Hans-Böckler-Studie: Angst vor dem Abstieg führt zur Wahl der AfD

Stress beim DGB

Von Herbert Schedlbauer

Die Zukunftsangst der Menschen produziert rechte Wähler. Überdurchschnittlich sogar bei Gewerkschaftsmitgliedern. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung über die so genannte „Alternative für Deutschland (AfD)“. Mit dieser Tatsache sehen sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften konfrontiert. Danach sind die Erfahrung von Unsicherheit und Kontrolle im Arbeitsleben sowie Zukunftssorgen die wichtigsten Faktoren. Die Studie gibt die Möglichkeit, gerade innerhalb der Gewerkschaften mehr Gegenpositionen gegen rechtes Denken bei der eigenen Mitgliedschaft zu entwickeln.

Beim Lesen der Studie fällt auf, dass sich an der „Sozialen Marktwirtschaft“ abgearbeitet wird. Eine gesellschaftliche Analyse bleibt außen vor. „Die meisten Menschen in Deutschland nehmen die aktuelle wirtschaftliche Situation positiv wahr“ heißt es gleich zu Beginn. Doch allzu sozial scheint dieses Wirtschaftssystem dann doch nicht zu sein. „Viele machen sich Sorgen um ihre Zukunft“. Weitaus mehr Bürger als früher haben das Gefühl, auf sich selbst gestellt zu sein und sich in eigener Verantwortung behaupten zu müssen.

Der Großteil rechter Wähler verdient laut Untersuchung bis zu 2 500 Euro brutto monatlich. Diese Menschen fürchten um ihren Arbeitsplatz und haben das Gefühl, im Falle einer Arbeitslosigkeit keinen neuen Job mehr zu finden. Aber gerade in der Mittelschicht der Gesellschaft zeigt sich, dass Abstiegsängste ein entscheidender Faktor sind.

Globalisierung, Freihandel und technischer Wandel, mit allen negativen Folgen, sehen die vier Autoren als weitere Ursache. Der soziale Zusammenhalt gilt vielen als gefährdet. Mehr als 90 Prozent der Menschen fehlt es zunehmend an sozialer Gerechtigkeit. Abstiegsängste und die Sorge, die Kontrolle über persönliche und gesellschaftliche Lebensumstände zu verlieren, belasten immer mehr Bürger.

Mit Blick auf die Resultate forderte der Vorsitzende des DGB, Reiner Hoffmann, am 9. August bei der Veröffentlichung der Studie die Parteien auf, das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung ernst zu nehmen, für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen und die soziale Absicherung gerechter zu machen. Unerwähnt ließ Hoffmann jedoch, dass die Agenda 2010 unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und die Große Koalition mit ihrer Politik den Nährboden bereitet hat, auf dem Rassismus und Neofaschismus gedeihen. Der Aufstieg der AfD ist auch ein Ergebnis dieser verfehlten Politik.

Erfolgreich gegen Rechts zu sein, dazu gehört, die Ursachen zu bekämpfen und aufzuklären. Dazu gehören sichere Arbeitsplätze, die Abschaffung prekärer Beschäftigung, von der Leiharbeit bis zur, im Juristendeutsch, „sachgrundlosen“ Befristung. Das hat die DGB-Studie erkannt.

Was fehlt, ist jedoch die Richtschnur, wie der Rechtspopulismus gestoppt werden kann. Gewerkschaftsmitglieder und Linkskräfte werden im Kampf gegen Rechts mehr überparteiliche antifaschistische Bündnisse entwickeln müssen. Erste Ansätze gibt es bereits dazu. Mehr herausgearbeitet werden muss aber in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit die gesellschaftliche Ursache für Rassismus und Rechtsentwicklungen im Kapitalismus. Das hieße, sich mit den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD zu beschäftigen sowie den hinter ihnen stehenden Kräften. Dazu können die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit im Widerstand gegen die soziale Demagogie der Rechten und Neofaschisten nur begrenzt genutzt werden. Denn die bürgerlichen Parteien übernehmen immer stärker Begriffe und Positionen der AfD. Umgekehrt übernimmt die dezidierte Rechtspartei AfD Haltungen und Begriffe von den etablierten Parteien.

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"Stress beim DGB", UZ vom 1. September 2017



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