Die „Ampel“ ändert die aggressive Ost-Strategie nicht – es wird eher schlimmer

Im Sanktionsmodus

Der „belarussische Diktator“ Alexander Lukaschenko sei der „Chef eines staatlichen Schleuserrings“, hatte Außenminister Heiko Maas zum Besten gegeben. Innenminister Horst Seehofer mochte nicht nachstehen und wollte eine „hybride Kriegsführung“ durch Lukaschenko erkannt haben. Einen „Menschenhandel der schlimmsten Art“ steuerte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen bei. Dass es in Zukunft eher schlimmer wird, machte die designierte Außenministerin Annalena Baerbock in maliziöser Abgrenzung von Angela Merkels Telefonanrufen beim belarussischen Präsidenten klar. Die Kanzlerin hatte sich um eine Entspannung der Lage bemüht. Sie werde sich „nicht von Diktatoren erpressen lassen“, schaltete Baerbock auf Sanktionsturbo. Beispiele dieser Art ließen sich beliebig fortsetzen. Auch die deutsch-europäischen Kartellmedien sind wieder einmal im Ostkampf-Modus. Wenn es darum geht, das Schicksal in Not geratener Menschen politisch auszuschlachten, fallen alle Hemmungen. In den europäischen Hauptstädten ist man offenkundig der Meinung, Russland und Belarus – wie seinerzeit die von Washington gesteuerte Jelzin-Mannschaft – nach Belieben herumschubsen zu können. Das könnte sich als fataler Irrtum erweisen.

In Berlin, Paris und Brüssel gibt man sich gern der Vorstellung hin, die nicht zur Unterwürfigkeit bereiten Osteuropäer mit Sanktionen aller Art zur Räson bringen zu können. Die künftige Bundesaußenministerin ist dafür eine Art Paradebeispiel. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Marktmacht und die ökonomisch-technologische Überlegenheit des „Westens“ so erdrückend ist, dass alle übrigen Staaten gar nicht anders können, als den Befehlen aus den „westlichen“ Zentralen Folge zu leisten. In der Regel wird dieses dürre ökonomische „Argument“ durch die hybride Selbststilisierung als „westliche Wertegemeinschaft“ zu einer ideologisch-politischen Allzweckwaffe aufgerüstet. So natürlich auch im Falle von Belarus. Auch hier setzten die „westlichen“ Sanktionsritter nach der belarussischen Präsidentschaftswahl 166 Personen auf die „Schwarze Liste“ und sperrten den EU-Luftraum für belarussische Maschinen. Nun geht es in die nächste Runde. „Mehr Härte gegenüber Lukaschenko“, fordert Springers „Welt“ und nicht weniger als einen „Stopp des Warenverkehrs an der belarussisch-polnischen Grenze für belarussische Firmen“. Andere wollen die belarussischen Erdölprodukte boykottieren oder wie der „Spiegel“ die belarussische Düngemittelindustrie.

Der Putsch- und Farbenrevolutionsversuch vom Frühjahr 2021 hat Lukaschenko noch einmal deutlich gemacht, wo seine wahren Freunde sind und dass es nicht sehr sinnvoll ist, gleichzeitig auf zwei Stühlen sitzen zu wollen. Belarus ist mehr denn je ein integraler Bestandteil der eurasischen Integration und der Belt and Road Initiative. Nicht nur seine Ölprodukte und Düngemittel, auch sein Stahl, seine Maschinen, Reifen, Traktoren, Schwerlastwagen und Software-Erzeugnisse sind hier gefragte Produkte. Die Blockade von belarussischen Düngemitteln würde die ohnehin rapide steigenden Preise für dieses Erzeugnis in Europa nur noch weiter explodieren lassen.

Wenn es um Russland, China, Belarus oder den Iran geht, befinden wir uns auf dem Gebiet der Propaganda, man könnte mit einigem Recht auch von Kriegsrhetorik sprechen. In diesem Fall spielen die Fakten keine Rolle, wie man aus den zahlreichen Beispielen der Vergangenheit weiß. Lukaschenko ist mindestens ebenso weit davon entfernt, eine Aggression gegen die EU starten zu wollen, wie der Irak 2003 im Besitz von Massenvernichtungswaffen war. Gleiches gilt für Präsident Wladimir Putin und Präsident Xi Jinping. Die Produktion von Feindbildern gehört zum Standardprogramm der militärisch-geheimdienstlich-medialen Komplexe der imperialistischen Staaten. Gefährlich war das immer schon. Nun aber wird es zunehmend zum Schuss in den eigenen Fuß.

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"Im Sanktionsmodus", UZ vom 3. Dezember 2021



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