Holger-Czukay-Preis der Stadt Köln an Floh de Cologne verliehen

Glückwunsch, liebe Flöhe

Gerammelt voll war es am Dienstagabend vergangener Woche im Kölner Club Bahnhof Ehrenfeld. Verliehen wurde dort der Holger-Czukay-Preis für Popmusik der Stadt Köln. Dass in diesem Jahr neben der lokalen Politprominenz (unter anderem in Form der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Rekers) und der Kölner Musik- und Kulturszene auch der eine Kommunist oder die andere Kommunistin da waren, lag weder an „Klee“, die den Hauptpreis bekamen, noch an Ray Lozano, die den zum ersten Mal ausgelobten Zukunftspreis bekam, sondern an den Trägern des diesjährigen Ehrenpreises: „Floh de Cologne“.

„Von 1966 bis 1983 schufen Floh de Cologne ein beeindruckendes Oeuvre, das heute als wichtiges Vermächtnis einer politisch engagierten Musikgruppe dasteht. Floh de Cologne waren jedoch mehr als eine Rockband“, so heißt es in der Begründung der Jury. „Sie machten Theater, Fernsehsatire, Kabarett, Filmmusiken, Diskussionsrunden und vieles mehr. 1970 produzierte die Gruppe die erste deutsche Rock-Oper ‚Profitgeier‘. Für ihre sechste LP ‚Mumien. Kantate für Rockband‘ gestaltete der Alien-Erfinder HR Giger ein drastisch-düsteres Cover, das zum Pop-Kanon gehört. In ihrer Musik sprengten Floh de Cologne beharrlich die Genres, erlaubt war, was die Message transportierte und akzentuierte. (…) Floh de Cologne waren ihrer Zeit voraus, eckten an und begeisterten zugleich. Dies führte sowohl zu zerstochenen Autoreifen als auch zum Deutschen Kleinkunstpreis (1980).“

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Laudator Dietmar Dath (Foto: Melina Deymann)

Die politische Haltung von Floh de Cologne, die in der Begründung der Jury etwas verklausuliert daherkommt, führte zu deutlich mehr als zu zerstochenen Reifen und einem Kleinkunstpreis: Da waren Ermittlungsverfahren, Konzertabsagen und satte 19 Strafanzeigen, da war aber vor allem eine Generation deutscher Jugendlicher, die sich dank „Lucky Streik“ und anderer Platten in dem Bewusstsein wiederfanden, dass sie sich wehren müssen, wenn sie nicht untergehen wollen. Gegen Jugendarbeitslosigkeit, gegen den Chef, der den Lehrling den Hof fegen lässt, gegen die Profitmacherei, gegen den Klassenkampf von Oben. Und die Hörerinnen und Hörer der Flöhe begriffen, dass alle die kleinen Kämpfe, die man zu Hause gewinnt oder auch nicht, nichts sind ohne den großen gemeinsamen und ohne die internationale Solidarität. Das Besondere an „Mumien“ ist nicht das beeindruckende Giger-Cover, sondern die Darstellung des Putsches gegen das chilenische Volk, seiner Vorgeschichte und Hintermänner in nur 37 Minuten – und der Aufruf, sofort aktiv zu werden.

Dass die eingängigen Texte der Flöhe bis heute mitreißen, zeigte sich auch bei der Preisverleihung. Bei dem kleinen Film, in dem Floh de Cologne und ihr Werk näher beleuchtet wurden, ging an einer Stelle ein besonders lautes Johlen durch den Saal: „Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt. Der Arbeiter heißt Arbeiter, weil er arbeitet. Würden die Arbeiter was unternehmen, müssten die Unternehmer arbeiten.“ Es waren nicht nur die anwesenden Kommunisten, die an der Stelle laut klatschten.

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Dieter Klemm bei der Dankesrede (Foto: Melina Deymann)

Den Einfluss, den „Floh de Cologne“ mit ihrer Musik auf den Lebensweg vieler genommen hatten, merkte man nicht nur der Begeisterung des musikalischem Überraschungsgasts Klaus der Geiger an. Auch Laudator Dietmar Dath, extra für die „Flöhe“ nach Köln gekommen, hatte CDs in der Hand, die er eindeutig nicht erst gestern gekauft hatte. Und genau wie die anderen Kommunistinnen und Kommunisten war er gerührt, als sich Dieter Klemm, der die Dankesrede für die „Flöhe“ hielt, nicht nur an die Frau Oberbürgermeisterin, die Jury, an die Freundinnen und Freunde wandte, sondern ganz gezielt auch an „liebe Genossinnen und Genossen“.

Es war ein fröhlicher Abend in Köln, an dem sich die drei anwesenden „Flöhe“ zu Recht ein bisschen haben feiern lassen. Ganz geheuer war ihnen das aber nicht. In seiner Dankesrede zeigte sich Klemm überrascht, „von der Obrigkeit geehrt zu werden“, denn „wir waren dem gesamten kapitalistischen System nicht in Freundschaft verbunden“.

Diejenigen, die diesem kapitalistischen System eben sowenig abgewinnen können, die, die es bekämpfen, werden „Floh de Cologne“ verbunden bleiben. Deshalb auch noch mal von dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch!

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Glückwunsch, liebe Flöhe", UZ vom 1. Dezember 2023



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