Nebel an der Spree

Kolumne von Günter Pohl, internationaler Sekretär der DKP

Frank-Walter Steinmeier war auf Kuba. Damit, so befindet er, ist Kuba aus der Isolation herausgetreten. Die britische „Times“ titelte einmal, der Kontinent sei isoliert, weil es Nebel über dem Kanal gab.

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Ein Land, das zweimal den Vorsitz des größten Zusammenschlusses innerhalb der Vereinten Nationen, der Gruppe der Blockfreien angeführt hat, musste natürlich erst Deutschlands Außenminister zu Gast haben, um endlich nennenswerte internationale Kontakte sein eigen nennen zu dürfen. Diplomatische Beziehungen zu 190 Staaten (184 davon Mitglieder der Vereinten Nationen) heißen ja nichts.

Seit Montag hat Kuba wieder eine Botschaft in Washington, und die US-amerikanische Interessenvertretung in Havanna wird in Kürze ebenfalls in eine Botschaft umgewandelt, wenn John Kerry Kuba besucht.

Dann wird Kuba, das in den vergangenen Jahrzehnten solidarisch Zehntausende Ärztinnen und Ärzte, Lehrerinnen und Lehrer in fast alle Staaten Afrikas, Lateinamerikas und Asien entsandt hat, um die Versäumnisse der kapitalistischen Ordnung abzumildern, noch weniger isoliert sein.

Wir mit Kuba solidarisch Verbundene atmen tief durch, denn womöglich treten auch wir aus unserer Isolierung in Deutschland heraus, wo Zusammenkünfte und Vereinbarungen mit Kommunisten jetzt zur diplomatischen Gepflogenheit der Bundesregierung gehören. Für Genossin Angela haben wir immer einen Kaffee übrig. Und Menschen in Zimbabwe, Nepal, Algerien, Honduras, Pakistan oder Paraguay schreien laut „Hurra!“, denn nie hätten sie auf den Gedanken kommen können, dass die Zusammenarbeit ihrer Regierungen mit Kuba irgendeinen Wert gehabt hätte. Was zählt, ist eben mit den Mächten der Welt Gespräche zu führen.

Zum Beispiel über Menschenrechte. Sicher sind die USA und Deutschland in Sachen sozialer Menschenrechte prädestiniert Kuba Ratschläge zu erteilen, wissen sie ja nun genau wie solche massiv und nachhaltig verletzt werden. Hier mit Arbeitslosigkeit, Hartz-Gesetzen oder Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, deren intellektuelle Urheber staatlich mit Samthandschuhen angefasst werden – das Recht auf Meinungsäußerung ist eben so ein hohes Gut. Dort mit rassistischer Polizei und Justiz, die Jahrhunderte nach der Verschleppung von deren Vorfahren Menschen mit afrikanischen Wurzeln immer noch zutiefst benachteiligen, in Gefängnisse verfrachten oder gleich erschießen.

Damit kann Kuba nicht dienen. Und ist in diesen Fragen in der Tat international ziemlich isoliert.

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"Nebel an der Spree", UZ vom 24. Juli 2015



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