Frankreich schränkt Demonstrationsrecht ein – Gelbwesten schließen sich mit Gewerkschaft zusammen

Gefahr für die „öffentliche Ordnung“

Von Lars Mörking

Die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich lässt sich nicht unterkriegen. Trotz des harten Vorgehens der Polizei gegen Demonstranten gingen sie am vergangenen Wochenende wieder im ganzen Land gegen die Politik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf die Straße. Schätzungen gehen von 70000 bis 116 000 Teilnehmern aus. Sie sahen sich zum wiederholten Mal den gepanzerten Einheiten der Spezialpolizei CRS gegenüber, die äußerst brutal gegen die Gelbwesten vorgingen. In Paris riss eine von der Polizei abgefeuerte Tränengasgranate einem 30-Jährigen mehrere Finger ab.

Laut Gelbwesten gab es bis Ende Januar mehr als 1 900 Verletzte durch Polizeigewalt. Das Innenministerium gab an, dass die Polizei 9 200 Mal mit Gummigeschossen auf Demonstranten geschossen habe. Dabei zielt sie offenbar auch die Gesichter von Demonstranten, mit der Folge, dass bisher 20 Menschen ein Auge bei den Protesten verloren haben sollen. Die französische Zeitung „Libération“ berichtet in ihrem „Faktencheck“ von 182 bestätigten Fällen schwerer Verletzungen.

Um die eskalierende Polizeigewalt macht sich Macron allerdings keine Sorgen. Während er durch Frankreich tourt, um mit leeren Versprechungen sein Volk zu besänftigen, wird mit dem „Anti-Randalierer-Gesetz“ eine handfeste Einschränkung des Demonstrationsrechts auf den Weg gebracht.   

Pünktlich zur „Verbrüderung“ („Luzerner Zeitung“) der Gewerkschaft CGT mit den Gelbwesten bei gemeinsamen Protesten am Dienstag letzter Woche stimmte die Nationalversammlung in erster Lesung dem Gesetzesvorhaben zu, das Demons­trationsverbote im Fall einer „besonders schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung“ vorsieht. Macron hat mehrfach durchblicken lassen, dass er die Gelbwesten-Proteste als eine solche Gefahr ansieht.

Das Gesetz sieht außerdem hohe Strafen für Verstöße gegen das Vermummungsverbot vor: ein Jahr Haft und 15000 Euro Geldstrafe. Zudem sollen „notorische Unruhestifter“ (von deutschen Politikern gerne „Berufsdemonstranten“ genannt) an der Teilnahme an öffentlichen Kundgebungen gehindert werden. Ein Haftung für Schäden, die während einer Demonstration entstehen, soll zusätzlich abschreckend auf deren Organisatoren wirken.

Während die Regierung auf Unterdrückung und Abschreckung setzt, verändert sich der Charakter der Gelbwesten-Proteste. Der spontane Aufstand gegen die Benzinpreise ist zu einem sozialen Protest geworden, der seine ursprünglich propagierte Distanz zu den Gewerkschaften abgelegt zu haben scheint. Dem gemeinsamen Aufruf mit der CGT, für Lohnerhöhungen und niedrige Studiengebühren auf die Straße zu gehen und zu streiken, folgten allein in Paris 30000 Menschen, darunter Schülerinnen und Schüler. Schulen und Ämter blieben geschlossen, der öffentliche Verkehr wurde bestreikt und Eric Drouet, einer der Initiatoren der Gelbwesten-Bewegung, twitterte: „Frankreich pausiert.“ Auch der Generalsekretär der CGT, Philippe Martinez, wertete den Aufruf zum gemeinsamen Protest als richtigen Schritt und Erfolg: „Abgesehen von der Farbe der Westen sehe ich nicht viele Unterschiede.“

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Gefahr für die „öffentliche Ordnung“", UZ vom 15. Februar 2019



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