DGB-Positionen im Bundestagswahlkampf

Mann der Arbeit aufgewacht

Von Manfred Dietenberger

Im Bundestagswahljahr 1953 war dem DGB klar: „Die Millionen Stimmen der Arbeiter, Angestellten, Beamten und Rentner können die Millionen Wahlgelder der Unternehmer mit einem Schlage und an einem Tage bedeutungslos machen“, so der 1. Mai-Aufruf der weiter an die Kolleginnen und Kollegen appellierte: „Von allen Arbeitern, Angestellten, Beamten, Rentnern und ihren Angehörigen, nicht zuletzt von den Jungwählern, erwarten die Gewerkschaften, dass sie bei den bevorstehenden Wahlen ihre demokratischen Rechte nutzen. Wenn sie nur solche Männer und Frauen in den Bundestag wählen, die bereit sind, im Sinne der Gewerkschaften die Gesetzgebung und das öffentliche Leben fortzuentwickeln, dann kann ein neuer und besserer Abschnitt des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens eingeleitet werden“. In die heiße Phase des Wahlkampfes mischte sich der DGB dann erneut mit der Veröffentlichung seines Aufrufs „Für einen besseren Bundestag“ ein. An Beispielen wie Preisentwicklung, Wohnungsbau, Steuer-, Arbeits- und Sozialrecht wurde aufgezeigt, wo die Forderungen der Gewerkschaften unerfüllt geblieben waren, um so die Notwendigkeit zu unterstreichen, „einen besseren Bundestag“ zu wählen. Plakate mit Parolen wie „Wählt einen besseren Bundestag“ und „Wählt! Aber wählt richtig!“ unterstützten die Aktion. CDU/CSU erreichten dennoch mit über 45 Prozent der Zweitstimmen sogar die absolute Mehrheit der Parlamentssitze. Adenauer hämisch dazu: „Nun haben die Herren einen starken Dämpfer bekommen; denn trotz der ungeheuren Arbeit, die sie sich gemacht haben … hat die Wahl nun so geendigt“. Der DGB kam danach langsam, aber immerhin wieder auf die Beine. 1973 gehörten von den insgesamt 518 Abgeordneten des VII. Deutschen Bundestages 244 einer DGB Gewerkschaft an. Dennoch hatte auch damals die Gewerkschaft keinen wirklich starken parlamentarischen Arm, auch wenn das Kapital die Angst vor einem drohenden „Gewerkschaftsstaat“ schüren ließ. Davon sind wir heute und mit 100 prozentiger Sicherheit auch nach dem Wahltag am 24. September weiterhin meilenweit entfernt.

Wie sich die DGB-Gewerkschaften im aktuellen Wahlkampf positionieren sei hier am Beispiel der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) gezeigt. Auf den Internetseiten der IG Metall ruft Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, zur Teilnahme an der Bundestagswahl auf – und erklärt, was der Gewerkschaft dabei wichtig ist. „Als Einheitsgewerkschaft sind wir überparteilich und zugleich parteiisch: Unser Maßstab sind die Interessen der Beschäftigten. Deshalb fühlen wir den Parteien auf den Zahn und schauen genau hin, etwa wenn sich die FDP, wie gehabt, zum Sprachrohr der Arbeitgeber für Sozialabbau macht. Und wir sagen: Stopp! bei Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Parteien wie die AfD sind für uns nicht wählbar: Ihre Programmatik ist von Abgrenzung durchzogen. Rassistischen sowie rechtsradikalen Äußerungen ihrer Kandidatinnen und Kandidaten widerspricht sie nicht“. Auf den gleichen Internetseiten findet sich auch das Ergebnis des „IG Metall-Check zur Bundestagswahl: „CDU/CSU: Weiterbildung, Rückkehrrecht, kein Missbrauch von Befristungen: Vieles im Programm von CDU/CSU klingt gut, doch die konkreten Vorschläge sind vage. Bei Rentenniveau und Parität herrscht Fehlanzeige – und das Arbeitszeitgesetz will die Union aufweichen. Die Linke: Die Linke fordert einen Ausbau des Sozialstaats und mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik. Ihre Positionen beim Rentenniveau sowie für einen deutlich höheren Mindestlohn gehen über die Forderungen der IG Metall sogar hinaus. SPD: Die SPD setzt sich für mehr soziale Gerechtigkeit und den Ausbau von Infrastrukturmaßnahmen ein. Zahlreiche Forderungen, wie etwa in der Arbeitsmarktpolitik stärker auf Qualifizierung zu setzen, greifen unsere Anliegen auf. FDP: Bei der FDP gibt es alten Wein in neuen Schläuchen. Sie setzt auf Bildung, damit jeder Einzelne für sich Verantwortung übernehmen kann. Flexibilität bedeutet Flexibilität für Arbeitgeber. Kollektive Schutzvorschriften will sie zurückdrängen. Grüne: Bei der Arbeitszeit oder einer Arbeitsmarktpolitik, die stärker auf Qualifizierung setzt, liegen die Grünen dicht an den Positionen der IG Metall. Mit Leidenschaft kämpfen sie für ihre Kernthemen Klima und Umweltschutz – da gibt es Konflikte. AfD: Bei nahezu allen, die Beschäftigten interessieren Themen, herrscht bei der AfD Fehlanzeige. Die Kandidatinnen und Kandidaten der aus Wirtschaftsvertretern entstandenen Partei zeichnen sich durch Abgrenzung und Rassismus statt Solidarität aus.“ Und die anderen Gewerkschaften? Die AGENDA-2010-Politik machte den Gewerkschaften das ‚Seit an Seit schreiten‘ mit der SPD schwer, jetzt geht’s wieder: „Die SPD korrigiert einen Kardinalfehler“, kommentiert Reiner Hoffmann (SPD), Vorsitzender des DGB, wohlwollend die von Martin Schulz in Aussicht gestellten Änderungen bei der Agenda 2010, wie zum Beispiel die Einführung vom „Arbeitslosengeld Q“. Auch ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske (GRÜNE) hält die Schulzschen-Versprechungen für einen „Schritt in die richtige Richtung“. Zur DGB Kampagne „Kurswechsel: die gesetzliche Rente stärken“ wurden Millionen von Bierdeckel mit dem dummen Slogan „Rente muss fürs Bierchen reichen“ verteilt. Fazit: so wird das nichts mit dem „Gewerkschaftsstaat“. Nur wenn „die Millionen Stimmen der Arbeiter… (siehe oben)

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"Mann der Arbeit aufgewacht", UZ vom 15. September 2017



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