Wie „Fridays for Future“ beim Sommerkongress über die CO2-Steuer diskutiert hat

Eine Bewegung auf der Suche

Von Christoph Hentschel

Konsum- oder Systemkritik? Wohin sollen die Schülerproteste gegen die Klimakrise jeden Freitag gehen? Das war für die Initiatoren des „Fridays for Future“-Sommerkongresses die brennendste der Fragen, die sie an vier Tagen im Revierpark Wischlingen in Dortmund diskutieren wollten. Auf der Auftaktveranstaltung am Donnerstagvormittag rief eine Vertreterin des Alfred-Wegner-Instituts für Polar- und Meeresforschung zum Verzicht eines jeden und jeder auf und erntete Beifall. TV-Moderator Eckart von Hirschhausen wies darauf hin, dass sich Menschen erst ändern, wenn sich die Verhältnisse ändern, und bekam genau so viel Applaus. Am Donnerstagabend, ohne Presse, wolle man diese und viele weitere Fragen in einer internen Diskussionsrunde in der Eishalle des Revierparks ansprechen, sagte die 17-jährige Helena Marschall aus Frankfurt am Main, eine der InitiatorInnen.

1 700 Schülerinnen und Schüler aus über 600 Orten in Deutschland – 58 Prozent der Teilnehmer waren Frauen – debattierten in über 200 Workshops untereinander und in sechs sogenannten „Panels“ mit Vertretern aus Politik, Unternehmen und sozialen Bewegungen über die Zukunft der Klimastreiks. Eine Pressevertreterin sprach an, dass die Bewegung doch sehr elitär sei, der 19-jährige Jakob Blasel aus Kiel, ein weiterer Initiator des Kongresses, antwortete, es sei leider ein Privileg, in Deutschland am Freitag die Schule zu schwänzen, um auf die Straße zu gehen. Nicht jeder könne sich das leisten, daher setze man große Hoffnung auf den Aktionstag am 20. September. Man möchte dort weitere Schichten der Bevölkerung – nicht nur SchülerInnen – erreichen. „Wir rufen alle Generationen auf, auf die Straße zu gehen, weil die junge Generation nicht alleine das Klima retten kann und sollte“, sagte die 21-jährige Carla Reemtsma.

Wie immer am Freitag demonstrierten die Kongressteilnehmer. Diesmal gemeinsam durch Dortmund und bewusst an Firmenzentralen vorbei, wie Blasel betonte. Rund 1 500 Menschen nahmen an der Demonstration teil.

Am Samstag morgen fand das Panel zur umstrittensten Forderung von „Fridays for Future“ statt. Unter dem Motto „Ist Klimapolitik noch sozial?“ diskutierten über die CO2-Steuer Christoph M. Schmidt, Präsident des „Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung“, Christoph Schmitz, ver.di-Bundesleiter des neuen Fachbereichs A (Medien, Kunst und Industrie, Telekom, Banken und Versicherungen und Ver- und Entsorgung), Pia Jorks, Vertreterin der „Klimadelegation“, die seit 2012 an den UN-Klimaverhandlungen als Beobachter teilnimmt und Carla Reemtsma von „Fridays for Future“. Rund 80 Kongressteilnehmer nahmen am Panel teil.

Eine CO2-Steuer wurde von den Diskutanten nicht in Frage gestellt. Es ging vielmehr darum, wie diese erhoben wird. Reemtsma sprach sich gegen den Vorschlag der FDP eines Steuerfreibetrages für Familien, aus, da dieser nur Besserverdienenden etwas bringe. Schmitz propagierte den Vorschlag von SPD und „Bündnis 90/Die Grünen“, durch eine Prämie Anreize für klimaneutrales Verhalten zu fördern. Er wies außerdem darauf hin, dass man auch die Gelder, die jetzt für das 2-Prozent-Ziel der NATO rausgeworfen werden, für Klimaschutz und soziale Aufgaben verwenden könne – wofür er den meisten Applaus während des gesamten Panels erhielt. Schmidt, der aus dem Publikum kritisiert wurde, dass sein Institut schon für den neoliberalen Think-Tank „Neue soziale Marktwirtschaft“ gearbeitet habe, argumentierte für einen Handel mit CO2-Zertifikaten. Dem entgegnete Jorks, dass der Emissionshandel gezeigt habe, dass dieser zwar Geld für Konzerne, aber keinen realen Nutzen bringe.

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"Eine Bewegung auf der Suche", UZ vom 9. August 2019



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