Australien, Japan, Südkorea und Neuseeland in die NATO?

Partner für den Krieg gesucht

Irgendwie scheint Ostasien auch am Nordatlantik zu liegen. Jens Stoltenberg jedenfalls hat es bei seiner Suche nach Verstärkung für die NATO-Kriege bis nach Südkorea und Japan verschlagen. Der US-geführte Nordatlantikpakt ist weder ein Verteidigungsbündnis noch auf den Nordatlantik begrenzt. Da der militärisch-industrielle Komplex der USA seit einiger Zeit auf eine stärkere Fokussierung der militärischen Anstrengungen auf den erklärten Hauptgegner China drängt, hat sich Stoltenberg pflichtbewusst auf den Weg nach Seoul und Tokio gemacht.

Vielleicht ein paar Zahlen zur „Motivation“ des US-Imperiums, seine hybriden NATO-Kriege gegen Russland und China massiv voranzutreiben: Inflation 6,4 Prozent, Gesamtkosten der Kriegsmaschine 1 Billion US-Dollar (USD), Handelsbilanzdefizit 948,1 Milliarden USD, Haushaltsdefizit 1,4 Billionen USD, Staatsschulden 31,5 Billionen USD, gesellschaftliche Gesamtverschuldung rund 90 Billionen USD – das Ganze bei verrottender Infrastruktur und erodierender Zivilgesellschaft. Die Lage ist mit „katastrophal“ noch zurückhaltend beschrieben. Ohne den US-Dollar als globale Reservewährung würden die US-Finanzen – das größte Pyramidenspiel aller Zeiten – wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.

Und genau diese Situation rückt mit den Erfolgen der Organisationen der Eurasischen Kooperation und des Globalen Südens bedrohlich näher. Die weitgehende Durchsetzung einer Alternative zum US-Dollar und einer sanktionssicheren SWIFT-Alternative ist nur eine Frage der Zeit. Der Westen agiert nicht nur „im Kriegsmodus“, wie uns nach Annalena Baerbock nun auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, sondern unverkennbar in Panikstimmung. Das ließ sich bei der Münchner „Sicherheitskonferenz“ bestens beobachten: Alles, was irgendwie nach Soldat und Waffe aussieht, soll an die Front geschickt werden.

In Europa führt die Suche nach neuem Kanonenfutter vor allem nach Polen und in die baltischen Republiken, in Asien kommen neben Taiwan vor allem Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland infrage – im NATO-Jargon die Asia-Pacific Partners oder Asia-Pacific Four (AP4). Die NATO hat im Juni vergangenen Jahres dazu ein Strategiepapier mit dem Titel „NATO 2022 – Strategic Concept“ herausgegeben. Darin wird betont, dass „der Indo-Pazifik wichtig für die NATO“ sei, da „die Entwicklungen in dieser Region direkt die euro-atlantische Sicherheit“ berührten. Man werde „den Dialog und die Kooperation mit den neuen und existierenden Partnern im Indo-Pazifik verstärken, um die überregionalen Herausforderungen und die gemeinsamen Sicherheitsinteressen anzugehen“. „Dialog und Kooperation“ meint hier massive Aufrüstung und Ausrichtung auf einen aggressiven antichinesischen Kriegskurs.

Dazu wurde Japans pazifistische Verfassung „neu interpretiert“. Premierminister Fumio Kishida kündigte an, dass Japans Militärausgaben sich von derzeit 55 Milliarden US-Dollar bis 2027 verdoppeln würden. Das japanische Militär verfügte dann über das drittgrößte Budget nach den USA und China. Es soll dazu dienen, Cruise-Missiles, verschiedene Raketentypen, F35- und F-X-Kampfflugzeuge, Drohnen und ähnliches Großgerät anzuschaffen.

Südkorea ist schon jetzt massiv in die Aufrüstung Osteuropas gegen Russland involviert. Das Land liefert Kampfpanzer, selbstfahrende Artillerie und Kampfjets nach Polen.

Australien, seit mehr als einem Jahrhundert bei praktisch allen angloamerikanischen Kriegen dabei, ist natürlich mit an Bord, wenn es gegen China geht. Ob AUKUS (Australien, Britannien und USA), QUAD (Australien, Indien, Japan und USA) oder die globale Überwachungsstruktur „Five Eyes“ (Australien, Britannien, Kanada, Neuseeland und USA) – die in Nibelungentreue ergebene Führung Australiens steht immer bereit, wenn es darum geht, die Fahne des angloamerikanischen Machtkomplexes hochzuhalten.

Mit Nordafrika und dem Mittleren Osten reklamiert „NATO 2022 – Strategic Concept“ eine weitere Region als Interessengebiet des Kriegsbündnisses: „Konflikt, Unsicherheit und Instabilität in Afrika und im Mittleren Osten berühren direkt unsere Sicherheit und die Sicherheit unserer Partner. Die südliche Nachbarschaft der NATO, speziell der Mittlere Osten, Nordafrika und die Sahel-Region, ist durch übergreifende Sicherheitsprobleme sowie demografische, ökonomische und politische Herausforderungen verbunden.“

Mit dieser weltweit ausgreifenden Strategie der NATO tritt deren eigentlicher Charakter offen zutage: Europa wird nun nicht nur am Hindukusch, sondern auch in Ostasien oder in Afrika „verteidigt“. Die NATO war schon immer ein Instrument zur Integration anderer Staaten in das globale Herrschaftsinteresse des US-Imperiums und zur Unterstützung seiner zahlreichen Kriege, Interventionen und Regime-Change-Operationen.

Das China der 2020er-Jahre ist aber nicht das China des „Jahrhunderts der Demütigung“ – es kann und wird sich wehren. Inwieweit die Völker Asiens bereit sind, einem taiwanesischen, japanischen, koreanischen oder australischen Wladimir Selenski in den Abgrund zu folgen, wird sich zeigen müssen.

Schon der NATO-Krieg gegen Russland ist nicht ganz billig. DIHK-Präsident Peter Adrian hat vorgerechnet, dass für 2022 pro Kopf der deutschen Bevölkerung ein Minus von 2.000 Euro zu veranschlagen ist. Wie üblich sind hiermit nicht alle Lasten erfasst und sie sind auch nicht gleich verteilt. Gegen das Reich der Mitte könnte es noch deutlich teurer werden. Aber das sollte uns unser Krieg gegen Russland und China schon wert sein – nicht wahr, Frau Baerbock?

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"Partner für den Krieg gesucht", UZ vom 24. Februar 2023



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