„Der Kampf geht weiter, bis die Festung fällt“ – Das Vermächtnis der Interbrigadisten

Freiwillige der Freiheit

Von Nina Hager

Das Lied „Abschied von der Front“, Text von Erich Weinert, Musik von Ernst Busch, erinnert an den heldenhaften Kampf der Internationalen Brigaden an der Seite des republikanischen Spaniens und an ihre offizielle Verabschiedung vor nunmehr 80 Jahren: „Wie schön der Tag, als wir mit hartem Schritt,/ein Aufgebot aus vielen Vaterländern,/in hundert Sprachen sangen durch Madrid,/von Blumen überwogt und bunten Bändern;/da klang Madrid, und ganz Madrid zog mit.“ „Zwei heiße Jahre Sieg und Widerstand“ lagen hinter ihnen.

Monate hatten die klerikalfaschistischen Kräfte in Spanien gegen die im Februar 1936 entstandene Volksfrontregierung, die sie nicht verhindern konnten, konspiriert. Am 18. Juli 1936 kam es – unter der Führung der Generäle Emilio Mola und Francisco Franco – zum faschistischen Putsch. Der begann in Spanisch-Marokko, griff – mit Hilfe Hitlerdeutschlands, das Flugzeuge zur Verfügung stellte, um 15 000 marokkanische und Fremdenlegionäre nach Spanien zu bringen – auf Spanien über. Die Putschisten waren, unterstützt durch die deutschen und italienischen Faschisten, durch Waffenlieferungen und bald auch Truppen wie die „Legion Condor“ und die Divisionen Mussolinis, zunächst den Verteidigern der Republik militärisch überlegen. Sie besetzten Teile des Landes, rückten auf Madrid vor.

Das spanische Volk erhob sich gegen die Putschisten. In Barcelona schlossen sich antifaschistische Emigranten und Sportler, die zur Arbeiterolympiade angereist waren, den Verteidigern an. Bereits im August bildeten deutsche Antifaschisten gemeinsam mit anderen ausländischen Freiwilligen die „Centuria Thälmann“. Die Bereitschaft vieler Antifaschistinnen und Antifaschisten aus aller Welt war groß, der spanischen Republik zur Hilfe zu eilen. Wie Werner Abel in der UZ erinnerte (Ausgabe vom 21. Oktober 2016), hatte am 27. August 1936 das „Politbüro der KPdSU, wie Georgi Dimitroff, Generalsekretär der KI, in seinem Tagebuch berichtete, die Bildung eines internationalen Freiwilligen-Korps angeregt … Zur gleichen Zeit rief die Auslandsleitung der KPD alle waffenerfahrenen Genossen dazu auf, sich der Spanischen Republik zur Verfügung zu stellen. Am 27. September 1936 beschloss das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI) alles zu tun, um die Spanische Republik personell, materiell und propagandistisch zu unterstützen.“ Spaniens Regierung ermöglichte mit einem Erlass vom 22. Oktober 1936 die Bildung der Internationalen Brigaden. Unter denen, die von allen Kontinenten, aus 50 Ländern, nach Spanien eilten, waren auch ca. 3 000 Deutsche: Kommunistinnen und Kommunisten, Mitglieder der SPD und andere Linke, parteilose Antifaschistinnen und Antifaschisten. Über diese Deutschen und ihren standhaften Einsatz äußerte sich später Ernest Hemingway im Rundfunk: „Da sah ich Deutsche, die saßen in Henkel- und Junkersflugzeugen, sie kamen in Überzahl, flogen über friedliche Dörfer, warfen ihre Bomben ab, pulverisierten die Häuser der Bauern, verbrannten die Ernte. … Unten aber, über die Ufer des Ebro, zog auf alle Gefahr hin das Bataillon ‚Thälmann’ und andere deutsche Bataillone. Sie wagten alles, wussten, dass ihnen in der Gefangenschaft der Tod drohte, aber sie führten ihren Auftrag aus, griffen an, siegten. Sie pflegten später die Flüchtlinge aus den zerstörten Dörfern, sie nahmen sich der Kinder an …“

In der alten Bundesrepublik wurden diese tapferen Internationalistinnen und Internationalisten nie öffentlich geehrt. Die Kämpferinnen und Kämpfer für die spanische Republik wurden nicht als Verfolgte des NS-Regimes anerkannt. Nach dem 3. Oktober 1990 traf das auch die noch lebenden Interbrigadistinnen und Interbrigadisten im Osten: Ihre Zeit in den Internationalen Brigaden wurde nicht als Zeit der Verfolgung anerkannt. Jene aber, die wie die Angehörigen der „Legion Condor“ an der Seite der Putschisten kämpften, wurden lange geehrt und erhielten Pensionen. Erst nach langer und kontroverser Debatte beschloss der Bundestag 1998 zumindest Mitglieder der Legion Condor nicht mehr als Leitbilder für Soldaten der Bundeswehr zu empfehlen. Erst im Januar 2005 wurden auch die nach Werner Mölders, einem Flieger-„Ass“ der Legion, die nicht nur die Zerstörung der Stadt Guernica auf dem Gewissen hat, benannte Kaserne und das entsprechende Jagdgeschwader umbenannt. Noch 70 Jahre nach der Zerschlagung des Faschismus 1945 erhielten ehemalige Mitglieder der spanischen faschistischen „Blauen Division“, die an der Seite der faschistischen Wehrmacht am Überfall auf die Sowjetunion beteiligt waren, von der Bundesrepublik Versorgungszahlungen.

Übrigens befasste sich der Deutsche Bundestag erst im Oktober 2006 zum ersten Mal in seiner Geschichte mit den Freiwilligen, die auf Seiten der Republik im Spanischen Krieg gekämpft hatten. Die Fraktion der Partei „Die Linke“ hatte beantragt, das Engagement der internationalen Kämpfer für die spanische Republik zu würdigen. Die spanische Regierung hatte bereits 1996 den Internationalen Brigadisten die spanische Staatsbürgerschaft per Einbürgerungsurkunde (Ehrenstaatsbürgerschaft) angetragen.

Es sei noch einmal daran erinnert: Als die Interbrigadisten am 28. Oktober 1938 offiziell verabschiedet wurden, lagen zwei Jahre Kampf hinter ihnen: Kämpfe vor Madrid, am Jarama, am Ebro usw. Die ersten Interbrigadisten verließen Spanien dann am 12. November 1938. Andere gingen nach der offiziellen Verabschiedung und offiziellen Auflösung der Brigaden wieder an die Front oder an ihre Arbeit. Vom 9. bis 12. Februar 1939 überschritten Einheiten der XI. Brigade die Grenze nach Frankreich, mit ihnen mehrere hunderttausend zivile Flüchtlinge. Anderen gelang es im März – in letzter Minute – noch das Land zu verlassen.

Die meisten der Interbrigadisten wurden, soweit sie nach Frankreich kamen, dort sofort interniert. Ihr Kampf war damit, das war allen schon vorher, im Oktober 1938, klar, noch lange nicht vorbei. Den Faschisten musste weiter entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden. Nun an neuen Fronten. Auch das wird im Lied „Abschied von der Front“ beschrieben und wirkt heute wie ein Vermächtnis: „Wir gehn zurück in eine andre Welt,/als Partisanen, nicht als Veteranen./Wir bleiben weiter unter unsren Fahnen./Und wo der Feind sich auch entgegenstellt:/Der Kampf geht weiter bis die Festung fällt!“

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( Randolph Oechslein)

Direkt hinter dem Denkmal für die gefallenen britischen Antifaschisten der „Abraham-Lincoln-Brigade“ befindet sich eine erhalten gebliebene Stellung der Interbrigadisten.

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( Eva Petermann)

Unter dem roten Stern, dem Symbol der Interbrigaden, sind Worte von Dolores Ibarruri, der „Pasionaria“, eingemeißelt, die sie beim Abschied der Interbrigaden im Oktober 1938 sprach: „Ihr seid die Geschichte, ihr seid die Legende, ihr seid das heroische Beispiel für die Solidarität und für die Universalität der Demokratie.“

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( Randolph Oechslein)

Auf dem Denkmal für die sowjetischen Freiwilligen auf dem Friedhof Fuencarral in Madrid sind 136 Tote verzeichnet. Eva Petermann legt rote Nelken in die Hände der trauernden Frauenskulptur.

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( Randolph Oechslein)

In der Nähe der Anhöhe von Pingarron befindet sich ein Denkmal zu Ehren der 600 Gefallenen des britischen Bataillons 375 der XV. Internationalen Brigade, die als „Abraham-Lincoln-Brigade“ bekannt wurde,. Diese Anhöhe ging in die Geschichte der Jaramaschlacht als „Suicide-Hill“ (Selbstmordhügel) ein, die Kämpfe um ihn gehörten zu den schwersten der ganzen Schlacht. Die Internationalen Brigaden erlitten die bis dahin höchsten Verluste an Menschenleben. Hart umkämpft war ebenfalls die Arganda-Brücke. Ziel der Putschisten war es, im Februar 1937 das westliche Ufer des Rio Jarama einzunehmen, um so auf Madrid vorrücken zu können. Es gelang ihnen zwar, den Fluss zu überqueren. Die Verbindung Madrid-Valencia konnten sie jedoch nicht unterbrechen. An den Kämpfen im Frontabschnitt von Arganda del Rey bis Morata de Tajuna waren insgesamt vier Internationale Brigaden beteiligt, die XI., XII. XIV. und XV.


 

Wir werden euch nicht vergessen

Im Herbst 1938 wurden die Internationalen Brigaden in Barcrlona verabschiedet.

Dolores Ibárruri – La Pasionaria – von der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) hielt die Abschiedsrede. Ein Auszug:

Zum ersten Mal in der Geschichte des Kampfes der Völker gab es das ob seiner Großartigkeit atemberaubende  Schauspiel der Formierung der Internationalen Brigaden, um die Freiheit und die Unabhängigkeit eines bedrohten Landes, unseres Spanien, zu retten.

Kommunisten, Sozialisten, Anarchisten, Republikaner, Männer unterschiedlicher Hautfarbe, verschiedener Weltanschauung, antagonistischer Religionen, aber alle in tiefer Liebe zu Freiheit und Gerechtigkeit, kamen um sich uns bedingungslos anzubieten.

Sie gaben uns alles: ihre Jugend oder ihre Reife; ihr Wissen oder ihre Erfahrung; ihr Blut und ihr Leben; ihre Hoffnungen und ihre Sehnsüchte – und sie baten uns um nichts. Das heißt – um eines doch: Sie wollten einen Platz im Kampf, sie erstrebten die Ehre, für uns zu sterben. (…)

Frauen! Mütter! Wenn die Jahre vergehen und die Wunden des Krieges allmählich heilen; wenn die Erinnerung an die schmerzreichen und blutigen Tage in einer Gegenwart der Freiheit, des Friedens und des Wohlergehens vergehen wird; wenn der Groll sich mildert und der Stolz auf das freie Vaterland von allen Spaniern gleichermaßen empfunden wird, dann sprecht zu euren Kindern: erzählt ihnen von diesen Männern der Internationalen Brigaden.

Erzählt ihnen, wie sie, Meere und Berge durchquerend, Grenzen aus aufgerichteten Bajonetten überschreitend, bewacht von tollwütigen Hunden, die danach lechzten, ihre Zähne in sie zu schlagen, erzählt ihnen, wie sie in unsere Heimat gekommen sind als Kreuzritter der Freiheit, um zu kämpfen und zu sterben für Spaniens Freiheit und Unabhängigkeit, die vom deutschen und italienischen Faschismus bedroht wurden. Sie gaben alles auf: ihre Sehnsucht, ihre Heimat, ihr Heim, ihr Vermögen, ihre Mütter, ihre Frauen, Geschwister, Kinder – und kamen zu uns, um uns zu sagen: „Hier sind wir! Eure Sache, die Sache Spaniens ist unsere Sache, es ist die gemeinsame Sache der gesamten fortschrittlichen Menschheit.“

Heute reisen viele ab, Tausende bleiben, die Spaniens Erde zum Leichentuch haben und die an tiefen Empfindungen reiche Erinnerung aller Spanier. (…)

Wir werden euch nicht vergessen; und wenn der Olivenbaum des Friedens blüht, durchflochten mit den Lorbeeren des Sieges der Spanischen Republik – dann kommt wieder! Kommt an unsere Seite, denn hier werdet ihr, die ihr keine Heimat habt, eine Heimat finden; hier werdet ihr, die ihr fern von Freundschaft leben müsst, Freunde finden; und ihr alle, alle werdet die Zuneigung und den Dank des gesamten spanischen Volkes finden, das heute und morgen mit Begeisterung rufen wird:

Lang leben die Helden der Internationalen Brigaden!

 

 

 

 

 

 

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Freiwillige der Freiheit", UZ vom 26. Oktober 2018



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