Gerade Furche Richtung Krieg

Manfred Sohn zur Zusammenarbeit zwischen Britannien und den USA

Kurz bevor Boris Johnson am 24. Juli das Amt des britischen Premierministers übernommen hatte, holte sich seine Amtsvorgängerin eine diplomatische Ohrfeige aus Washington ab. Im Streit um den „Schutz“ britischer Öltanker vor der Kaperung durch iranische Revolutionsgarden ließ der US-Außenminister Mike Pompeo verkünden, die Pflicht, britische Schiffe zu schützen, sei keine originäre Aufgabe der US-Marine, sondern falle „in erster Linie auf Großbritannien“ zurück. Keine drei Wochen später schlug er ganz andere Töne an, als er gegenüber dem neuen britischen Außenminister Dominic Raab öffentlich die Bereitschaft zu einem exklusiven Freihandelsabkommen zwischen dem „United Kingdom“ (UK) und den „United States of America“ (USA) verkündete und die Worte hinzufügte, die Vereinigten Staaten jedenfalls stünden schon da „mit dem Stift in der Hand“.

Eine Reihe von Kommentatoren hat das hierzulande zum Anlass genommen über dieses vermeintliche Wechselbad aus Kälte und Herzenswärme zu spötteln. Die „FAZ“ etwa warf am 9. August – einen Tag nach dem erwähnten Treffen von Raab und Pompeo – dem britischen Premier vor, er „träume“ von einem Handelsvertrag. Weiterhin malt die hiesige Presse ihr über Monate gepflegtes Bild vom „Chaos“ weiter, das in Britannien hinsichtlich des bevorstehenden Austritts aus der Europäischen Union herrsche. Selbst innerhalb linker Medien wird dieses Bild von einem nicht mehr ganz zurechnungsfähigen britischen Rest-Empire gepflegt – etwa wenn die „junge welt“ (jw) am 14. August im Zusammenhang mit den Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen von einem „Buhlen um Boris“ schreibt.

Wahr ist: Um Herrn Johnson und seine neue Regierung muss kein Präsident der Vereinigten Staaten „buhlen“. Es gibt auch keine Zerrissenheit der tonangebenden Kräfte der herrschenden Klasse Britanniens zwischen der EU und den USA. Die Sache ist längst entschieden – und war es schon vor der Brexit-Abstimmung vom 23. Juni 2016.

Spätestens seit dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale vom Sommer 1935 haben die Kommunistinnen und Kommunisten gelernt, dass die herrschenden Klassen der kapitalistischen Nationen keine monolithischen Blöcke sind. Diese Einsicht konkretisierte sich in der von Georgi Dimitroff vorgetragenen Analyse, der Faschismus an der Macht sei „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Die Anwendung des analytischen Instruments, das Dimitroff so meisterlich beherrschte, besagt für heute: In einer Reihe von imperialistischen Ländern haben im Lager der Herrschenden Machtkämpfe um die zukünftige Orientierung des politischen, ökonomischen und letztlich militärischen Kurses stattgefunden, die sich im Kern um die Frage drehten und drehen, wie sie nach dem Besiegen der 1989 erledigten Herausforderung „Sowjet­union und Warschauer Pakt“ mit der neuen Herausforderung „China, verbündet mit Russland“ umgehen sollen.

Dem Eton-Schüler Johnson, der eine tief reaktionäre „Regierung gegen die Arbeiterklasse“ (Ben Lunn aus Glasgow in der UZ vom 2. August) zusammengeschoben hat, braucht niemand durch „Buhlen“ auf die Seite der „am meisten imperialistischen Elemente“ des Kapitals zu ziehen – er steht dort quasi seit seiner Geburt. Was sich in den letzten Jahren in den USA und dem Vereinigten Königreich als den etabliertesten und in zwei Weltkriegen siegreichen imperialistischen Stammnationen abgespielt hat, ist im Kern recht einfach: Im Lager ihrer herrschenden Klassen haben sich die „am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente“ durchgesetzt, die sich für einen scharfen Konfrontationskurs gegen den Herausfordererblock China/Russland entschieden haben. Aus ihrer Sicht ist die von Deutschland beherrschte Europäische Union ein unsicherer Kantonist – und unsichere Kantonisten sind in zugespitzten Konfrontationen eher hinderlich als förderlich. Also sollten die Taue, die das Vereinigte Königreich an diesen unsicheren Kantonisten fesselten, gekappt werden – möglichst sogar mit Zustimmung der Bevölkerung. Das und nicht etwa ein plötzlicher Anfall von basisdemokratischer Urgesinnung war der eigentliche Zweck der Abstimmung vom Juni 2016.

Johnson und Trump haben sich aufgemacht, eine gerade Furche zu ziehen gegen China, Russland und alle Schwankenden, auch um den Preis des großen Krieges willen.

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"Gerade Furche Richtung Krieg", UZ vom 23. August 2019



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