Kapital-Gazette mit Moral?

Rainer Perschewski über Betriebsräte-Vergütung

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ titelte letzte Woche „Untreue-Verdacht gegen mächtigen VW-Betriebsratschef Osterloh“. Hintergrund ist, dass der VW-Betriebsrat Bernd Osterloh laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ eine Vergütung in Höhe eines Managergehalts bezieht und diese unrechtmäßig zustande gekommen sei.

Nun ist VW schon häufiger Gegenstand vergleichbarer Berichterstattung gewesen, das sollte nicht reflexartig übergangen werden. Vor allem auch deshalb nicht, weil es sich bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ um eine Kapital-Gazette handelt und mit Sicherheit nicht um ein Organ, das Betriebsräten und Gewerkschaften wohlgesonnen ist. Also ist die Berichterstattung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erst einmal zu hinterfragen.

Zur Sache: Die Vergütung der Betriebsräte ist rechtlich klar geregelt, denn ein Betriebsrat darf durch seine Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Das Betriebsverfassungsrecht und die dazugehörige Rechtsprechung sind hier eindeutig. Wird ein Beschäftigter beispielsweise für seine Tätigkeit als Betriebsrat freigestellt, wird klar geregelt, wie seine Vergütung zu erfolgen hat. In den meisten Betrieben wird eine Vergleichsperson seiner Qualifikation und Berufsgruppe zur Orientierung genommen und so getan, als würde der Betriebsrat sich ebenso entwickeln. Das bleibt natürlich fiktiv. Macht diese Vergleichsperson im Betrieb Karriere, wird diese Entwicklung auf den Betriebsrat übertragen. Durchläuft der Betriebsrat weitere Qualifizierungen, kann das berücksichtigt werden.

Meistens werden langjährige Betriebsräte – und das insbesondere in Großbetrieben – zu Fachspezialisten und erlangen Führungsqualitäten. In solchen Betrieben führen Betriebsratsvorsitzende oft einen riesigen Stab von Mitarbeitern.

Doch zurück zu VW: Aus IG-Metall-Kreisen ist zu hören, dass eine rechtliche Prüfung – nicht nur durch eigene Juristen – stattgefunden und diese keine rechtlichen Beanstandungen ergeben hat. Die DGB-Mitgliedsgewerkschaften beherrschen in der Regel ihr Geschäft. Insofern muss die Medienberichterstattung als Effekthascherei betrachtet werden.

Aber ist es eine rein rechtliche Frage? Ist es moralisch okay, dass ein Betriebsrat sich mit seiner Vergütung soweit von den tariflich vereinbarten Eingruppierungen für die Mitarbeiter entfernt?

Das muss im Zusammenhang mit dem Selbstverständnis von Betriebsräten diskutiert werden.

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"Kapital-Gazette mit Moral?", UZ vom 21. Juni 2019



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