In Italien regieren Sozialdemokraten mit der Fünf-Sterne-Bewegung

Faschistische Gefahr bleibt

Von Gerhard Feldbauer

Seit 12. September hat Italien eine Regierung aus Sozialdemokraten (Demokratische Partei – PD) und Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) unter dem parteilosen Rechtsprofessor Giuseppe Conte. M5S hatte seit Juni 2018 mit der faschistischen Lega regiert und deren rassistischen Kurs der Verfolgung von Migranten mitgetragen. Die „Sterne“, die bei der Wahl im März 2018 rund 34 Prozent Stimmen erhielten, wurden bei den Regionalwahlen zu den Landesparlamenten vom Wähler abgestraft und sanken auf bis zu 18 Prozent. Die Lega, die bei den Parlamentswahlen nur 17 Prozent erreicht hatte, stieg dagegen auf das Doppelte an. Als Umfragen Salvini 38 Prozent Zustimmung voraussagten, brachte er Mitte August mit einem Misstrauensvotum gegen Conte die Regierung zu Fall und forderte Neuwahlen, bei denen er die Lega zur Ersten Partei und sich zum Regierungschef erheben wollte.

Salvini hatte sich jedoch verspekulliert. Conte kam dem Misstrauensantrag zuvor und reichte beim Staatspräsidenten Sergio Mattarella seinen Rücktritt ein. Der bat ihn, vorerst im Amt zu bleiben, lehnte Neuwahlen ab und sondierte eine mögliche neue Regierungsbildung. Für die kamen nur die bis dahin heftig verfeindeten M5S und PD in Frage. Sie fanden sich unter dem Druck vor allem der Sterne-Basis nach scharfen Auseinandersetzungen zu einer Koalition zusammen. Von 21 Kabinettsmitgliedern gehören zehn der M5S, neun der PD, eines der Linkspartei „Gleiche und Freie“ (LeU) an, eines ist parteilos.

In seiner Regierungserklärung bekannte sich Conte – im Gegensatz zum von Lega und M5S verfolgten Anti-EU-Kurs – grundsätzlich zu Brüssel, sucht aber einen Kompromiss im Haushaltskonflikt. „Eine Überarbeitung der Regeln des Stabilitätspakts“ soll Investitionen in Infrastruktur, Netze, Innovation, Bildung und Forschung wieder in Gang“ bringen. Dazu will er ein höheres Defizit (bisher 2,3 Billionen Euro, etwa 133 Prozent des BIP) aushandeln. Wie das ausgeht, wird sich zeigen, wenn Rom im Oktober in Brüssel den Haushaltsentwurf für 2020 vorlegen muss. Bisher drohen bei Nichteinhaltung der festgelegten Ziele für die Neuverschuldung Konsequenzen.

Conte hat ein Programm voller sozialer Versprechungen vorgelegt, deren Verwirklichung mehr als fraglich ist. Er will nicht nur das von M5S geforderte Mindesteinkommen verwirklichen, sondern auch eine bessere Steuergesetzgebung, die vor allem den Arbeitern zu Gute kommen soll, und ein Gesetz der gewerkschaftlichen Vertretung. Conte setzt hier auf einen Umschwung der Wählerstimmung, falls es doch noch zu Neuwahlen kommen sollte.

Zu der von PD und LeU geforderten Rücknahme der teilweise verfassungswidrigen Sicherheitsdekrete kündigte Conte lediglich Korrekturen an. Die Einwanderung müsse mit Brüssel „auf mehreren Ebenen“ gelöst werden, darunter durch „eine Änderung der Dublin-Regeln, nach denen für ein Asylverfahren das europäische Land zuständig ist, in dem ein Asylbewerber zum ersten Mal europäischen Boden betritt“. Immerhin wurden inzwischen 82 Flüchtlinge der „Ocean Viking“ in Lampedusa an Land gelassen.

Mit der Bildung dieser Regierung hat Salvini eine Niederlage erlitten. Die Gefahr ist jedoch nicht gebannt. Der Lega-Chef stellt die Zustimmung der gewählten Abgeordneten und Senatoren in Frage und beruft sich demagogisch auf „das Volk“, das dies ablehne. Das ist ein faschistischer Angriff auf die Zuständigkeit des bürgerlichen Parlaments und zielt auf ein von der Lega gefordertes Präsidial-Regime, das die Rechte des Parlaments einschränkt. Dies fordern sie, seit sie 1994 der Regierung der Faschisten der Forza Italia (FI) Berlusconis und der MSI-Partei, aus der die heutigen Brüder Italiens (FdI) hervorgingen, angehörte. Salvinis „von Hass“ erfüllte Ausfälle nannte der Mailänder „Corriere della Sera“ deshalb „schlimme Vorzeichen“ für die Zukunft. Hinzu kommt, dass weiter zu viele „gegensätzliche Gesichtspunkte“ blieben, schrieb die der PD nahestehende „La Repubblica“. Darunter zählt auch die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon (TAV), die M5S bisher ablehnte, die PD befürwortet und Conte bereits absegnet hat.

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"Faschistische Gefahr bleibt", UZ vom 20. September 2019



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