Linke gewinnt in Thüringen, AfD zweitstärkste Kraft

Mit Erfolg angepasst

Von Christoph Hentschel

Die Ergebnisse in Thüringen

Bei einer Wahlbeteiligung von 64,9 Prozent gewann die regierende Partei „Die Linke“ 2,8 Prozent gegenüber der Landtagswahl 2014 und kommt auf 31 Prozent. Gewinner war jedoch die „Alternative für Deutschland“ mit 23,4 Prozent und einem Zuwachs von 12,8 Prozent. Verlierer des Wahltages war die CDU. Mit einem Minus von 11,7 Prozentpunkten kommt sie auf 21,8 Prozent. Die SPD verlor 4,2 Prozent und hält 8,2 Prozent der abgegebenen Stimmen. „Bündnis 90/Die Grünen“ büßen einen halben Prozentpunkt ein und kommen auf 5,2 Prozent. Die FDP konnte ihr Ergebnis verdoppeln und zieht mit 5 Prozent in den Landtag ein.

Quelle: Landeswahlleiter Thüringen

„Ich habe die Wahl gewonnen“, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Partei „Die Linke“). kurz nach der Wahl. Seine Koalitionspartner SPD und „Bündnis 90/Die Grünen“ dagegen verloren beziehungsweise stagnieren im Vergleich zu der Landtagswahl 2014. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung kann Ramelow nicht weiterführen. „Ramelow fiel in den letzten Jahren nicht durch Widerstand gegen die Politik der Bundesregierung, wohl aber durch bedingungslose Verteufelung der DDR auf. Ein Spiegel-Journalist meinte, dass eine rot-schwarze Koalition in Thüringen sich von der großen Koalition im Bund kaum unterscheiden würde. Da hat er wohl recht“, sagte Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, der UZ. Im August 2018 berichtete die Wochenzeitung „Die Zeit“, Ramelow werbe hinter den Kulissen schon seit längerem für eine Koalition mit der CDU. Die hat inzwischen abgewunken, will aber Gespräche mit der Linkspartei führen, aus „staatspolitischer Verantwortung“, wie es CDU-Spitzenkandidat Mohring formulierte.

„Ramelow hat seine Partei bis zur Ununterscheidbarkeit angepasst. Die führt den Wahlkampf allein mit seiner Person“, schrieb Arnold Schölzel in der UZ vom 11. Oktober. Mit Ramelow „regiere der neoliberale Mainstream: Schuldenbremse, Sozialpartnerschaft und Bekenntnis zu ‚verantwortlichem Unternehmertum‘“. Dagegen bezeichnete die scheidende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Sahra Wagenknecht, am Wahlabend in der TV-Sendung „Anne Will“ das Ergebnis als „Ohrfeige“ für die Große Koalition in Berlin.

Die Partei „Die Linke“ konnte sich leicht verbessern und ist nun stärkste Kraft im Land – vor der AfD. Diese konnte ihr Ergebnis fast verdoppeln. Die vormals stärkste Partei, die CDU, verlor fast 12 Prozent und ist jetzt drittstärkste Partei im Land. „Das Wahlergebnis in Thüringen wartet gleich mit mehreren Superlativen auf: stärkstes Ergebnis, das ‚Die Linke‘ jemals bei einer Landtagswahl erreicht hat; schlechtestes Ergebnis der CDU im Bundesland bisher; zweitschlechtestes Ergebnis der SPD bei einer Landtagswahl überhaupt; die Parteien der ‚Großen Koalition‘ erreichen in Thüringen zusammen nur noch knapp 30 Prozent aller Stimmen; mit dem Landesverband der AfD wird eine extrem rechte Partei, deren Spitze vom Verfassungsschutz beobachtet wird, zweitstärkste Kraft und bei den unter 45-jährigen WählerInnen sogar stärkste Partei“, heißt es dazu in einer Kurzinformation der Bundesgeschäftsstelle der Partei „Die Linke“.

Laut „Tagesschau“ wechselten rund 17000 Wähler von der Linkspartei zur AfD, rund 77000 Nichtwähler hatte die neoliberale Rechtsaußen-Partei an die Wahlurnen gelockt. Dabei spiele der AfD-Spitzenkandidat Bernd Höcke nur für 13 Prozent der Wähler eine Rolle. Wie bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am 1. September sahen die Wählerinnen und Wähler die Linkspartei nicht mehr als Protestpartei gegen den sozialen Kahlschlag besonders in den östlichen Bundesländern an. Die AfD hat es bei allen drei Landtagswahlen geschafft, die „Unzufriedenen“ an die Wahlurne zu bringen, im Gegensatz zur Linkspartei (siehe UZ vom 6. September). In Sachsen und Brandenburg kam die Linkspartei deshalb nur noch knapp über 10 Prozent.

Das Abdriften der thüringischen Linkspartei ins bürgerliche Lager hat auch personelle Folgen. Die Agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion und UZ-Autorin Johanna Scheringer-Wright wurde nicht mehr auf der Landesliste ihrer Partei aufgestellt und verlor knapp als Direktkandidatin im Wahlkreis Sömmerda I Gotha III. „Weil ich zu kommunistisch und zu ökologisch bin“, sagte sie im UZ-Interview vom 20. September. Ihr wurde vor der Wahl gesagt, sie sei nicht mehr aufgestellt worden, weil sie „zwar fachlich, also in Landwirtschaftspolitik, super wäre, mich aber nicht genug einfügen würde“, so Scheringer-Wright.

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"Mit Erfolg angepasst", UZ vom 1. November 2019



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