Das neue Heft der Marxististischen Blätter beschäftigt sich im Schwerpunkt mit dem Thema Frieden 

„Friedensfragen – Stand und Streitpunkte“

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Frieden ist der Schwerpunkt der neuen Nummer der Marxistischen Blätter. Und der „braucht mehr Bewegung -“, heißt es im Editorial des neuen Heftes der Marxistischen Blätter zum Schwerpunkt, „Bewegung von Menschen, die sich weigern, Krieg, Kriegsdrohung und Kriegsvorbereitung als legitime Mittel zur Durchsetzung ökonomischer und machtpolitischer Interessen anzuerkennen, und die jegliche Militarisierung der Gesellschaft ablehnen. Aus welchem persönlichen Antrieb, vor welchem weltanschaulichen, religiösen, ethischen etc. Hintergrund auch immer. Darüber sind sich Friedensbewegte einig. Das ist viel. Es unterscheidet die Friedensbewegung von allen, die Frieden nur in Sonntag- und Feiertagsreden auf den Lippen führen.

Bewegung, die mobilisieren und wirksam werden will, braucht feste Standpunkte, braucht Orientierung um zu orientieren. Und Orientierung braucht zuverlässige Information, besonders in einem Medienumfeld, das über Kriege, deren Ursachen und Verursacher häufiger auf der Seite und im Interesse der Herrschenden desinformiert und nützliche Feindbilder pflegt. Da sind Verunsicherung und Streit nur zu verständlich. Wie zuverlässig sind die ‚Karten’, der ‚Rahmen’, die ‚Leitplanken’, anhand derer wir uns orientieren, wie tragfähig die Informationen, auf die wir uns stützen? Wie viel Gemeinsamkeit brauchen wir für mehr gemeinsames Handeln? Wie viel Differenz und Widerspruch im Detail verträgt das Bemühen um mehr gemeinsame Aktion?“

Die Marxistischen Blätter wollen in diesem – notwendigen – Streit nicht ausweichen. Position wird, so heißt es im Editorial zum Heftschwerpunkt, „nicht nur, aber vor allem zu Fragen, die in der Friedensbewegung strittig sind“, bezogen. Das passiert vor allem in Karl-Heinz Peils einleitendem Beitrag. In weiteren wird dann mehr oder weniger ausführlich zu einzelnen Streitpunkten argumentiert. In den Beiträgen werden aber auch Hintergründe aufgezeigt, wichtige Informationen vermittelt. Zu den Autorinnen und Autoren gehören nicht wenige, die in der Friedensbewegung schon lange aktiv sind.

„In den meisten Beiträgen (des Schwerpunktes) geht es, wie gesagt, um Standpunkte und inhaltliche Streitfragen unter Friedensbewegten. Der sachlich-solidarische Ton macht darum die Musik – das haben wir zu berücksichtigen versucht, damit Streit nicht Zerstrittenheit fördert. Auf inhaltlich begründeten Widerspruch, der dies auch berücksichtigt, freuen wir uns.“

Neben dem umfangreichen Schwerpunkt enthält das Heft 6_2018 der Marxistischen Blätter auch dieses Mal viel Lesenswertes unter „Aktuelles“, „Positionen“ und den Buchrezensionen.

 


Leseprobe aus dem Beitrag von Lühr Henken

Aufrüsten und kein Ende?

Wird der NATO-Beschluss von 2014 hierzulande umgesetzt, zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für die Bundeswehr auszugeben, statt wie damals knapp 1,2 Prozent, so hat das immense Auswirkungen auf die Stellung Deutschlands in EU und NATO, auf seine militärischen Potenziale und Möglichkeiten.

Das Ziel, die Bundeswehr im Interesse der Wirtschaft einsetzen zu wollen, zieht sich seit 1992 durch Bundeswehr-Strategiepapiere. Wurde damals als „vitales Sicherheitsinteresse“ Deutschlands definiert: „die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und der ungehinderte Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“, so kommt der Chef der Abteilung Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, nach Lektüre des Weißbuchs der Bundeswehr 2016 zu dem Urteil: „Die Freiheit der Meere und die Versorgung mit Rohstoffen stehen im Interessenkatalog ganz oben.“ Und: „Das neue Weißbuch ist – gemessen an seinen Vorgängern – von neuer Klarheit. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich das Land so deutlich zu seiner führenden Rolle in der Welt (sic!) bekannt und daraus auch eine sicherheitspolitische Verpflichtung abgeleitet.“

Der Aufbau von „Krisenreaktionskräften“, später von „Eingreifkräften“, und parallel stattfindende bewaffnete Auslandseinsätze „out of area“ (außerhalb des NATO-Gebiets) prägen seit mehr als 25 Jahren den Aufbau der Bundeswehr zu einem außenpolitischen Machtinstrument. Aktuell sind es 14 Mandate mit etwa 3 800 Soldaten auf drei Kontinenten und zwei Meeren. Diverse Umrüstungen haben dazu geführt, dass die Truppe bis zu 11 000 Soldaten dauerhaft in Auslandseinsätzen halten könnte. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht sank ihre Gesamtzahl unter 180000. Nun soll bis 2024 die Bundeswehr-Sollstärke wieder auf 198 000 hochgefahren werden – immerhin ein Plus von 11 Prozent.

(…) Diese Erhöhung der Soldatenzahl ist eine Folge des Beschlusses des NATO-Gipfels von Wales im September 2014, die Rüstungsausgaben in Richtung 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Bis zur Krise um die Ukraine hatte sich die Bundesregierung bezüglich einer Erhöhung des Rüstungshaushalts zurückgehalten. Jedoch, so war es dem „Spiegel“ zu entnehmen: „war (es) die Bundesregierung, die im Nato-Rat mehrere Vorschläge machte, um die Mitglieder zu höheren Militärausgaben zu animieren.“ – Also nicht Obama und schon gar nicht Trump. Von letzterem konnte noch keine Rede sein. Der NATO-Gipfel formulierte: „Die Bündnispartner, deren Anteil vom BIP für Verteidigungsausgaben gegenwärtig unter diesem Richtwert liegt, werden darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von 2 Prozent zuzubewegen.“ Das heißt, zwei Prozent ist nicht strikt zu verstehen. Man kann auch darunterbleiben, nur das Bemühen um die Erreichung des Zieles muss erkennbar sein.

(…) In die Berechnungen der NATO – also die sogenannten NATO-Kriterien – fließen außer den Ausgaben des Einzelplans 14, also des Verteidigungshaushalts, die Ausgaben für die Bundespolizei, die dem Innenministerium untersteht, und Personalkosten im Einzelplan 60 ein. Der Einzelplan 14 in diesem Jahr ist auf 38,5 Milliarden Euro veranschlagt. Nach „NATO-Kriterien“ wird Deutschland in diesem Jahr sogar 41,9 Milliarden Euro ausgeben. Das würde nach Berechnungen der NATO genau 1,24 Prozent des BIP ausmachen.

Forscher der regierungsnahen Institute Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) haben in einer gemeinsamen Studie errechnet, dass der Militärhaushalt jährlich um 6,8 Mrd. Euro steigen müsse, um 2024 bei 2 Prozent des BIP zu landen. Der „Spiegel“ schreibt dazu: „Im Jahre 2024 wären das 85 Milliarden Euro, fast 30 Milliarden Euro mehr als Frankreich oder Großbritannien. Es wäre innerhalb der Nato der zweitgrößte Verteidigungshaushalt nach den USA.“ Nun hat sich Ursula von der Leyen Mitte Mai darauf festgelegt, 2024 nur 1,5 Prozent des BIP für die Bundeswehr ausgeben zu wollen, und hat dies der NATO als Ziel gemeldet. Damit wäre der Beschluss von Wales formal erfüllt: Die vorgegebene Richtung stimmt.

Wie viel Geld wäre das? Dazu gibt es ein internes Papier, das auch der „Spiegel“  enthüllt hat: Das besagt, „dass die Verteidigungsausgaben zum Erreichen der 1,5-Prozent-Marke bis 2025 auf 62,5 Milliarden Euro steigen, etwa 58 Milliarden davon würden ihrem Haus zufließen, vier Milliarden gingen in andere Ressorts“. 62,5 Milliarden Euro ist die offizielle Marke der Verteidigungsministerin nach NATO-Kriterien für 2024, die auch von Angela Merkel unterstützt wird. Das wäre gegenüber 2014 ein sehr üppiger Anstieg um 80 Prozent in 10 Jahren (von 34,75 auf 62,5 Mrd. Euro). Von der Leyen ist das noch zu wenig. Schon Mitte Juni forderte sie für 2021 15 Mrd. mehr und für 2022 zehn Milliarden mehr, als der gemeinsame Eckwerte-Plan der Bundesregierung ausweist. Würde von der Leyen sich durchsetzen, liefe das darauf hinaus, dass der Anteil von 1,5 Prozent am BIP bereits am Ende der Legislaturperiode, also 2021, erreicht wäre. So würde das Zweiprozentziel sogar noch für 2024 in erreichbare Nähe rücken. (…)

Fazit: Wir stehen an der Schwelle einer drastischen Steigerung der deutschen Militärausgaben. Gestartet wurde 2014 – nach NATO-Kriterien – bei 34,7 Milliarden Euro, in diesem Jahr liegen wir bei 41,9 im nächsten bei 46,3 Milliarden Euro. Wenn der Haushalt im Jahr 2024 bei 85 Milliarden Euro liegt, sind das binnen 10 Jahren 50 Milliarden Euro mehr. Damit sollen vor allem die Aufrüstung gegen Russland, aber auch mehr deutsche Kriegseinsätze weltweit und die EU-Militarisierung finanziert werden. Es liegt an der Friedensbewegung, diese Pläne zu durchkreuzen. (…)


Beiträge zum Hauptthema

  • Karl-Heinz Peil: Gemeinsame und unterschiedliche Positionen in der Friedensbewegung
  • Lucas Zeise: Kolonialkriege sind auch Vorgefechte zum Weltkrieg
  • Wolfgang Gehrcke und Christiane Reymann: Kriegsursachen und Friedensstrategie. Russland ist Partner, nicht Gegner der Friedensbewegung
  • Norman Paech: 70 Jahre Israel – 70 Jahre Naqba. Von der Besatzung zur Apartheid
  • Karin Leukefeld: „Eine Revolution adoptieren“. Wie die Bundesregierung die zivil-militärische Zusammenarbeit organisiert und dabei die Friedensbewegung lähmt
  • Matin Baraki: Geostrategische Hintergründe des USA-Iran-Konflikts
  • Björn Schmidt: Einig gegen die neuen Kalten Krieger
  • Joachim Guilliard: „Raus aus der Nato“
  • Lühr Henken: Aufrüsten und kein Ende?
  • Anton Latzo: Werte und Wirklichkeit der deutschen Außenpolitik
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"„Friedensfragen – Stand und Streitpunkte“", UZ vom 30. November 2018



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