Atomwaffen verboten, Deutschland drangsaliert lieber Kriegsgegner

Nukleare Teilhabe geht vor

Am 22. Januar ist der UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft getreten. Deutschland beteiligt sich nicht, sondern geht lieber gegen Friedensaktivistinnen und -aktivisten vor, die in Büchel gegen die Stationierung von Atomsprengköpfen Widerstand leisten. UZ sprach mit Marion Küpker. Sie ist Friedensreferentin beim Versöhnungsbund mit Schwerpunkt Atomwaffen, in der DFG-VK Internationale Koordinatorin zur Abschaffung von Atomwaffen und Sprecherin der Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“.

UZ: Die Justiz geht aktuell gegen mehrere Aktivistinnen und Aktivisten von „Büchel ist überall“ vor. Darunter auch gegen Sie. Was werfen die Behörden Ihnen vor?

040502 marion 3 - Nukleare Teilhabe geht vor - Atomwaffen, Aufrüstung, Repression - Politik
Marion Küpker

Marion Küpker: Mir wird vorgeworfen, im Sommer 2019 während einer Blockadeaktion in Büchel Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet zu haben. Ich begleite und dokumentiere seit 2016 verschiedene Aktionsgruppen vor Ort am Atomwaffenstützpunkt Büchel während der jährlichen 20-wöchigen Aktionspräsenz für die bundesweite Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“. Als eine größere „Stopp Ramstein“-Gruppe alle drei Zufahrten des Bundeswehr-Fliegerhorstes Büchel blockierte, fuhr ich die Blockadepunkte ab, um Bilder zu machen, und parkte dabei den Wagen circa 75 Meter entfernt – was nichts Ungewöhnliches war. Der hinzugeholte Polizei-Einsatzleiter drohte mit dem Abschleppen meines PKW, sofern ich diesen nicht entferne. Ich machte noch zwei Fotos und begab mich zum Auto, aus dem heraus er mich kurz darauf von Polizeibeamten rauszerren ließ. Minutenlang hielten mich Polizisten mit Knie im Rücken am Boden gedrückt, sodass ich kaum Luft bekam. Filmteams wurden zur Beendigung und Löschung der Filme gezwungen. Ich wurde genötigt, ein von mir während der Blockaderäumung gemachtes Bild zu löschen, da ansonsten das Kampagnenauto abgeschleppt werden würde. Ich fügte mich der Qual der Wahl. Mein Versuch, im Anschluss ein Gespräch mit dem Einsatzleiter und seinem Vorgesetzten zu führen, wurde vom Einsatzleiter abgelehnt, da er nun Anzeige gegen mich erhoben hatte.

Im Jahr 2019 ging es erstmalig seit unserem Kampagnenbeginn 2016 gewalttätig zur Sache: Sogar zwei ältere Frauen mussten im Anschluss der Aktionen aufgrund einer Hüft- und Knieverletzung zur Untersuchung ins Krankenhaus. Auch wurde vereinzelt durch die Polizei der Einsatz von Pfefferspray angedroht, falls die Blockierenden sich nicht sofort entfernen würden. Das Parken auf unserem Camp-Parkplatz wurde plötzlich untersagt und die Verantwortung dafür zwischen der Kreisverwaltung Cochem, der Verbandsgemeide Ulmen und dem Alfer Bürgermeister hin- und hergeschoben. Campbewohnerinnen und -bewohner und Mahnwachen-Besucherinnen und -Besucher sollten von nun an im drei Kilometer entfernten Bücheler Gewerbegebiet parken. Unsere Campwiese wurde im Anschluss offiziell vom Alfer Bürgermeister zur „Blütenschutz-Bienenwiese“ angemeldet, umdeklariert und eingezäunt! Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt daraus, wie unser Widerstand aktuell behördlich bekämpft wird.

Mein Prozess wurde auf den 3. Mai um 9:30 Uhr im Amtsgericht Cochem verschoben. Prozessbesucherinnen und -besucher sind sehr erwünscht!

UZ: Wie viele Atomsprengköpfe sind derzeit in Büchel gelagert?

Marion Küpker: In Büchel sind circa 20 Atomsprengköpfe des Bomben-Typs B61 stationiert. Diese sollen voraussichtlich ab dem Jahr 2024 durch den neuen Typ B61–12 ausgetauscht werden, deren Produktion jetzt in den USA beginnen soll. Wir versuchen dieses gemeinsam mit dem US-Anti-Atomwaffen-Widerstand der dortigen Produktionsstätten zu verhindern.

UZ: Sie engagieren sich mit Ihrem Zusammenschluss nunmehr seit Jahren gegen Atomwaffen und Kriegstreiberei. Was sind Ihre Beweggründe?

Marion Küpker: Ich zähle die Bedrohung eines Atomkrieges gemeinsam mit der fortschreitenden Klimakrise zu den beiden größten Gefahren unserer heutigen Zeit. Die unaufhaltsame Klimakatastrophe wird uns bereits für das kommende Jahrzehnt angekündigt, wenn nicht sofort Emissionen weltweit drastisch reduziert werden. Ein Atomkrieg hingegen muss befohlen werden, es gibt hier also zumindest eine Wahl. Trotzdem wird die kriegerische Rhetorik der Atommächte als Bedrohung wahrgenommen, weshalb sich die Zivilgesellschaften international sehr stark für den Beitritt ihrer Regierungen am Atomwaffen-Verbotsvertrag engagieren.

UZ: Am 22. Januar wurde der UN-Atomwaffenverbotsvertrag völkerrechtlich wirksam. Was hat es damit auf sich?

Marion Küpker: Neunzig Tage nach der fünfzigsten Länder-Ratifizierung trat endlich der UN-Verbotsvertrag in Kraft. Damit sind Atomwaffen nach dem Völkerrecht genauso geächtet wie es unter anderem Bio- und Chemiewaffen sind. Länder, die diesem Vertrag beigetreten sind, dürfen sich nicht an der Herstellung dieser Waffen beteiligen. Finanzunternehmen haben oft Ethikregeln, das bedeutetet, sie dürfen nicht in Firmen investieren, die an der Produktion von geächteten Waffen beteiligt sind. Da auch die Drohung mit Atomwaffen durch diesen Vertrag verboten ist, wurde hier die Abschreckungsdoktrin der Atommächte für gesetzeswidrig erklärt. Diese Atomwaffenächtung vergrößert den politischen Druck und stigmatisiert die Atommächte bezüglich ihrer Weigerung nach vollständiger nuklearer Abrüstung.

UZ: Die Bundesrepublik ist dem Abkommen bisher nicht beigetreten. Aus welchem Grund?

Marion Küpker: Unsere aktuelle Regierung verteidigt die nukleare „Abschreckungspolitik“ der USA und will keinen Alleingang im NATO-Bündnis. Wenn Deutschland die Atombomben aus Büchel abziehen lassen und sich gegen die neuen US-Atombomben stellen würde, würde die gesamte nukleare Aufrüstung mit der B61–12 in weiteren europäischen Ländern wie Belgien, Niederlande, Italien und der Türkei scheitern.

UZ: Wie wollen Sie den Druck auf die Regierungskoalition erhöhen, sich doch eindeutig gegen Atomwaffen zu positionieren?

Marion Küpker: Den neuen Verbotsvertrag wollen wir jetzt verstärkt für die Lobbyarbeit hin zur Bundestagswahl im Herbst nutzen: die Friedensbewegung erarbeitet Wahlprüfsteine, bei denen sich die Abgeordneten mit ihrer Meinung zu Atomwaffen positionieren müssen. Verstärkt kommt nun auch der Druck von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern für den Frieden, da über 100 Städte bereits dem Städteappell beigetreten sind. Die Atomwaffen-Trägerflugzeuge wollen wir verhindern, zumal die Neuanschaffung der US-Kampfjets von Boeing allein 10 Milliarden Dollar kosten sollen und die dazu stündlich – ähnlich wie beim jetzigen Tornado-Kampfjet – circa 12.000 Kilo CO2 in die Luft blasen. Im Kampf für das Klima gehören die militärischen Belastungen durch Atomwaffen unbedingt auf die Tagesordnung, da sie aufgrund ihrer Gefährlichkeit als Erstes abgeschafft gehören.

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"Nukleare Teilhabe geht vor", UZ vom 29. Januar 2021



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