Gebäudeenergiegesetz: Ampel-Kompromiss bringt keine Verbesserungen. Bundesregierung macht Heizen zum Glücksspiel

Nichts geht mehr

Es war kalt im Bundeswirtschaftsministerium, sehr kalt sogar. „Die Leute haben richtig mit Decken dort gesessen und einige haben sich auch einen Schnupfen geholt“, erzählte ein sichtlich betroffener Robert Habeck (Grüne) am Sonntagabend bei „Anne Will“. Es war eine Geschichte aus dem vergangenen Jahr, als öffentliche Gebäude nur bis 19 Grad Celsius beheizt werden durften, um „dem Russen“ eins auszuwischen. Doch das Wirtschaftsministerium war mit seiner Opferbereitschaft nicht alleine. „Die Deutschen haben richtig viel Gas eingespart“, lobte Habeck im Rückblick.

Den Ausflug ins Jahr 2022 unternahm Habeck nicht aus nostalgischen Gründen. Es ging ihm mehr darum, eine Erklärung für die heftige Ablehnung des inzwischen als „Heizungsgesetz“ bekannten Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu finden. Im vergangenen Jahr erreichten die Gaspreise unbekannte Höhen, die Angst vor einem kalten Winter machte sich breit. Es herrschte eine unsichere Situation, die dem Regierungshandeln in die Hände spielte. „Denken Sie daran, was wir alles verboten haben“, erinnerte der Bundeswirtschaftsminister an seine Arbeit, „und man hat das irgendwie hingenommen.“ Der Kardinalfehler bestand aus Habecks Sicht dann darin, dass das GEG im wärmer werdenden Frühjahr an die Öffentlichkeit kam. „Wir haben zu lange weitergemacht wie im Jahr 22“, schlussfolgerte er. „Hätte man gesagt: Die Alternative zu dem Gesetz ist, dass wir kalte Wohnungen haben, hätte man natürlich anders über dieses Gesetz geredet, denke ich.“

Die Ampel-Koalition hatte den richtigen Zeitpunkt verpasst, um das GEG durchzudrücken. Was folgte, ist bekannt. Von der unbeabsichtigten Veröffentlichung über den dreißigstündigen Koalitionsausschuss Ende März bis zu dem in der letzten Woche eingebrachten Gesetzentwurf war es ein langer Weg voller Schlammschlachten und Nebelkerzen. Es habe ein bisschen „geruckelt“, fasste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Entwicklung zusammen. Nun habe es sich aber „zu Ende geruckelt“, so der Kanzler vor kurzem bei der Spargelfahrt der Rechtsaußen-Sozialdemokraten des „Seeheimer Kreises“.

Damit spielte Scholz auf den Kompromiss an, auf den sich die Koalitionäre vorerst geeinigt haben. Die Ausgangslage in Kurzform: Die Grünen wollten das GEG schnellstmöglich beschließen, die FDP wollte „technologieoffene“ Lösungen und die SPD-Fraktion wollte die Modernisierungsumlage aussetzen, um den Volkszorn zu besänftigen. Heraus kam ein Papier mit dem Titel „Leitplanken der Ampel-Fraktionen zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes“.

Statt einer Aussetzung der Modernisierungsumlage, mit der die Umbaukosten für neue Heizsysteme auf Mieter umgelegt werden, sollen Anreize für Vermieter geschaffen werden. Die Modernisierungsumlage wird weiter „berücksichtigt“, zudem wird „bei Investitionen in eine klimafreundliche Heizung eine weitere Modernisierungsumlage“ eingeführt. Auch sonst zeigt das Papier keinen sozialen Fortschritt. Konkrete Aussagen zu möglichen Unterstützungsleistungen fehlen.

Veränderungen gibt es allerdings bei den Zeiträumen. Der Zwang zum Heizungstausch wird an das Vorhandensein einer kommunalen Wärmeplanung geknüpft. Erst wenn diese vorliegt und kein zukünftiger Anschluss an ein Fernwärmenetz vorgesehen ist, müssen die Heizungssysteme getauscht werden, sobald sie kaputt gehen. Neben Wärmepumpen kommen auch Holz- und Pelletöfen in Betracht. Die Pläne sollen in Städten ab 10.000 Einwohnern bis spätestens 2028 vorliegen. In Kommunen, in denen ein klimaneutrales Gasnetz geplant ist, sollen auch wasserstofftaugliche Gasheizungen Verwendung finden dürfen; die gibt es allerdings nirgendwo zu kaufen, weil sie noch in der Entwicklung sind.

Der Fernwärmeausbau könnte bei einer sozialverträglichen Wärmewende tatsächlich eine entscheidende Rolle spielen, wenn er als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge vorangetrieben werden würde. Das setzt allerdings eine ausreichende Finanzierung voraus. Wärmepläne sind eine Sache, die massive Ausweitung von Wärmenetzen ist eine andere. Mit insgesamt drei Milliarden Euro fördert die Bundesregierung den Ausbau bis zum Jahr 2026. Benötigt würden aber drei Milliarden Euro pro Jahr bis in die Mitte der 2030er Jahre hinein, wie der Verband Kommunaler Unternehmen erklärte. Darüber hinaus müsste sichergestellt werden, dass die öffentliche Infrastruktur dann auch im Sinne eines öffentlichen Zwecks betrieben wird. Das würde bedeuten, Privatisierungen zu verhindern und eine wirksame Preiskontrolle einzuführen, die dafür sorgt, dass die Wärmeversorgung nicht der Profitmacherei (auch nicht der von Stadtwerken) anheimfällt. Hinzu kommt, dass Fernwärmebetreiber grundsätzlich Monopolisten sind – ein Anbieterwechsel ist nicht möglich. Der Deutsche Mieterbund und die Verbraucherzentrale fordern deshalb die „Einführung einer bundeseinheitlichen Preisaufsicht“ und Abschaffung des „Anschluss- und Benutzungszwangs“.

Nichts von alledem ist derzeit vorgesehen – es bleibt bei Plänen. Diese werden jedoch absehbar nur so aufgestellt, wie ihre Umsetzung für die Kommunen finanzierbar scheint. Zum geplanten Wärmeplangesetz schreibt die Regierung, dass die „Maßgabe einer möglichst kosteneffizienten klimaneutralen Versorgung“ gilt. Ohne Förderung beißt sich die Katze in den Schwanz, denn im Zweifel ist kosteneffizient, was der Bürger selbst zahlt. Statt eines planvollen Ausbaus der öffentlichen Infrastruktur wird die Fernwärme so ins Spiel gebracht, wie sie bereits existiert: als eine aus wirtschaftlichen Gründen kaum genutzte Option, die von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Durch die Verknüpfung mit dem GEG beteiligen sich Mieter und Hausbesitzer mit ihrer Wohnortwahl also an einer Heizungslotterie; manche kriegen einen Anschluss, andere nur einen Plan, und die meisten müssen gucken, wo sie bleiben.

Über den Autor

Vincent Cziesla, Jahrgang 1988, ist seit dem Jahr 2023 Redakteur für das Ressort „Politik“. Der UZ ist er schon seit Jahren als Autor und Verfasser der „Kommunalpolitischen Kolumne“ verbunden. Während eines Praktikums lernte er die Arbeit in der Redaktion kennen und schätzen.

Cziesla ist Mitglied des Neusser Stadtrates und war von 2014 bis 2022 als hauptamtlicher Fraktionsgeschäftsführer der Linksfraktion in Neuss beschäftigt. Nebenberuflich arbeitet er in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Nichts geht mehr", UZ vom 23. Juni 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit