Zu den Sanktionen gegen Altkanzler Schröder

Kein Hartz für Putin

Dankbarkeit sieht anders aus. Der Mann, der sich in seiner zweiten Regierung ab 2002 von den Grünen in deren Wunsch einer Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ebenso einbinden ließ wie zuvor in Fischers Fantasien eines serbischen Auschwitz, verliert einige seiner Privilegien als ehemaliger Bundeskanzler.

Eine Ironie der Geschichte: Erst der rot-grüne Jugoslawienkrieg hat Deutschland wieder auf die Bühne einer offen militärischen Aggressionspolitik zurückgebracht, die Gerhard Schröder mit ein paar richtigen Sätzen zu den Ursachen des Eingreifens der Russischen Föderation in der Ukraine gern wieder gestoppt hätte. Ein „Atlantiker“ war er eher nie, und spätestens mit dem Nein zur deutschen Beteiligung am millionenfachen Morden im Irak 2003 sank Schröders Stern. In einem Land, in dem Kriegstreiber wie Baerbock und Habeck aktuell die beliebtesten Politiker (wenigstens unter den Befragten) sind, befindet sich die Vernunft schon seit Längerem auf der Roten Liste.

Die andere Ironie: Die ebenfalls am Donnerstag letzter Woche beschlossenen EU-Strafen gegen Schröder könnten den Mann, so die Nachrichtenagenturen, „zum Bittsteller machen“, weil er in der EU dann nur noch Geld für Essen, Kleidung und Medikamente ausgeben dürfte. Der langgehegte Wunsch, Entscheider würden einmal selbst erfahren, wie die Folgen ihrer Politik sind, würde sich also einmal erfüllen – alle, die von Hartz IV leben müssen, kennen gut, was dem Altkanzler droht. Mit dem Unterschied, dass sie wohl nicht über eine – wenn auch womöglich eingefrorene – Altersrente von gut 8.000 Euro verfügen werden, die man Schröder nicht einfach streichen konnte.

Denn Pensionen und Renten sind Gegenstand einer Versicherung oder einer verbindlichen Staatszusage. Nicht verhält es sich so bei Sozialleistungen wie einem Altkanzlerbüro oder auch Hartz IV. Da ist also Spielraum: Wieviel Geld für blau-gelbe Waffen hätte man, wenn der Einsparung von Artikel 5 des Grundgesetzes (irgendwas mit Meinungsfreiheit) die Einsparung von Hartz-Leistungen an Putin-Versteher folgte? Seien wir mal ehrlich: Nur Wladimir Putin nutzt doch die bei den 3,5 Millionen Leistungsverweigerern verbreitete Abstinenz bei Wahlen, mit der die Demokratie untergraben wird. Mit etwas Geschick wären nach gut fünf Jahren die 100 Milliarden wieder drin.

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"Kein Hartz für Putin", UZ vom 27. Mai 2022



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