Nazis greifen in Wien antifaschistische Kundgebung an – Polizei hilft mit

Hand in Hand

Bella Gruber, Wien

Am 7. März kam es am Karlsplatz in Wien zu einem Angriff der Identitären Bewegung (IB) auf eine angemeldete Kundgebung der Sozialistischen Jugend Wien (SJ). Unter ihnen der IB-Kader Martin Sellner, Jakob Gunacker, Sprecher der neuen IB-Frontgruppe „Die Österreicher“, sowie der Wiener Immobilienmakler Christian Charous, welcher der IB zahlreiche Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Während Gunacker Pfefferspray gegen die Antifaschistinnen und Antifaschisten einsetzte, war Charous mit einem Klappmesser bewaffnet und griff gezielt einen der Aktivisten an, schlug ihm mehrmals in den Rücken und fixierte ihn auf dem Boden, bis die Polizei am Karlsplatz ankam. Wenig später lief er von hinten in die Kundgebung und schlug auf die Aktivistinnen und Aktivisten ein.

Die Polizei stand tatenlos daneben und hat nicht, wie es ihre Aufgabe wäre, versucht, die antifaschistischen Demonstrierenden zu schützen. Im Gegenteil, sie hat die Demonstrierenden rund um die SJ von ihrem Stand abgedrängt und die Mitglieder der IB unter Schutz zu ihrer Kundgebung an der griechischen Botschaft eskortiert. Charous wurde zwar, nachdem er von den Aktivistinnen und Aktivisten der Polizei übergeben wurde, abgeführt, aber kurze Zeit später wieder freigelassen, trotz des bewaffneten Angriffs. Zur Kundgebung vor der griechischen Botschaft, die unter dem Motto „Solidarität mit den Verteidigern Europas“ abgehalten wurde, hatten „Die Österreicher“ aufgerufen. Da beim Angriff ihr Mikrofon kaputt gegangen war, war von ihnen allerdings nicht viel zu hören, deutlich lauter waren die etwa 150 Gegendemonstrierenden. Im Anschluss an die Kundgebung bewegte sich ein Teil der Identitären Bewegung weiter zum Karl-Lueger-Platz, um dort eine Kundgebung in Gedenken an Karl Lueger, der erste Wiener Bürgermeister und bekennender Antisemit, durchzuführen. Lueger wurde von Hitler als eines seiner größten Vorbilder bezeichnet. Zu diesem Gedenken aufgerufen hatte der Wiener Akademikerbund, frühere Vorfeldorganisation der ÖVP, zusammen mit der rechtsradikalen Gruppe Okzident des ehemaligen Pegida-Chefs Georg Nagel. Auf dem Weg zum Lueger-Platz wurden die antifaschistischen Demonstrierenden mehrfach von der Polizei eingekesselt. In einer kleinen Seitenstraße nahe des Karlsplatzes wurden sie über eine halbe Stunde festgehalten.

Die Kundgebung konnte aufgrund der Blockade des Denkmals und der weiteren Umgebung durch die Antifaschistinnen und Antifaschisten nicht stattfinden. Nach einer halben Stunde versuchte sich die Polizei an ersten Räumungsversuchen, um das Denkmal für die Nazis freizumachen. 30 Menschen formierten daraufhin eine Sitzblockade vor dem Denkmal. Die Polizei forderte sie dazu auf, den Platz umgehend zu verlassen. Die Blockade blieb bestehen. Die nächsten Minuten waren von einer unangenehmen Stille geprägt. Zu vermuten ist, dass die Polizei überlegte, wie sie die Situation ohne hässliche Bilder lösen könne, da in diesem Moment der ORF mit einem Kamerateam bereitstand. Plötzlich wurden alle Journalisten abgedrängt und die Polizei begann mit der gewaltsamen Räumung der Blockade. Mehrere Antifaschistinnen und Antifaschisten wurden teils brutal verhaftet. Eine Frau wurde von fünf Polizeibeamten auf den Boden gedrückt, ihre Mütze wurde ihr ins Gesicht gezogen. Unter Schmerzensschreien wiederholte sie, dass ihr Daumen gebrochen sei. Die Situation eskalierte weiter, als die Polizei mit Hunden in die Demo lief und Aktivistinnen und Aktivisten aggressiv zurückdrängte.

Bereits im Vorfeld kam es bei Protestaktionen gegen den rechtsextremen Professor Höbelt an der Hauptuniversität zu Überfällen von Mitgliedern der IB auf Antifaschistinnen und Antifaschisten sowie zu einem massivem Polizeieinsatz gegen Studierende bei einer Besetzung des Festsaals der TU Wien im Zuge der hochschulübergreifenden Initiative „Uns reicht‘s“.

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"Hand in Hand", UZ vom 13. März 2020



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