Gräuelpropaganda gegen Waffenruhe

Hart aber schwer zu glauben

Kolumne

Am 25. Februar war in Berlin eine große, von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht initiierte Demonstration für Waffenstillstand statt Waffenlieferungen in die Ukraine. „Hart aber fair“ wollte das am 27. Februar diskutieren. Hunderttausende, die auf der Kundgebung waren oder die Übertragung verfolgten, hoffen, eine breit getragene Friedensbewegung könne erneut entstehen. Der Zweck der Sendung von „Hart aber fair“ war, solche Hoffnungen und die Initiatorinnen in Misskredit zu bringen.

Nach geltendem Framing sind Proteste gegen den Regierungskurs als „rechtsoffen“ darzustellen. Moderator Klamroth persönlich suchte auf der Demo am 25. Februar nach Rechten. Er fand scharfe Kritiker der Medien und „Menschen, die einfach Frieden wollen“. In der Sendung versuchte er vergebens, der vorgeladenen Sahra Wagenknecht den Begriff „Lügenpresse“ zu entlocken, der von rechts gekapert worden ist. Laut Wilhelm ­Piecks Tagebuchnotizen prangerten die bewaffneten Berliner Arbeiter, die im Januar 1919 das Berliner Zeitungsviertel besetzten, die Pogromhetze bürgerlicher Blätter gegen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als „Lügenpresse“ an.

Als Ko-Anklägerinnen gegen Wagenknecht hatte sich Klamroth Frau Strack-Zimmermann vom Präsidium des Förderkreises Deutsches Heer und Frau Göring-Eckardt von den Grünen zur Seite geholt. Beide breiteten gröbste Gräuelnarrative der ukrainischen Staatspropaganda aus. Erkennbar war das Ziel, mittels Schockwirkung und emotionalem Aufruhr Putin als Inbegriff des Bösen zu malen, mit dem man nur verhandeln könne, wenn er kapituliere. Wieso der Bösewicht dennoch so vernünftig und verantwortungsbewusst sein soll, in der Not auf den Atomwaffeneinsatz zu verzichten, fragte keiner. Die emotionale Schockstrategie schaltet logisches Denken aus.

Wenn hiesige Medien über Ukrainer und die Ukraine reden, geht es fast immer um die Westukraine und um Selenskis Anhang. Nach Abzug der Truppen Kiews aus Lyssytschansk sagte eine Frau: „Sie behandelten uns nicht als Menschen, sondern als Schatten.“ So verfährt auch Strack-Zimmermann. Sie spricht über die Flüchtlingskrise und unterschlägt, dass laut UNHCR 2,85 Millionen Ukrainer nach Russland geflohen sind. Russland ist das Land mit dem höchsten Anteil an Ukraine-Flüchtlingen, gefolgt von Polen mit 1,56 Millionen und der BRD mit 1 Million.

Wie wird die Menschenrechtslage in den seit 2014 von verfeindeten Militärkräften kontrollierten Gebieten der Ukraine erfasst? Mitte 2022 wurde die Menschenrechtsbeauftragte Denisowa entlassen. Sie hatte Vergewaltigungsvorwürfe gegen Russen erfunden. Westmedien und UNO hatten ihre Lügen kritiklos übernommen. Neonazi-Verbrechen wie die Morde von Odessa 2014 wurden seitens ­Kiews nie geahndet.

Göring-Eckardt verstieg sich zur Lüge, Russland wolle die „ukrainische Kultur auslöschen“. Als ob nicht seit 2014 in von Kiew kontrollierten Gebieten russische Denkmäler, von Puschkin bis Lenin, gestürzt und russische Bücher, von Dostojewski bis zum Mathematikbuch, verbrannt worden wären. Auf der Krim kann man Ukrainisch als Schulfach wählen, in der Westukraine aber kein Russisch, obwohl 40 Prozent der Ukrainer im Alltag Russisch sprechen. Russlandfreundliche Organisationen, Medien, Kulturschaffende werden seit 2014 unterdrückt und verfolgt.

Gibt es für Göring-Eckardt ukrainische Kultur ohne Bandera-Kult? Fotos auf Twitter zeigen die Grüne in freudiger Umarmung mit Maksym Marchenko, Ex-Kommandeur des von Neonazis geführten Aidar-Batallions. Auf anderen Fotos posiert der von Klamroth zugeschaltete ukrainische Oberstleutnant Osatschuk vor Bildern und Statuen Banderas. Bandera-Fans und Bandera-Verharmlosende belehren die Friedensbewegung über „Rechtsoffenheit“? Bis zum 8. März unterschrieben 750.000 das von Wagenknecht und Schwarzer initiierte „Manifest“. Der nächste Schritt gegen die Kriegseskalation sind starke Ostermärsche!

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Über die Autorin

Beate Landefeld (Jahrgang 1944) ist Hotelfachfrau und Autorin.

Landefeld studierte ab 1968 Literaturwissenschaft und Soziologie an der Universität Hamburg, war Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses, Mitbegründerin des MSB Spartakus. 1971-1990 war sie im Parteivorstand der DKP, 1977-1979 Bundesvorsitzende des MSB Spartakus, später auf Bezirks- und Bundesebene Funktionärin der DKP.

Landefeld ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter. 2017 veröffentlichte sie bei PapyRossa in der Reihe Basiswissen das Buch „Revolution“.

Für die UZ schreibt Landefeld eine monatliche Kolumne.

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"Hart aber schwer zu glauben", UZ vom 10. März 2023



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