Gas- und Strompreisdeckel sind vor allem Profitsicherungsgesetze

Jeder irgendwann ein bisschen

Ruhig ist die Vorweihnachtszeit im Berliner Politbetrieb dieses Jahr wahrhaftig nicht. Nach dem Bürgergeld hat der Bundestag den sogenannten Gaspreisdeckel verabschiedet und das Bundeskabinett den Strompreisdeckel auf den Weg geschickt.

Der Gaspreisdeckel soll im März umgesetzt werden, aber rückwirkend gelten, und funktioniert im Kern als staatlich subventionierte Profitsicherung für Gasversorger. Gaskunden sollen befristet bis zum April 2024 auf der Grundlage ihrer Gasabrechnung vom September dieses Jahres 80 Prozent ihres Verbrauchs für 12 Cent pro Kilowattstunde bekommen – bei Fernwärmekunden liegt der Deckel bei 9,5 Cent. Die Versorger bekommen das, was „der Markt“, das sind zur Zeit vor allem die US-amerikanischen Energiekonzerne, die Flüssiggas nach Deutschland verkaufen, von ihnen verlangt. Der Bund schießt die Differenz zu – übliche Profitmargen eingeschlossen. Dieses Profitsicherungsgesetz für Gaskonzerne wird zunächst auf Pump finanziert, indem die Bundesrepublik Deutschland auf den internationalen Kapitalmärkten allein für diese Maßnahme schätzungsweise 33 Milliarden Euro Schulden macht, die dann über die kommenden Jahre und Jahrzehnte mit den Steuereinnahmen abgestottert werden. Ersparnis für eine Durchschnittsfamilie mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden: rund 1.000 Euro.

Ähnlich soll auch die Strompreisbremse funktionieren und auch für sie kalkuliert die Bundesregierung mit Kosten von 33 Milliarden Euro. Nach den Berechnungen wird die Entlastung für eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 5.000 Kilowattstunden auf der Basis der aktuellen Strompreise gut 300 Euro im Jahr sparen.

Gas- und Strompreisbremse sollen also für die viel beschworene Durchschnittsfamilie monatlich rund 100 Euro Entlastung bringen. Ob das die arg strapazierten Familienbudgets wirklich entspannt, ist zu bezweifeln.

Bei der Umsetzung wird es hakelig werden. Susanne Huneke, Vertriebsleiterin beim Energieversorger Vattenfall, wird in der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 28. November mit der Aussage zitiert, sie habe aufgegeben, die vielen Gesetze und Verordnungen noch zu zählen, die sie umsetzen müsse. Angesichts der vielen Sonderregelungen für Betriebe könne die Umsetzung nicht automatisiert erfolgen. Jeder werde irgendwann sein Geld bekommen, aber es werde Zeit kosten und es würden Fehler passieren. Das wird ein Jahreswechsel nicht der Bescherungen, sondern des Kopfschüttelns, Haareraufens und Hoffens werden.

Spürbar mehr Eifer als in die Abfederung der Folgen des Wirtschaftskrieges für Lohn- und Rentenbezieher legt die Bundesregierung zurzeit bei der Abwehr auch der geringsten Zumutungen an die Gewinnmargen der Energiekonzerne an den Tag. Die auf europäischer Ebene vor allem zur Beruhigung der Öffentlichkeit beschlossene Mini-Gewinnsteuer für die horrenden Profite der Gas- und Ölkonzerne soll in Deutschland noch weiter verkleinert werden: Abgeschöpft werden nach den Plänen des Bundesfinanzministers lediglich 33 Prozent der Gewinne, die um mindestens 20 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 liegen. Das, so ließ das Ministerium zur Beruhigung der Vorstandsebenen verkünden, betreffe nur eine niedrige zweistellige Zahl besonders profitabler Unternehmen und die Einnahmen lägen wohl irgendwo zwischen einer und drei Milliarden. Damit würden Energiekonzerne nur für knapp 5 Prozent der Kosten der Gas- und Strompreisbremsen zur Kasse gebeten.

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"Jeder irgendwann ein bisschen", UZ vom 2. Dezember 2022



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