Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate könnten den Jemen aufteilen

Drohende Spaltung

Von Manfred Ziegler

Erneut gab es im August schwere Kämpfe in der jemenitischen Hafenstadt Aden – ein Krieg im Kriege. Während die saudische Militärkoalition Krieg gegen die Ansar Allah führt und dabei das Land zerstört, kämpften in Aden Milizen gegeneinander, die formal Verbündete sind. Am Ende hatten diejenigen, die unter dem Einfluss der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) stehen, den Präsidentenpalast erobert.

Schon im Januar des letzten Jahres gab es Kämpfe um die Kontrolle über Aden. Auf der einen Seite steht dabei Saudi-Arabien, das den gesamten Jemen unter seine Kontrolle bringen will. Auf der anderen die VAE, die eine Bewegung unterstützen, die um die Unabhängigkeit des Südjemen kämpft.

Politisch sind beide Staaten gleichermaßen reaktionär und repressiv. Der saudische Kronprinz, der einst als Reformer gepriesen wurde, weil er Frauen gestattete, Auto zu fahren, hat seine Förderer in den westlichen Medien brüskiert. Nicht, weil er einen brutalen Krieg führen lässt, sondern weil er den Journalisten Kashoggi brutal ermorden ließ. Und die VAE unterhalten im Jemen eigene geheime Foltergefängnisse und haben Sicherheitskräfte aufgebaut, die sich jeder Kontrolle durch jemenitische Behörden entziehen.

Doch es gibt Unterschiede. Wie in den anderen Golfstaaten beruht auch die Wirtschaft der VAE auf dem Reichtum an Öl und Gas – doch nur noch zu ca. 30 Prozent.

Dubai ist die größte Stadt der VAE und die Stadt mit der weltweit höchsten Anzahl Wolkenkratzern mit über 300 Meter Höhe. Darunter ist das höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa, mit 829 Meter Höhe. Im Umfeld des Burj Khalifa wurden in den letzten Jahren 20 Milliarden Dollar in die Stadtentwicklung investiert – denn Dubai ist ein globales Handelszentrum.

Im Krieg gegen den Jemen haben die VAE die Kontrolle über die Häfen des Südjemen bis hin zu Aden erreicht. Damit haben sie einen Zugang zum Indischen Ozean, der das Nadelöhr der Straße von Hormus umgeht. Der Krieg hat für sie an Bedeutung verloren, ein großer Teil der Truppen wurde bereits abgezogen.

Völlig anders ist die Situation für Saudi-Arabien. Die Umstrukturierung der Wirtschaft, um die Abhängigkeit vom Öl zu verringern, steht ganz am Anfang. Der Krieg, der seit Jahren mit den modernsten Waffen der USA und der EU gegen einen technisch weit unterlegenen Gegner – die Ansar Allah – geführt wird, zeigt keine Aussicht auf Erfolg.

Im Gegenteil: Immer wieder greifen die Ansar Allah mit Raketen und Drohnen militärische Einrichtungen und Ölanlagen in Saudi-Arabien an. Zunehmend werden Kämpfe im Süden Saudi-Arabiens geführt, an der Nordgrenze des Jemen.

Die Einwohner in diesem Gebiet stehen in Sprache und Religion den Ansar Allah im Jemen näher als den Herrschern in Riad. Deshalb konzentrieren sich die Kriegsanstrengungen Saudi-Arabiens auf den Norden des Jemen.

Der Süden als Einflussgebiet der VAE und der Norden, in dem Saudi-Arabien seinen Krieg fortführt, deuten bereits jetzt eine mögliche Spaltung des Landes an.

Der saudische Kronprinz und Architekt des Krieges gegen den Jemen, Mohammed Bin Salman, versucht, Saudi-Arabien in Zukunft weniger über die Religion des Wahabismus als über einen neuen Nationalismus zu definieren. Dies soll den wirtschaftlichen Umbau des Landes begünstigen. Der erfolglose Krieg gegen den Jemen stellt dieses Projekt in Frage: Die Hauptstadt des Landes steht unter Kontrolle der Ansar Allah, die zweite Hauptstadt Aden ist unter Kontrolle der Separatisten (und der VAE) – kein Grund für nationalistische Feiern in Riad.

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"Drohende Spaltung", UZ vom 23. August 2019



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