Rosetta und Philae: Wichtige neue wissenschaftliche Erkenntnisse

Erfolgreiche Kometenmission „unsanft“ beendet

Von Nina Hager

Am 30. September war es soweit. Die – aus wissenschaftlicher und technisch-technologischer Sicht geradezu revolutionäre – Mission wurde beendet, die ESA-Kometensonde Rosetta gezielt zum Absturz gebracht. Kurz vor der „unsanften Landung“ gegen 12 Uhr 38 Minuten mitteleuropäischer Zeit übermittelte Rosetta noch einmal spektakuläre Bilder vom erst 1969 durch Astronomen aus Kiew und Duschanbe (Tadschikistan) entdeckten Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko („Tschuri“).

Die Auswertung der vielen – im Laufe der langjährigen Mission übermittelten – Fotos und anderer Daten wird noch Jahre in Anspruch nehmen. Aber schon jetzt kann man von der bislang erfolgreichsten Expedition der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency – ESA) sprechen, an der neben europäischen Staaten auch Australien, Kanada und die USA beteiligt waren. „Tschuri“ ist der erste Komet und der siebente „Himmelskörper“ insgesamt (Venus, Mars, der Mond, der Saturnmond Titan und zwei Asteroiden waren bzw. sind die anderen), auf dem ein Raumflugkörper landete.

Erinnern wir uns: Am 2. März 2004 startete die fast drei Tonnen schwere Sonde mit einer Ariane-5-Rakete vom europäischen Raumflughafen Kourou. An Bord hatte sie einen Lander (Philae), der auf dem Kometen „Tschuri“ abgesetzt werden sollte. Vor ihr lagen lange Jahre des Fluges. Die Mission sollte 12 Jahre in Anspruch nehmen. Auf dem Weg zum Kometen wurde deshalb, um Energie zu sparen, die Sonde in den „Schlaf“ versetzt. Da die Ariane 5 die Raumsonde zwar auf 40000 km pro Stunde beschleunigt hatte, diese Geschwindigkeit aber nicht ausreichte um „Tschuri“ zu erreichen, musste Rosetta zuvor noch vier Swing-by-Manöver – also nahe Vorbeiflüge – an Erde und Mars ausführen, um durch deren Schwerkraftfelder zusätzlich Schwung zu holen. Dabei änderten sich Richtung und Geschwindigkeit der Raumsonde.

Am 10. Juli 2010 flog Rosetta am Asteroiden Lutetia vorbei. Zehn Jahre nach dem Start erreichte die Sonde „Tschuri“, einen Kometen mit einem mittleren Durchmesser von vier Kilometern, der für einen Umlauf um die Sonne 6,45 Jahre benötigt (minimaler Sonnenabstand 186 Millionen Kilometer, maximaler Sonnenabstand 857 Millionen Kilometer), und startete den Lander. Hier gab es ein Problem, der die Mission nachhaltig beeinflusste.

Bei der Landung am 12. November 2014 – und nach mehreren geplanten „Hüpfern“ auf der Kometenoberfläche – kam Philae im Schatten einer aufragenden Wand zum Liegen. Die Sonneneinstrahlung an diesem Ort reichte nicht, um einen Dauerbetrieb zu ermöglichen. Nach 2 Tagen, 7 Stunden und 56 Minuten, schaltete der Lander deshalb wegen zu geringer Betriebsspannung alle Instrumente ab und ging in einen Standby-Betrieb über. Allerdings konnten noch viele Daten übermittelt werden. 80 Prozent der wissenschaftlichen Ziele hatte man zu diesem Zeitpunkt bereits erreicht. Sieben Monate später konnte Philae mehrfach weitere Daten senden. Erneute Kontaktversuche Anfang des Jahres schlugen fehl, am 27. Juli dieses Jahres wurden die Kontaktversuche dann endgültig beendet.

Der wissenschaftliche Ertrag der Expedition, die neue Erkenntnisse über die Entstehung unseres Sonnensystems und des Lebens liefern sollte, ist schon jetzt außerordentlich. Kometen sind „Zeugen“ der Entstehung unseres Planetensystems vor 4,5 Milliarden Jahren. Sie wurden damals aus Eis, Staub, Silikaten und organischem Material „geformt“. Geklärt werden sollte auch, ob Kometen einst die „Bausteine des Lebens“ und Wasser auf die Erde gebracht haben könnten.

Philaes Landung und die danach noch möglichen Untersuchungen lieferten nicht nur Daten über die chemische Zusammensetzung des Kometen und über seine Oberfläche. Gefunden wurde dabei auch organisches Material. Festgestellt wurde die Aminosäure Glyzin, ein Proteinbaustein, sowie Phosphor, ein zentraler Bestandteil der DNA und von Zellmembranen. Zahlreiche weitere organische Verbindungen wurden, sowohl von Rosetta aus der Umlaufbahn als auch von Philae auf der Oberfläche, entdeckt.

Es ist also nicht ausgeschlossen, dass zumindest „Bausteine des Lebens“, die für die Entstehung komplexer Moleküle nötig sind, tatsächlich durch Kometeneinschläge auf die Erde kamen. Aber das Wasser der Erde stammt wahrscheinlich von Asteroiden, denn die Messungen und folgenden Untersuchungen belegten: Das Wasser auf „Tschuri“ hat andere Eigenschaften als das in unseren Meeren und Ozeanen.

Quelle: ESA

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Erfolgreiche Kometenmission „unsanft“ beendet", UZ vom 7. Oktober 2016



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