Im Schatten des Krieges wächst die Kluft zwischen Arm und Reich

Kalte Wohnungen in einem reichen Land

Vor einem Jahr blickten die Menschen sorgenvoll auf die Wintermonate. Viele standen vor der Frage: hungern oder frieren? Mit Inflationsausgleichsprämie, Gaspreisbremse und weiteren Almosen konnte die Ampel die Gemüter beruhigen. Die Gewerkschaften gaben sich mit Brosamen und einem Aktionstag zufrieden. Betroffen waren vor allem die Armen, die ohnehin im Abseits stehen. Das hatte auch mit sinkenden Ölpreisen und milden Temperaturen zu tun. Für den kommenden Winter kündigt sich nun die nächste Runde sozialer Kälte an in einem der reichsten Länder der Welt.

Zwar verlängerte die Regierung die „Gaspreisbremse“ bis April 2024, die Effekte drohen aber zu verpuffen, meldete das „Vergleichsportal Check 24“. Die zum Jahreswechsel geplante Wiederanhebung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent werde zu einer Mehrbelastung „unterm Strich“ von rund 200 Euro pro Jahr und Haushalt führen. Die Preise für Benzin und Diesel, die vor einem Jahr gesenkt wurden, steigen derzeit in Richtung der 2-Euro-Marke. Und an den Supermarktkassen müssen die Menschen für immer weniger immer tiefer in die Tasche greifen. Die Lebensmittelkonzerne erhöhten die Preise im September erneut um 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Vier von zehn Bundesbürgern haben laut einer Umfrage im Auftrag von „Teambank“ weniger Geld zur freien Verfügung als vor einem Jahr – fast jeder fünfte gibt an, dass die nicht für Fixkosten verplanten Mittel „sehr viel geringer“ seien als im vergangenen Herbst.

Das alles sind Werte und Berechnungen aus der Zeit vor der Eskalation im Nahen Osten. Die Riesenkoalition im Bundestag hat sich bedingungslos an die Seite Israels gestellt. Nach den Milliarden, die in den Krieg gegen Russland in der Ukraine gepumpt wurden, werden jetzt Milliarden für den Krieg gegen den Nahen Osten fließen. Brosamen für die Massen sind nicht mehr vorgesehen.

Wer hingegen zum engen Wählerstamm der „Grünen“ und der FDP gehört, wird bedacht. Grundvoraussetzung: Eigenheim, Elektroauto, schnelles Internet und Wissen um die richtigen Klicks bei den grün-gelben Förderprogrammen. Mehr als 10.000 Euro waren abzusahnen für den „Einbau einer Ladestation für Elektroautos“ – die 200 Millionen waren schon am ersten Tag weggefischt. Noch schneller ging es mit dem Förderprogramm für klimaeffiziente Neubauten – die Milliarde war nach zwei Stunden „ausgekehrt“, wie es im Haushaltsdeutsch heißt.

So vergrößern Waffenlieferung für Waffenlieferung und Klientelprogramm für Klientelprogramm die soziale Kluft im Lande.

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"Kalte Wohnungen in einem reichen Land", UZ vom 27. Oktober 2023



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