Mietobergrenze

Werner Altmann zur Hartz-IV-Praxis

Hartz IV oder besser gesagt, Arbeitslosengeld II, besteht in der Hauptsache aus zwei Komponenten: Aus dem sogenannten Regelbedarf, der jährlich angepasst werden muss, und aus den Kosten der Unterkunft (Warmmiete), die je nach Wohnort unterschiedlich hoch ausfallen und gemäß Gesetzesvorgabe angemessen sein müssen.

Genau um diese Angemessenheit geht es heute. Die Mietobergrenze (MOG) spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Wie kommt die Mietobergrenze zustande? Eigentlich ganz einfach: für jede Bedarfsgemeinschaft (BG) gibt es entsprechend der Anzahl der Mitglieder eine maximale angemessene Wohnungsgröße in Quadratmetern. In NRW zum Beispiel 50 qm, in Baden-Württemberg 45 qm für Alleinstehende. Für jedes weitere Mitglied der BG gibt es 15 qm mehr, d. h. für eine BG mit vier Mitgliedern 95 qm in NRW und 90 qm in Baden-Württemberg.

Nun wird die jeweilige angemessene Wohnungsgröße mit dem örtlich angemessenem Quadratmeterpreis multipliziert und schon ist die Mietobergrenze fertig.Ein Beispiel dazu: In Freiburg hat ein Alleinstehender als MOG 396,45 Euro, bestehend aus 45 qm Wohnungsgröße und 8,81 Euro angemessenen Quadratmeterpreis. Für eine vierköpfige Familie sind das 710,10 Euro aus 90 qm und 7,89 Euro/qm.

Die MOG ist also die angemessene Miete ohne kalte Nebenkosten und Heizkosten.

Gängige Praxis bei den Jobcentern ist, dass Bedarfsgemeinschaften, deren Miete oberhalb der MOG liegt, aufgefordert werden, die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) zu senken. Dabei ist zu beachten, dass die MOG eine Prüfgrenze ist, also kein feststehendes Maß für Angemessenheit. Ist die Miete gleich oder geringer als die MOG, sind die KdU grundsätzlich angemessen. Liegt sie darüber, hat das Jobcenter zu prüfen, ob weitere Kriterien vorliegen, die die Miete trotzdem angemessen machen. Solche Kriterien können sein: Alter, Krankheit, Behinderung, Verankerung im Umfeld, insbesondere wenn schulpflichtige Kinder in der BG sind, usw. Meistens beziehen sich die Jobcenter ausschließlich auf die MOG, was bedeutet, dass sie kein pflichtgemäßes Ermessen ausgeübt haben. Dann kann ein Bescheid mit hoher Erfolgsaussicht angefochten werden. Aber bitte dabei beachten: Die Aufforderung, die KdU zu senken, ist kein Bescheid. Widerspruch und Klage sind erst möglich, wenn durch Bescheid die übernommenen KdU auf das Angemessene reduziert werden.

Durch das von den Regierenden sogenannte „Rechtsvereinfachungsgesetz“, das zum 1. August 2016 in Kraft getreten ist, ist es dem Jobcenter möglich, eine Gesamtangemessenheitsgrenze zu bilden. Hier wird eine MOG gebildet, die die kalten und warmen Nebenkosten mit enthält. Dabei werden gerne pauschale Werte eingesetzt, die dem bundesweiten Nebenkosten- bzw. dem Heizkostenspiegel entnommen sind. Dieses Verfahren ist so lange zulässig wie die tatsächlichen Nebenkosten unter den Pauschalen liegen. Liegen sie darüber, ist grundsätzlich die Einzelfallprüfung vorzunehmen und damit auch die Übernahme höherer Nebenkosten möglich. Hier spielt im Widerspruchs-und Klageverfahren das schon angesprochene pflichtgemäße Ermessen eine wichtige Rolle.

Soviel zu Angemessenheit der KdU und MOG. Was diese nüchterne Beschreibung nicht angemessen ausdrücken kann sind die schweren Beeinträchtigungen, die die ALG-II-Bezieher alleine in der Frage der KdU hinnehmen müssen. Neben der Angemessenheitsprüfung droht noch eine nervenaufreibende Wohnungssuche, falls die KdU nicht angemessen sind.

Der Druck, der auf den Betroffenen lastet, muss möglichst schnell verringert werden durch drastische Anhebung der Mietobergrenzen (als ersten schnellen Schritt), Abschaffung des jetzigen Hartz-IV-Systems und Schaffung einer armutsfesten Grundsicherung und die Herausnahme des Wohnungsmarktes und der Wohnungen aus den Kapitalverwertungsinteressen.

Wohnen ist Menschenrecht und darf keine Quelle von Profit sein.

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"Mietobergrenze", UZ vom 25. Mai 2018



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