Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern: Schäuble will durchregieren

Kredit nur gegen Sozialabbau

Von Klaus Stein

Die Quelle der Armut ist der Reichtum. Auch das Steuersystem funktioniert so. Es bevorzugt die Reichen. Lohnarbeit belastet der Fiskus stärker, Gewinne von Unternehmen und aus Vermögen werden geschont. Ein ähnliches Bild bei den öffentlichen Haushalten. Die Politik der Bundesregierung hat die Kommunen in die Schulden getrieben, nun verhandeln Bund und Länder über einen neuen Finanzausgleich. Bundesfinanzminister Schäuble fordert mehr Rechte für den Bund, um weiteren Sozialabbau durchzusetzen.

Die „schwarze Null“ gilt für den Bundeshaushalt, aber den Städten und Gemeinden wird mit den wachsenden Aufgaben ein immer größerer Teil der Kosten aufgelastet. Es wachsen die Schulden, die sie zu bedienen haben. Die Zinszahlungen der Kommunen päppeln Banken und Sparkassen. Katastrophen drohen für den Fall, dass die Zinsen steigen. Dabei ist die Armut kommunaler Haushalte gewollt. Städte und Gemeinden sollen bei der Daseinsvorsorge kürzen, Sozialabbau forcieren und ihre Einrichtungen privatisieren.

Gemeinsam schieben Bund, Länder und Gemeinden einen Schuldenberg von zwei Billionen Euro vor sich her, etwa 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der kommunale Anteil am Schuldenberg wächst. Im Jahre 2015 konnten Bund und Länder zwar 27 Milliarden Euro einsparen. Gleichzeitig aber wuchsen die Schulden der Kommunen um 5,3 Milliarden. Von den 145 Milliarden kommunaler Kredite sind allein 50 Milliarden teure Kassenkredite. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt die Gesamtschuldenhöhe der Kommunen bei 50 Milliarden, davon sind 27,5 Milliarden Euro Kassenkredite.

Die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen stellten im Januar 2016 ein juristisches Gutachten vor, das den Anspruch auf angemessene Finanzierung der Kommunen begründen sollte. Die Finanzierung der Kommunen dürfe nicht länger den Unwägbarkeiten des Landeshaushalts ausgeliefert sein. „Wir sehen die Gefahr, dass sich das Land dann auf dem Rücken seiner Kommunen konsolidieren wird. Bislang haben die Regierungsfraktionen zwar immer beteuert, dass die Schuldenbremse nicht zu Lasten der Kommunen gehen wird. Eine Absicherung in der Landesverfassung dafür gibt es aber nicht.“ Das Gutachten gipfelt in dem hilflos anmutenden Vorschlag, die grundgesetzliche Garantie der Kommunen auf eine finanzielle Mindestausstattung in der Landesverfassung NRW zu verankern.

Dieser verzweifelte Rettungsversuch kommunaler Selbstverwaltung illustriert die Lage vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung von Bund und Ländern über einen neuen Länderfinanzausgleich. Die rechtlichen Grundlagen des bisherigen Finanzausgleichs, Maßstäbegesetz und Finanzausgleichsgesetz, treten mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft. Gleichzeitig laufen Solidarpakt II und Entflechtungsgesetz aus. Ab 2020 greift die grundgesetzliche Schuldenbremse in vollem Umfang.

Im vergangenen Jahr waren von den Ländern untereinander 9,62 Milliarden Euro umverteilt worden. Bayern zahlte mit 5,46 Milliarden Euro am meisten, Baden-Württemberg 2,34 Milliarden, Hessen 1,72 Milliarden und Hamburg 103 Millionen Euro. Berlin erhielt umgekehrt die größte Summe aus diesem Topf: 3,62 Milliarden Euro.

Ende 2015 hatten sich die Bundesländer auf einen Vorschlag einigen können. Statt des Finanzausgleichs untereinander wollten sie 9,7 Mrd Euro aus der Bundeskasse. Monatelang passierte nichts. Erst am Tage nach den Einheitsfeiern, am 4. Oktober, trafen sich Merkel und Schäuble mit den Vorsitzenden und den Finanzexperten der Koalitionsfraktionen sowie den Landesministerpräsidenten aus den Koalitionsparteien. Schäuble verlangt für die 8,5 Milliarden Euro, die er aus der Bundeskasse zu zahlen bereit ist, den Abbau von Rechten des Bundesrats. Der soll weniger zu sagen haben. Schäuble will durchregieren. Künftig soll in fiskalischen Fragen eine einfache Mehrheit genügen. Vorher war die absolute Mehrheit nötig. Der Finanzminister will zudem die „Stärkung der Rechte in der Steuerverwaltung“ und das „Allgemeine Weisungsrecht bei der Auftragsverwaltung“. Von den 15 Punkten seines Forderungskatalogs heißt ein anderer: „Der Bund erhält im Bereich der Steuerverwaltung ein allgemeines fachliches Weisungsrecht, soweit nicht alle Länder widersprechen.“ So kennen wir es von Griechenland und den anderen Ländern des europäischen Südens: Kredit nur unter der Bedingung von Sozial- und Demokratieabbau.

Es ist Schäubles erpresserische Antwort auf die bescheidenen Ansprüche, wie sie vom Bielefelder Oberbürgermeister Pit Clausen namens des NRW-Städtetages gestellt wurden. Angesichts der Bürgerkriegsflüchtlinge, der politisch Verfolgten in Nordrhein-Westfalen und der Notwendigkeit ihrer Integration benötigten die Städte deutlich mehr Unterstützung von Land und Bund. „Besonders wichtig sind genügend bezahlbarer Wohnraum für alle, sind Spracherwerb, Kinderbetreuung und Schulunterricht und ist die Vorbereitung der Menschen auf den Arbeitsmarkt.“

Das Weißbuch der Bundeswehr kündigt eine Steigerung der jährlichen Rüstungsausgaben von 2 Prozent des BIP bis zum Jahr 2024 an. Das sind 60 Milliarden, 25 Milliarden Euro pro Jahr mehr als heute. Allein die Steigerung ist zweieinhalb mal höher als die Summe, die von den Bundesländern im Zuge des Finanzausgleichs verlangt wird.

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"Kredit nur gegen Sozialabbau", UZ vom 14. Oktober 2016



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