Zu den Ergebnissen der Landtagswahlen in Bayern

A bisserl moderater?

Von Ursula Vogt

Bayern hat gewählt. Zu ultrareaktionär gesellt sich konservativ-reaktionär, denn voraussichtlich wird die neue Landesregierung durch eine Koalition von CSU und Freien Wählern gebildet. Eventuell kommt die FDP hinzu. Die AfD knackt die 10 Prozent, die SPD bleibt ihrem Trend treu und erreicht mit 9,7 Prozent abermals historischen Tiefstand, die Grünen gewinnen beim städtischen Mittelstand, aber auch als Gegengewicht zur Rechtsentwicklung, und „Die Linke“ – einzig mit konsequenten Forderungen unter anderem gegen Aufrüstung und Krieg – scheitert an der Fünfprozenthürde.

Das auffälligste Ergebnis dieser Wahlen ist die fast durchgängige Trennung von Stadt und Land. In den Großstädten und dem Münchner Speckgürtel brachte der Unmut mit der reaktionären Politik der CSU und ihrem arroganten Gehabe viele Stimmen für die Grünen: München-Mitte 42,5 Prozent, München-Schwabing 34,4 Prozent, in den Stadtbezirken von Nürnberg, Regensburg, Würzburg, Augsburg, Erlangen, Bamberg je über 20 Prozent. In fünf Münchner Innenstadtbezirken und Würzburg holten die Grünen das Direktmandat. In den meisten dieser Bezirke kam auch „Die Linke“ auf über 4, oft auf 5 Prozent.

Ganz anders das Bild in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten, vor allem im Osten inklusive des traditionell schwarzen Passau. In 31 von 91 Stimmbezirken holte die CSU mehr als 40 Prozent, hier legten auch die Freien Wähler zu und hier ist auch die AfD stark.

Die AfD warb damit, dass man mit ihr das Original wählen könne. Das ist so weit verbreitet wie falsch. CSU-Ministerpräsident Markus Söder startete mit der Debatte um „Asyltourismus“ in den Wahlkampf und Parteikollege Alexander Dobrindt entdeckte im Engagement von Anwälten für die Rechte Geflüchteter eine „Anti-Abschiebe-Industrie“. Unter großem Tamtam wurde eine 500 Mann starke bayerische Grenzpolizei installiert. Auch in der Wortwahl stand die CSU der AfD in nichts nach: So attestierte Innenminister Joachim Herrmann den Demonstranten gegen das neue Polizeiaufgabengesetz, sie seien „Lügenpropaganda“ aufgesessen. Zur Kritik an der Aufrüstung der Polizei mit Handgranaten meinte er, ein Spezialeinsatzkommando müsse auch mal eine Tür aufsprengen können, „wenn sich dahinter Terroristen verschanzt haben“.

Seehofer blieb mit dem Masterplan Migration, der Causa Maaßen und der Demontage der Kanzlerin stur auf diesem Weg. Söder hingegen schwenkte um, als selbst das Beschwören der abendländischen Werte mittels Kreuzerlass floppte. Fortan pfefferte er ein Versprechen nach dem anderen in die Lande, darunter das Raumfahrtprogramm „Bavaria One“, ein Wohnungsbauprogramm, das unhaltbare Versprechen, Familiengeld werde nicht auf Hartz-IV-Bezüge angerechnet. Es folgten Baukindergeld, mehr Polizei und eine Kavallerie für die Großstädte, mehr Lehrer, Pfleger und Erzieher, mehr Naturschutz hier und mehr Tourismus da. Hü und Hott wie‘s grade passend schien.

Wenige Tage vor der Wahl versuchte die AfD mit einer großangelegten Werbung „Ja zum Diesel!“ in Kreisen der Arbeiterschaft von BMW und Audi zu wildern. Ihr Hauptthema jedoch: Angst. Angst vor den Flüchtlingen (deshalb ist sie in Grenzbezirken stark), vor dem Islam, vor Überfremdung, vor dem Verlust von Werten und Traditionen; Angst vor Verbrechen.

Was für ein Irrwitz: Horst Seehofer, immerhin der CSU-Parteivorsitzende, verkündete, er mische sich in den bayerischen Wahlkampf nicht ein. Da ist es leicht, nun Söder die Schuld in die Schuhe zu schieben. Der kann das kontern, hat mit Seehofers Sturheit auch gleich den passenden Schuldigen. Es steht zu befürchten, dass Seehofer auf seinem Innenministerstuhl kleben bleiben wird, denn er habe „ein großes Werk zu verrichten“. Ob ihm das gelingen wird, hängt wesentlich von den Kämpfen und Intrigen innerhalb der CSU ab.

Hohe Gewinne gab es für die Freien Wähler. Sie sehen sich als die vernünftige bürgerliche Mitte, geben sich pragmatisch und lassen sich inhaltlich ungefähr so gut festnageln wie ein Pudding an der Wand. Gängig ist ihre Charakterisierung als „CSU light“. Sie sind die Kümmererpartei, ideal für alle, die die Nähe der CSU zum Bürger vermissten und es gern heimelig und traditionell haben. Das starke Abschneiden der Freien Wähler ist ein Glück für die CSU, denn sie sind der ideale Koalitionspartner mit ihrer hausbackenen, klassisch konservativen Politik. Davor muss sich die CSU nicht fürchten. Wie praktisch, dass notfalls auch noch die FDP mit ihren gerade mal 5,1 Prozent zur Verfügung steht.

An der Bundesspitze neu aufgestellt, ohne Veggie-Day und pastoral erhobenem Zeigefinger, finden die Grünen Anklang beim städtischen liberalen Bürgertum und konnten der CSU sogar einiges von ihrem Erbpachthof Paradies Bayern wegnehmen: Landwirtschaft und Naturschutz als zukunftsfähiges Miteinander. Sie präsentierten sich CSU-kritisch, liberal, glaubhaft in ihrem Kernthema Ökologie und nicht verdächtig der Freunderlwirtschaft. Das macht Hoffnung auf ein bisschen Vernunft und tut nicht weh.

Die SPD zeigte sich lahm, nudelte ihren Wahlkampf ab. Die Kniefälle der SPD in Berlin, insbesondere vor Seehofer, trugen wesentlich zur Halbierung des Stimmenanteils bei.

„Die Linke“ hatte wichtige Themen unter dem Obermotto „Mehr für die Mehrheit“ aufgegriffen, bezog auch als einzige Partei konsequent Stellung gegen die Rüstungsschmiede Bayern und forderte den Stopp von Rüstungsexporten. Tausende demonstrierten gegen rechte Hetze, gegen das PAG, trugen ihren Protest gegen die Zerstörung der Natur und vielfältige andere Themen, die ihnen auf den Nägeln brannten, auf die Straße. Davon konnte „Die Linke“ kaum profitieren. Zu wenige konnten in ihr die Partei sehen, die durch ihren Einzug in den Landtag der Opposition auf der Straße eine bessere Stimme im Parlament geben hätte können.

Alle nun im Landtag vertretenen Parteien – außer CSU und AfD natürlich – haben sich mehr oder weniger deutlich gegen die Gesetzesverschärfungen und reaktionäre Hetze positioniert. Ob sie sich auch nach dem Stimmenfang gegen die CSU stellen, steht auf einem anderen Blatt. Entscheidend wird sein, dass der Kampf gegen den reaktionären Staatsumbau weitergeführt wird und weiter Druck von der Straße kommt. Wir brauchen langen Atem.

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"A bisserl moderater?", UZ vom 19. Oktober 2018



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