Empfindlicher Kriegsherr

Manfred Ziegler zum „Reform-Prinzen“ Saudi-Arabiens

Ohne wirtschaftliche Reformen steht Saudi-Arabien – bei den gegenwärtigen Ölpreisen – vor der konkreten Gefahr, seine Finanzreserven in wenigen Jahren aufzubrauchen, schreibt der IMF in einem Bericht über die Golfstaaten.

Jetzt wurden in Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens, Kinos eröffnet und Frauen dürfen selbst Auto fahren. Sie dürfen sogar auf kommunaler Ebene wählen und sich zur Wahl stellen, die Macht der Religionspolizei wurde beschränkt – ermöglicht hat es der Reform-Prinz Mohammed Bin Salman. Die „Tagesschau“ sprach von einer historischen Zäsur für das Land.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen sollen das Land fit für die Zukunft machen. Dabei tat der für Saudi-Arabien finanziell teure Krieg gegen den Jemen, den der Reform-Prinz entfachte und der die Finanzreserven des Landes auffrisst, seinem Image als Reformer keinen Abbruch, im Gegenteil: Für die „Welt“ war sein Krieg gegen den Jemen einer der mutigsten Schritte seit Beginn der Herrschaft seines Vaters.

Das neugewonnene Reform-Image half bei Waffenkäufen in Washington – doch im Lande gelten weiterhin Regeln des Wahhabismus. Vor einigen Tagen wurde ein Mann aus Myanmar geköpft und sein Körper öffentlich ans Kreuz genagelt – er ist einer von vielen. Seit der Ernennung von Mohammed Bin Salman zum Kronprinzen ist die Zahl der Enthauptungen stark gestiegen.

Und dann der bizarrer Streit mit Kanada. Die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland hatte gesagt, ihr Land sei ernsthaft besorgt, weil Saudi-Arabien erneut mehrere Aktivisten aus der Zivilgesellschaft verhaftet hatte. Darunter sind Personen, die familiäre Beziehungen zu Kanadiern haben.

Für Saudi-Arabien war das zu viel der Einmischung. Es hat den kanadischen Botschafter ausgewiesen und seinen eigenen Botschafter aus Kanada abgezogen. Saudi-Arabien beendete zudem staatlich geförderte Programme in den Bereichen Bildung und Medizin. Tausende saudi-arabische Studenten und Patienten sollen aus Kanada ausreisen und in anderen Ländern untergebracht werden.

Die Verhaftungen und der massive diplomatische und wirtschaftliche Druck, den Saudi-Arabien gegenüber Kanada aufbaut, mögen der Innenpolitik gelten und den Hardlinern im Lande versichern, dass die Reformpolitik ihre Grenzen hat.

Bezeichnend jedoch ist das bisherige Schweigen der Länder, die ansonsten Menschenrechtsfragen jederzeit als Mittel im Kampf gegen andere Länder einsetzen. Mit Saudi-Arabien mag es sich niemand verscherzen. Schließlich geht es um Milliarden im Öl- und Waffengeschäft.

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"Empfindlicher Kriegsherr", UZ vom 17. August 2018



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