„Axiom Space“ entwickelt einen Nachfolger der ISS für rein kommerzielle Zwecke

Ein neues Zeitalter?

Am 9. April brachte das Raumschiff „Dragon Endeavour“ von SpaceX (Elon Musk) vier neue Bewohner zur Internationalen Raumstation ISS. Sie sollten etwa eine Woche bleiben. Eigentlich wäre so etwas ein Vorgang, der zum normalen Betrieb der Station gehört. Denn seit dem Jahr 2000 gab es bereits 67 bemannte Flüge zur ISS. Erst vor wenigen Wochen waren drei russische Kosmonauten von der damaligen ISS-Crew empfangen worden. Auch Touristen waren schon an Bord. Doch der Flug der „Dragon Endeauvor“, die „Ax-1-Mission“, war die erste „rein private“ Mission zur ISS. Sie soll angeblich etwas Besonderes sein, ein „neues Zeitalter“ der Raumfahrt eröffnen.

Neues aus dem Kosmos farb - Ein neues Zeitalter? - Kosmos, Weltraum - Vermischtes

„Ax“ steht dabei für Axiom Space, ein Raumfahrtunternehmen mit Sitz in Houston, Texas, das erst 2016 gegründet wurde. Eine Reihe der Mitarbeiter sowie die Unternehmensleitung, so zum Beispiel Michael Suffedini, kamen aus der NASA beziehungsweise der Raumfahrtindustrie, verfügen also über sehr gute Kontakte. Suffedini war zum Beispiel von 2005 bis 2016 NASA-Programmdirektor für die ISS.

Die aktuellen Ziele von Axiom Space sind Aufbau von „Infrastruktur“ im All. Zunächst geht es um weitere kommerzielle Module für die ISS, später um die Errichtung einer privaten Raumstation im Erdorbit, denn künftig will die NASA auch hier kommerzielle Angebote nutzen. 2020 erhielt Axiom Space von der NASA den Auftrag, ein kommerzielles Modul für die ISS zu entwickeln. 2024 soll das Modul die Station erweitern. Es wird vier Astronautinnen und Astronauten Platz bieten. Ein Jahr später soll ein weiteres Modul folgen, 2026 ein Multi-Purpose Logistics Modul als eine Art Großraumlabor, und 2027 soll der „Axiom Power Tower“ mit einer Photovoltaikanlage an die ISS angekoppelt werden. Bis 2028 kann so eine eigene autarke Raumstation entstehen, die dann von der ISS abgekoppelt werden soll. Die aktuelle „Ax-1-Mission“, „die erste rein private Astronautenmission der Geschichte zur ISS“ sei dazu, so Axiom Space, „ein entscheidender erster Schritt“. An ihr nahmen neben einem früheren US-Astronauten drei Unternehmer teil, die sogar einige Experimente mitgebracht hatten – wohl um dem Ganzen auch noch einen wissenschaftlichen „Touch“ zu geben.

Dass auch in den USA über eine künftige Raumstation in der Erdumlaufbahn nachgedacht wird, ist nachvollziehbar. Die ISS ist „in die Jahre“ gekommen und derzeit weiß niemand, wie lange sie noch in Betrieb ist. Sollte zudem Russland als Partner (geplant war 2024) schon vorher ausscheiden oder „ausgeschlossen“ werden, was derzeit offenbar nicht im Interesse der NASA und anderer internationaler Partner ist, könnte das Projekt einer neuen Raumstation noch größere Bedeutung gewinnen. Doch so, wie die Vorbereitungen jetzt laufen, würde mit der Umsetzung entsprechender Pläne durch Axiom Space und Partner – neben der NASA sind es unter anderem SpaceX, Boeing, Airbus, aber auch eine Reihe mittlerer Raumfahrtunternehmen sowie Start-ups, beteiligt sind auch eine ganze Reihe Investmentfirmen – die Kommerzialisierung der Raumfahrt eine neue Stufe erreichen. Denn die ISS war bislang, auch wenn China ausgeschlossen blieb, ein Beispiel für die Möglichkeit fruchtbarer internationaler Zusammenarbeit im All, von der alle Beteiligten, darunter viele Universitäten und andere – auch öffentliche – Forschungseinrichtungen, profitierten. Das könnte sich mit dieser neuen Station ändern.

Auf der Webseite der Firma heißt es: „Axiom Space lässt sich von der Vision einer florierenden Heimat im Weltraum leiten, die jedem Menschen, überall, zugute kommt.“ Doch in einer Sendung des „Deutschlandfunks Kultur“ hieß es vor einiger Zeit mit Hinblick auf aktuelle Entwicklungen in der Raumfahrt: „Gut 50 Jahre nach der Mondlandung von Apollo 11 erleben wir einen neuen Weltraumenthusiasmus. Doch diesmal geht es nicht darum, unseren Wissensdurst zu stillen, zu forschen und zu neuen Abenteuern aufzubrechen.“ Jetzt gehe es um viel Geld: Und das trifft auch für diese neue Raumstation zu.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Ein neues Zeitalter?", UZ vom 22. April 2022



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