Eisenbahnergewerkschaft setzt auf langen Atem

Klare Kante gegen Rechtspopulismus

Von Rainer Perschewski

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte vor einigen Monaten (siehe UZ vom 12. April) einen Unvereinbarkeitsbeschluss der Mitgliedschaft in der EVG und der AfD gefasst. Dieses Vorgehen löste unterschiedliche Reaktionen aus. Dennoch schloss der Bundesvorstand im Juni dieses Jahrs zwei AfD-Funktionäre aus der Gewerkschaft aus. Innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Mitgliedsgewerkschaften wird diese Maßnahme der EVG beobachtet, nicht weil es nicht mitgetragen wird, sondern weil es ein rechtlich schwieriges Feld ist. So muss im Einzelfall der Schaden für die Gewerkschaft und der Widerspruch zu ihren Inhalten nachgewiesen werden, um vor Gericht Bestand zu haben. Kritik in Richtung der Gewerkschaften des DGB kommt vor allem auch mit dem Argument, dass es nicht nur mit formellen Schritten getan ist. Auch in der EVG besteht Einigkeit, dass es nicht dabei belassen werden kann und Aktivitäten entfaltet werden müssen, was in den letzten Jahren schrittweise erfolgt ist. Die EVG ist dabei aber in ihrer Haltung konsequent. So wurden in den vergangenen Jahren schon einige Mitglieder wegen Nazi-Aktivitäten ausgeschlossen.

„Klare Kante gegen Rechtspopulismus“, unter dieser Überschrift diskutierte die EVG Mitte des Jahres ihre Vorgehensweise. Zu dem Programm in der Gewerkschaft und im Betrieb gehörten neben der Auseinandersetzung mit der Geschichte auf politischen Seminaren und Gedenkstättenfahrten nach Auschwitz seit Jahren auch ein eigener Geschichtskreis, der sich mit verfolgten Eisenbahnern vor Ort auseinandersetzt. Jüngst wurde eine Gedenkstätte in der EVG-Zentrale in Berlin mit über einhundert Namen von unter den Nazis verfolgten Eisenbahnern eröffnet. In Berlin und anderen Orten wurden Stolpersteine initiiert. Im letzten Jahr kamen Seminare mit Argumentationstraining und der Auseinandersetzung mit den Inhalten von Rechtspopulisten hinzu. die rasch ausgebucht waren und erweitert werden mussten. Haupt- und ehrenamtliche Funktionäre durchlaufen diese Schulungen.

Auch die Bahnbetriebe und Beschäftigten stehen im Fokus. So soll der Wettbewerb in der DB-AG „Azubis gegen Hass und Gewalt“ durch das Einwirken der Betriebsräte noch inhaltlicher gestaltet werden. Hier starten Azubis unter Begleitung von Kolleginnen und Kollegen aus Betrieb und Gewerkschaften Aktionen beispielweise in der Flüchtlingshilfe, bei Sammlungen oder bei der Unterstützung der Bahnhofsmission. Auch mit den betrieblichen Mandatsträgern wird die Auseinandersetzung gesucht.

Der sozialdemokratische Eisenbahner Lorenz Breunig wurde von den Faschisten am 15. Februar 1945 im KZ Sachsenhausen ermordet.

Der sozialdemokratische Eisenbahner Lorenz Breunig wurde von den Faschisten am 15. Februar 1945 im KZ Sachsenhausen ermordet.

Die EVG will zudem deutlicher machen, was sie von den Rechten unterscheidet, welche Werte haben „Die“ und wo steht die Organisation als Gemeinschaft beziehungsweise was kann dafür getan werden. Das ist eine Rückbesinnung auf die gewerkschaftlichen Grundwerte und die Bereitschaft zur Aktion. Dazu ist über die unterschiedlichen Medien eine stärkere Kommunikation in Richtung der Beschäftigten gestartet worden.

Insgesamt kann zwar darüber gestritten werden, ob nicht eine stärkere gesellschaftliche Debatte über das Agieren von Rechten in Betrieben und Gewerkschaft geführt werden müsse, aber hier wird im Gegensatz zu früheren Reaktionen stärker auf das Agieren und längerfristige Wirkungen gesetzt. Die Vorgehensweise, zunächst stärker auf die eigenen Mitglieder und Beschäftigten im Organisationsbereich einzuwirken, ist angesichts des Wahlverhaltens von Gewerkschaftsmitgliedern bei den letzten Wahlen durchaus richtig.

Auch innerhalb des DGB ist dieser Trend nicht wirkungslos geblieben. Ein Arbeitsstab des DGB beobachtet und analysiert regelmäßig die Entwicklungen und sorgt für den Informationsaustausch. Wer aufmerksam liest, stellt fest, dass in vielen Gewerkschaften ein Prozess der Auseinandersetzung angelaufen ist, der Hoffnung macht. Für die betriebliche Arbeit ist der schon 1986 aus der DGB-Jugend gegründete Verein „Mach meinen Kumpel nicht an“ (Gelbe Hand) mit seinen Tagungen und konkreten Materialien hilfreich (siehe: www.gelbehand.de) und gelangte daher gerade in den letzten Jahren wieder zu größerer Bedeutung. Ein Blick auf die Veröffentlichungen lässt die Debatten nachvollziehbar machen.

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"Klare Kante gegen Rechtspopulismus", UZ vom 9. August 2019



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