Zur Vorsitzendenwahl der CDU

Merkelmänner

Kennt jemand Hendrik Wüst? Nein? Selbst in Nordrhein-Westfalen ist der seit dreieinhalb Jahren amtierende CDU-Minister für Verkehr kaum jemandem ein Begriff. Aber er will einer werden – nämlich als Ministerpräsident von NRW, wenn Armin Laschet nach Berlin zieht.

Der wiederum hat auf dem Weg zur ersehnten Kanzlerschaft die zweitschwierigste Hürde aus dem Weg geräumt, sofern die nachgelagerte Briefwahl seinen CDU-Vorsitz bestätigt. Mit 52,5 Prozent gewann er beim Digitalparteitag die Stichwahl gegen den BlackRock-Lobbyisten Friedrich Merz, was eine gute Nachricht für Rentnerinnen und Rentner sowie abhängig Beschäftigte unterhalb des Merzschen Millionärs-Mittelstandes ist; und mit dem Ausscheiden von Norbert Röttgen in der ersten Runde wurde auch der Russlandfeldzug um mindestens eine Legislaturperiode verschoben.

Mit Armin Laschet hat sich also der gemäßigtste Pandemist unter Corona, Pest und Cholera durchgesetzt. Die Aggression nach innen und außen ist Laschets Sache nicht; er sieht sich mehr als Merkels Ziehsohn. Für die CDU dagegen ist bereits die banale Tatsache des Endes des einjährigen Hickhacks um die Kramp-Karrenbauer-Nachfolge ein Erfolg.

Nach den unionschristlichen Gepflogenheiten würde nun Laschet die Kanzlerkandidatur zustehen, die nach Lage der Dinge sehr wahrscheinlich im September auch die Kanzlerschaft nach sich zöge. Aber so einfach ist das nicht, denn Laschet, dem – will man den Umfragen glauben – an der CDU-Basis weit weniger Herzen zufliegen als bei den Delegierten, steht die eigentliche Kraftprobe noch bevor. Im Vergleich zu CSU-Chef Markus Söder sieht es für ihn mit Blick auf die Beliebtheits- und Kompetenzwerte sowohl in der CDU/CSU-Mitglied- und -Wählerschaft als auch bei den 75 Prozent, die nicht eine dieser Parteien wählen, in etwa so erfolgversprechend aus wie bei Alemannia Aachen gegen Bayern München.

„Im Frühjahr“ – so unisono beide Kanzlerkandidatenkandidaten – würde einvernehmlich entschieden, wer im September Habeck oder Scholz als Vizekanzler anstellt. Bis dahin wird sich Söder in seinem Schaulaufen ein ums andere Mal zieren und so lange wiederholen, dass seine Aufgaben in Bayern liegen, bis Laschet seinen Beratern endlich glaubt, dass er in Berlin eine noch bedauernswertere Figur abgäbe als ohnehin schon in Düsseldorf.

In NRW wird Herr Wüst also weiterhin die Autobahnstaus verwalten. Die Älteren erinnern sich: Die zu beenden war 2017 der CDU oberstes Wahlversprechen.

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"Merkelmänner", UZ vom 22. Januar 2021



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