Glaubst du die Russen wollen Krieg?

Wera Richter über den unvollständigen Streifzug durch Aufrufe zu den Ostermärschen 2018

Am kommenden Wochenende beginnen in Potsdam und Leipzig die ersten Ostermärsche und -kundgebungen. In der Woche drauf werden erneut in mehr als 100 Städten in diesem Land Demonstrationen, Radtouren, Wanderungen und viele andere Osteraktionen für den Frieden stattfinden.

Neben regionalen Schwerpunkten stehen in den Aufrufen für die Osteraktionen zwei Forderungen im Mittelpunkt: „abrüsten statt aufrüsten“ und das Verbot von Atomwaffen einschließlich des Abzugs der US-Atomwaffen aus Büchel in Rheinland-Pfalz. Mit diesen Themen knüpft die Friedensbewegung unmittelbar an den Interessen der Menschen im Land an. Sie entlarvt zugleich die Heuchelei insbesondere der SPD im Bundestagswahlkampf und bei den GroKo-Verhandlungen.

Der Koalitionsvertrag bekennt sich klar zur Aufrüstungsvereinbarung der NATO auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und während der SPD-Kanzlerkandidat im Wahlkampf versprochen hatte, sich in einer neuen Regierung für den Abzug der US-Atombomben aus Büchel einzusetzen, steht im Koalitionsvertrag das glatte Gegenteil. Die Bomben sollen bleiben und „modernisiert“ werden.

Runter mit der Rüstung; Atomwaffen raus aus Deutschland – das sind Themen mit denen die Friedensbewegung mobilisieren und Erfolge erzielen kann. Die DKP wird mit der Sammlung von 30 000 Unterschriften unter den Appell „abrüsten statt aufrüsten!“ bis zu ihrem Pressefest im September und der neuerlichen Blockade des Atomwaffenstützpunktes Büchel (18.–22. Juli) im Rahmen der Aktionswochen der Friedensbewegung ihren Teil dazu beitragen.

Zu einem Thema machen die Ostermarschaufrufe sicher aus unterschiedlichen Gründen unterschiedliche oder gar keine Aussagen: Wie hält es die Friedensbewegung mit Russland?

„In Europa spitzt sich die Konfrontation zwischen NATO und Russland durch gefährliche Militärmanöver und Truppenaufmärsche zu“, heißt es wertfrei im Aufruf zum bundesweit größten Ostermarsch Ruhr- und Rheinland. „Die Spannungen zwischen der NATO und Russland können zum Krieg in Europa und weltweit eskalieren“, notieren die OstermarschiererInnen aus Mainz und Wiesbaden.

Andere Aufrufe sind deutlicher. So heißt es in Bremen: „Schluss mit den militärischen Drohgebärden gegen Russland, Abzug der Bundeswehreinheiten aus Litauen.“ Die Friedensfreunde aus Frankfurt am Main fordern „eine Entspannungspolitik gegenüber Russland anstatt Säbelrasseln und Wirtschaftssanktionen.“

Die Berliner Friedenskoordination (Friko) gibt der Frage größeren Raum. Unter der Überschrift „Russland wird wieder als Bedrohung aufgebaut“ stellt sie vor allem Fragen:

  • Steht Russland angriffsbereit an den Grenzen der westlichen Industrieländer?
  • Hat Russland einen Raketenabwehrschirm aufgebaut?
  • Erneuert Russland seine Atomwaffen und stellt sie den USA vor die Nase?

Diese Fragen können klar mit Nein beantwortet werden. Weiter schreibt die Friko: „Aber die NATO steht schon an den Grenzen Russlands und hält dort Manöver ab, hat viermal so viel Soldaten wie Russland, gibt zehnmal so viel für das Militär aus … Deshalb wollen wir, dass Bundeswehr und NATO abrüsten. Das ist das einzig richtige Signal für vertrauensbildende Maßnahmen und eine Politik der Entspannung!“

Diese Positionierung hat dazu geführt, dass der Landesvorstand der Berliner Linkspartei die Unterstützung des Aufrufes abgelehnt hat, während die Kommunistische Plattform und eine Reihe von Berliner Bezirksgruppen der Linkspartei zu den Unterstützern gehören.

Der Berliner Ostermarschaufruf hat bewirkt, dass in der Stadt eine notwendige Debatte mit Bündnispartnern sachlich und an Fakten orientiert geführt wird. Sie ist nötig, um die Propaganda zu durchkreuzen, dass Aufrüstung und Kriegspolitik, dass die Führung der NATO-Speerspitze in Osteuropa durch die Bundeswehr nötig seien, um „uns“ vor den bösen Russen zu schützen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Russland muss vor der NATO geschützt werden.

In diesem Sinne: Heraus zu den Ostermärschen! Schluss mit der NATO-Aggression!

Alle Termine unter:

www.friedenskooperative.de

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Glaubst du die Russen wollen Krieg?", UZ vom 16. März 2018



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