Günter Pohl macht sich Sorgen um das Jenseits

Laschets Paradies

Wenn jemand sagt, dass sein Glaube prägend für sein Verständnis der Welt sei, sollte man entweder versuchen, den Gesprächspartner zu wechseln oder sich auf einiges gefasst machen. Erwartbar sind dann etwa „Bewahrung der Schöpfung“, „Einklang mit den Geboten Gottes“, „unsere Werte“, „abendländische Tradition“, aber auch gern „Bauchgefühl“ oder „innere Kraft“.

Solche Gespräche können bereichernd sein, wenn man selbst seinen scharfen Verstand behält und Toleranz übt; denn wer lieber Bauch als Verstand einsetzt, orientiert sich dabei vielleicht lediglich an der unterschiedlichen Größe dieser seiner Körperteile. Und Werte sind schließlich auch für unsereinen leitend, obwohl es sich jedoch meist um andere Werte handelt. Vieles haben wir dennoch mit den Religiösen gemein. Dazu gehört die fast unerschütterliche Zuversicht, dass die Dinge besser werden können und dass es zu einer gerechten Welt an vielem fehlt. Der wesentliche Unterschied besteht in der Frage, wann diese Welt erreicht werden soll – im Diesseits oder im Jenseits.

Meistens ist obiger Gesprächspartner kein/e Kanzlerkandidat/in. Sollte das doch einmal der Fall sein, erfährt man von Frau Baerbock etwas von „Verantwortung für die Schöpfung“, während sie gleichzeitig glaubt, „nicht ganz gläubig“ zu sein. Wer hier also geschöpft hat, wäre eine der Fragen, die der scharfe Verstand stellen würde. Olaf Scholz gehört der Evangelischen Kirche nicht mehr an, weshalb christliche Medien den Atheisten meiden und umso mehr für Baerbock und Armin Laschet trommeln. Von jenem hätte man das gehört: „Der Glaube an Gott ist prägend für mein Verständnis der Welt – wenn man daran glaubt, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht, macht man auch Politik anders als zum Beispiel ein Kommunist, der bis zum Lebensende dringend mit allen Mitteln das Paradies auf Erden schaffen will.“

Nun stehen den Kommunisten für ihre diesseitigen Ziele ein paar weniger als „alle Mittel“ zur Verfügung, jedenfalls weniger als einem CDU-Vorsitzenden. Einer aus dieser Reihe, der 1956 das Mittel des Verbots der Kommunistischen Partei durchsetzte, wollte auch kein Paradies auf Erden, aber mit allen Mitteln Kalten Krieg. Denn immer geht es den Christlichen darum, das Paradies vorzeitig zu ermöglichen. Für wen es nach dem Tod „irgendwie weitergeht“, der weiß auch, dass man nach Afghanistan abschieben kann. Dort agieren genug Spezialisten für Jenseitigkeit.

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"Laschets Paradies", UZ vom 13. August 2021



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