BAMF: Mit McKinsey und Co. zulasten der Flüchtlinge

Merkel wusste Bescheid

Von Nina Hager

In der Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gerät auch das Kanzleramt, besonders aber Angela Merkel, zunehmend unter Beschuss. Die aufgeregte Debatte bleibt verlogen. Der eigentliche Skandal, die vielen Rechtsbrüche des BAMF im Zusammenhang mit der Ablehnung von Asylgesuchen, wird nicht oder nur am Rande erwähnt. Als die Zahl der ankommenden Flüchtlinge wuchs, war allen Verantwortlichen klar, dass das Amt völlig überfordert war. Alle wussten doch, dass das BAMF überhaupt nicht darauf vorbereitet war, die Hunderttausenden Flüchtlinge angemessen und der Rechtslage gemäß in ihre Obhut zunehmen. Klar war auch, dass die Männer, Frauen und Kinder, die bei uns Schutz vor Verfolgung, Vertreibung, Krieg und unmöglichen Lebensverhältnissen suchten, die Betreuung und Bearbeitung ihrer Anträge erwarteten, auf völlig überlastete Behörden trafen.

Frank-Jürgen Weise wurde damals an die Spitze des BAMF entsandt, er sollte „aufräumen“. Vor allem unter Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) wurden dann die Abläufe im BAMF „effektiviert“. Dafür gab es strenge Vorgaben aus dem Bundesinnenministerium und dem Kanzleramt. Da Weise aber – wie bereits Anfang 2016 bekannt wurde – externe Beraterfirmen, so McKinsey im Herbst 2015, später auch Roland Berger, Ernst & Young, mit der „Optimierung“ der Abläufe in der Behörde beauftragte, verschlechterte sich die Situation weiter. Die Aufträge wurden übrigens nicht ausgeschrieben. Weise, damals Vorstandsvorsitzender der Bundesanstalt für Arbeit und von Mitte September 2015 bis Jahresende 2016 gleichzeitig Leiter des BAMF, knüpfte damit an eine Praxis an, die er schon bei der BfA betrieben hatte – mit den bekannten Auswirkungen für Beschäftigte wie Betroffene. Die Beraterfirmen brachten, wie „Die Zeit“ im März 2017 schrieb, das BAMF „auf Speed“: „Zulasten der Flüchtlinge – und der Gerichte, bei denen sich die Klagen stapeln.“ Sie haben das Amt in „eine knallharte Erledigungsfabrik verwandelt, in der nicht nur Arbeitsteilung herrscht, sondern auch Zeitdruck und Angst regieren“. zunehmend unter Beschuss gebracht.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Merkel wusste Bescheid", UZ vom 8. Juni 2018



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