30000 demonstrieren gegen die Umgestaltung der Türkei zur Diktatur

Nicht einschüchtern lassen

Vor allem Aleviten und Kurden demonstrierten letzte Woche Samstag in Köln gegen die „in Entstehung befindliche Diktatur“ in der Türkei. Der Vorsitzende der Alevitischen Union Europa, Hüseyin Mat, sieht die Türkei auf dem Weg zu einem „auf dem Fundament der türkisch-islamischen Synthese basierenden, rassistischen Staat“. „Unsere Solidarität gilt all den wunderbaren, mutigen Menschen, die sich nicht einschüchtern lassen und sich trotz der Widrigkeiten engagieren“, so Mat weiter.

Konflikte gab es im Anschluss an die Demonstration um das Auftreten von kurdischen Jugendlichen, die mit Öcalan-Fahnen in die vorderen Reihen der Kundgebung gegangen waren.

Die Alevitische Gemeinde Deutschlands (AABF) als Hauptorganisator der Kölner Kundgebung kritisierte dieses „provozierende Auftreten“, dem die Polizei mit Kesseln und Pfeffersprayeinsatz begegnete.

Gegenüber „junge Welt“ verteidigte der Kovorsitzende des „Kongresses der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa“ (KCD-E), Yüksel Koc das Auftreten der kurdischen Jugendlichen.Anhänger der kemalistischen Republikanischen Volkspartei (CHP) könnten Bilder des Republikgründers Kemal Atatürk tragen und Kurden sähen in Öcalan ihren Repräsentanten.

Prof. Dr. Frank Überall, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten Verbands, forderte in seiner Rede internationale Solidarität:

„Die Pressefreiheit in der Türkei hat Urlaub. Wobei eigentlich Präsident Erdogan derjenige ist, der sich Urlaub von der Pressefreiheit nimmt. Es sind die erholsamsten Wochen seines Politikerlebens: Er nimmt sich frei von lästigen Fragen der Reporter, er nimmt sich frei von kritischen Berichten über seine Politik, er nimmt sich frei von kritischer Meinungsäußerung. Journalisten werden mundtot gemacht. Viele der Kolleginnen und Kollegen, die ich vor einigen Monaten noch in der Türkei besucht habe, sind heute mundtot. Schlimmer noch: Sie sind arbeitslos oder sie sitzen im Gefängnis. Weil sich Präsident Erdogan Urlaub von ihnen nimmt. Urlaub von der Pressefreiheit. Das darf nicht sein. Wir müssen international solidarisch zusammen stehen gegen diese Aushebelung von Grundrechten! Wir fordern: Erdogan, hol‘ die Pressefreiheit aus dem Urlaub zurück!“

Sevim Dagdelen, MdB der Partei „Die Linke“, forderte die Einstellungen aller Waffenlieferungen:

„Wenn die Bundesregierung meint Erdogans Diktatur weiter mit tiefer Besorgnis begegnen zu können, wird sie Erdogan lediglich ermutigen, noch brutaler gegen Demokraten in der Türkei vorzugehen. Es ist jetzt die Zeit zum Handeln. Die Zeit zu reden ist vorbei. Wer weiter darauf setzt, mit einer Diktatur EU-Beitrittsverhandlungen führen zu müssen, spielt Erdogan in die Hände. Die EU-Vorbeitrittshilfen sowie Beitrittsgespräche sind sofort zu stoppen. Die Waffenlieferungen müssen unverzüglich eingestellt und die Bundeswehr aus der Türkei abgezogen werden. Kein Cent, keine Waffe und keine Soldaten für Erdogan.“

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"Nicht einschüchtern lassen", UZ vom 18. November 2016



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