CSU feiert ihren letzten Helden ab

Immer die Hand aufgehalten

Von Rolf Priemer

Die CSU hat sich über die Medien nach langer Zeit mal wieder in Szene setzen können. Es war etwas still geworden um die bayerische Volkspartei. Denn ihre beiden Trumpfkarten aus dem Bundestagswahlkampf 2013 stechen bisher nicht. Die eine, das von ihr vielgepriesene Betreuungsgeld, endete mit dem Urteil „grundgesetzwidrig“ des Bundesverfassungsgerichts. Dem anderen Trumpf, der Maut, droht ein ähnliches Aus, diesmal sogar durch den Europäischen Gerichtshof. Da musste jetzt eine Totenehrung herhalten, um öffentliche Beachtung des kleinen Koalitionspartners der GroKo und der bayerischen Staatspartei zu finden. Der Mann, der in München am 4. September 2015 überschwänglich gefeiert wurde, hieß Franz Josef Strauß, der vor 100 Jahren geboren wurde. Er verstarb bereits im Alter von 73 Jahren auf dem Wege zu einem Jagdausflug beim Ausstieg aus einem Privathubschrauber. Was für die schwarzen und erzreaktionären Politiker bestürzend war, war von vielen anderen mit Erleichterung aufgenommen worden. Denn dieser Mann gehörte zweifelsohne zu den gefährlichsten Machtpolitikern der Bonner Republik.

Strauß prägte über drei Jahrzehnte die politische Entwicklung und Ausrichtung der Bundesrepublik Deutschland. 1953 wurde er jüngster Bundesminister in der Regierung Adenauer und war für besondere Aufgaben zuständig. 1955 wurde er Minister für Atomfragen und engagierte sich mit voller Kraft für die Atompolitik und – 1956 als Verteidigungsminister – für die militärische Nutzung von Atomwaffen durch die Bundeswehr. Bis 1962 übte er dieses Ministeramt aus. Dem „Spiegel“ warf er 1962 Geheimnisverrat und „Landesverrat“ vor, ließ widerrechtlich deren Redaktionsräume besetzen und Redakteure verhaften und blieb schließlich aufgrund der unhaltbaren Vorwürfe und Taten sowie der außerparlamentarischen Proteste zunächst selbst auf der Ministerstrecke. 1966 wurde er als Finanzminister in der ersten GroKo angeheuert, saß neben Kanzler Kurt-Georg Kiesinger, einem Altnazi, und Willy Brandt am Tisch im Kanzleramt. Nach dem Amtsantritt der SPD/FDP-Koalition 1969 bekleidete er kein Ministeramt mehr. 1978 ging er zurück nach Bayern und regierte dort bis zu seinem Tode als Ministerpräsident. Unter einem Bundeskanzler namens Helmut Kohl, den er geringschätzig als „Filzpantoffel-Politiker“ und als „Provinzpolitiker“ bezeichnete, wollte er ab 1982 kein Minister werden.

„Rechts von uns darf es nur eine Wand geben“

Mit dem Namen Strauß ist nicht nur eine erzreaktionäre Politik im Westen Deutschlands verbunden. Breiten Raum nahmen in der öffentlichen Darstellung während seiner gesamten Tätigkeit umstrittene Rüstungsgeschäfte, seine jahrelangen Zuwendungen von Unternehmern und nicht zuletzt seine skandalösen Äußerungen ein. Eine besondere Zuwendung widmete Strauß der Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, die er mit ganzer Kraft vorantrieb. Da ging es beispielsweise 1957 um den Schützenpanzer HS-30, den die spanische Firma Hispano-Suiza liefern sollte. Doch der Panzer, den Strauß gleich en gros bestellte, war noch gar nicht gebaut worden – es gab nur ein von einem deutschen Tischler gefertigtes Holzmodell. Alle Warnungen, dass das Modell nicht ausgereift sei, schlug Strauß in den Wind, einschließlich der Hinweise auf die Zahlung von Bestechungsgeldern an deutsche Politiker.

Im selben Jahr ging es um die Bestellung des berüchtigten Abfangjägers „Starfighter“ der US-Firma Lockheed. Er orderte die Flugzeuge und verlangte, dass sie zum Träger von Atomwaffen umgerüstet werden sollten. Doch das Flugzeug, das nach Angaben von Experten nicht zu Ende konstruiert worden war, bekam bald den makabren Titel „Witwenmacher“. Die Bundeswehrpiloten kamen mit dem schnellen Jäger einfach nicht zu Rande: 269 Maschinen stürzten im Laufe der Jahre bei Übungsflügen ab, 116 Piloten kamen ums Leben. Erst 20 Jahre später wurde bekannt, dass die Firma Lockheed weltweit Politiker bestochen hatte. Strauß konnte man nichts anlasten: Akten aus seiner Zeit als Verteidigungsminister waren vernichtet worden. Dennoch wurde bekannt, dass in den 60er Jahren von der Firma Lockheed 10 Millionen US-Dollar in die Parteikassen der CSU geflossen sind.

Der Journalist Peter Siebenmorgen, der aktuell eine Strauß-Biografie vorbereitet, legt offen, wie Strauß seit 1964 seinen Reichtum mehrte. Unternehmen der Flick-Gruppe griffen für Beratungstätigkeiten ebenso tief in die Taschen wie BMW, Bertelsmann, Daimler-Benz, Dornier und Film-Unternehmer Kirch. Die Zuwendungen seien bis in die Achtziger Jahre geflossen. Ein anderer Strauß-Kenner, der frühere SZ-Journalist Michael Stiller, hat bereits vor fünfzehn Jahren festgestellt: „Der Freund der Industrie nahm, was er kriegen konnte und er bekam reichlich – für die CSU und für sich selbst. Die Grenzen waren bei ihm fließend, und seinen ergebenen Anhängern war das ziemlich egal.“ Unumwunden gibt auch die CSU selbst in einer Broschüre zu: „Der Mehrung seines Vermögens gibt er sich mit demselben Eifer hin, den er in der Politik walten lässt.“

Dieser Politiker hatte einen festen politischen Standort: „Rechts von uns darf es nur eine Wand geben“. Und Recht behalten, wollte er immer. Nicht nur anlässlich der berüchtigten Veranstaltungen „Politischer Aschermittwoch“ in Passau, bei denen ihm Tausende Anhänger zujubelten – auch in unzähligen Parlamentsdebatten und auf Wahlkundgebungen, schlug er hart auf seine politischen Gegner ein. Oft waren Sozialdemokraten darunter, O-Ton Strauß: „Irren ist menschlich, immer irren ist sozialdemokratisch!“

Immer Zielscheiben hingegen waren Kommunisten, Sozialisten und andere Linke sowie Intellektuelle und der Sozialismus. Er hatte ein großes Repertoire für seine Angriffe, Verleumdungen und Verunglimpfungen parat. Er scheute sich nicht, den Schriftsteller Bernt Engelmann wegen dessen Büchern über die Republik mal „Ratte“ oder ein andermal „Schmeißfliege“ zu nennen. Natürlich begrüßte der damalige Adenauer-Minister das 1956 erfolgte Verbot der KPD und tat sich schwer mit der Konstituierung der DKP. Strauß wurde von den Kommunisten immer entschieden bekämpft. Mit der Existenz sozialistischer Länder oder mit fortschrittlichen demokratischen Entwicklungen in der Welt wollte er sich nie abfinden. Als er nach dem Militärputsch der Pinochet-Junta Chile besuchte gab er Auskunft über seine Sichtweise: „Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen wieder einen süßen Klang.“ Im Jahr 1977 sorgte das Mörderregime angesichts dieser Nettigkeiten für die Verleihung der „Ehrendoktorwürde“ der Universität von Santiago de Chile an Herrn Minister a. D. Dr. Franz Josef Strauß.

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"Immer die Hand aufgehalten", UZ vom 11. September 2015



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