteste zu verhindern, dass sie als Streikbrecher gegen die deutschen Arbeiter eingesetzt werden.

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"Über Vergesellschaftung sprechen", UZ vom 11. Februar 2022



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