Annalena Baerbock lud zum imperialistischen Kriegsrat nach Münster

Kein Frieden durch G7

Außenministerin Annalena Baerbock hatte für den 3. und 4. November ihre Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Britannien, Italien, Japan und den USA sowie den EU-Außenbeauftragten nach Münster gebeten. Am Katzentisch durften drei afrikanische Vertreter sitzen. Die Vertreter der „wirtschaftsstärksten Demokratien“ (Zeitungsjargon), der „starken Demokratien“ (Auswärtiges Amt) beziehungsweise der „starken Wirtschaftsnationen“ (Baerbock) trafen sich in dem Rathaussaal, in dem 1648 der Westfälische Frieden abgeschlossen wurde.

Frieden stand allerdings nicht auf der Tagesordnung. Nur ein Beispiel: Pünktlich zum Ende des Treffens in Münster drohte US-Kriegsminister Lloyd Austin am Freitag in Washington mit dem Ende der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK).

Entsprechend war der Auftakt in Münster: Bevor es in großer Runde losging, trafen sich Baerbock und ihr japanischer Kollege Yoshimasa Hayashi in Münster, Kriegsministerin Christine Lambrecht und deren Kollege in Tokio Yasukazu Hamada waren zugeschaltet. „dpa“ berichtete: „In Japan wurde erwartet, dass beide Seiten angesichts des auch militärisch stärker auftretenden Chinas die Stärkung der Verteidigungszusammenarbeit bestätigen werden, um einen ‚freien und offenen Indopazifik‘ zu verwirklichen.“ Es wird demnach zielstrebig an einem deutsch-japanischen Bündnis gegen Russland und China gebastelt. 1936 hieß das „Antikominternpakt“, brachte damals aber nicht den erwünschten Zweifrontenkrieg gegen die Sowjetunion.

Der Rest in Münster war Routine, soweit der gemeinsamen Erklärung zu folgen ist: Keine Erwähnung der jüngsten Provokationen Kiews, dafür viele Worte über die russischen Gegenangriffe. Die Lüge von russischen Drohungen mit Atomwaffen fehlte nicht. Vergleichsweise vorsichtig hieß es, man wolle Russland „wirtschaftliche Kosten auferlegen“. Nur Baerbock wähnt, Russland bereits ruiniert zu haben. Im Interview mit den „Westfälischen Nachrichten“ triumphierte sie am 2. November: „Die Sanktionen zeigen Wirkung. Die Fassade mag noch stehen, dahinter taumelt die russische Wirtschaft aber wie ein angeschlagener Boxer.“ Am folgenden Tag war in der „FAZ“ ein Interview mit der in Moskau lehrenden Wirtschaftsgeographin Natalja Subarewitsch zu lesen: „Einen drastischen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, den wir Ökonomen noch im Frühjahr für dieses Jahr erwartet haben, wird es nicht geben. Dafür sind die Preise für Öl und Gas zu hoch.“ Die realen verfügbaren Einkommen in Russland sinken demnach um 2 bis 3 Prozent, nach dem Untergang der Sowjetunion seien sie um mehr als das Zwanzigfache eingebrochen.

Die bundesdeutsche Presse fertigte das Treffen kurz ab und interessierte sich vor allem für das Weghängen eines Kruzifixes aus dem Konferenzsaal durchs Protokoll des Auswärtigen Amtes. Baerbock fühlte sich zu einer Stellungnahme genötigt: Es habe sich bloß um „ein Orga-Ding“ gehandelt, nicht um eine politische Entscheidung. Vorm Konferenzgebäude hatten da bereits 13 angemeldete Demonstrationen stattgefunden. Am Donnerstag Nachmittag zogen an die 2.000 Anhänger von „Fridays for Future“ in einer „Klimagroßdemonstration“ durch die Innenstadt. Zur selben Zeit protestierten etwa 5.000 Menschen auf dem Schlossplatz unter dem Motto „Kein Frieden durch G7“ gegen den Kriegsrat im Rathaus.

Am Tag nach dessen Ende berichtete die „Washington Post“, die US-Regierung habe die Ukraine insgeheim dazu aufgefordert, Friedensverhandlungen mit Russland keine pauschale Absage zu erteilen. Man wolle Kiew zwar nicht an den Verhandlungstisch zwingen, aber die Unterstützung internationaler Partner könne schwinden, wenn der Konflikt noch lange anhalte. Vor der grünen deutschen Außenministerin wirkt Washington kriegsmüde.

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"Kein Frieden durch G7", UZ vom 11. November 2022



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