„Pro-Europäische“ Parteien gewinnen, Rechtsruck ungebremst

Propaganda erfolgreich

Von Christoph Hentschel

Die Börsen rund um den Erdball jubelten. Der Ausgang der EU-Wahl entsprach ihren Wünschen. Der DAX legte am Montag 0,7 Prozentpunkte zu. Der Europäische Automobilindex gewann sogar bis zu 3,5 Prozent. „Die proeuropäischen Parteien dominieren weiterhin“, betont Jörg de Vries-Hippen, Chef-Anlagestratege beim Fondshaus „Allianz Global Investors“. „Es ist den Herrschenden mit einer Kampagne von Politik, Medien und Konzernen gelungen, die EU-Wahl 2019 zu einer Schicksalswahl zu erklären und eine für EU-Wahlen außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung zu erreichen“, sagte der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele in einer Pressemitteilung am Dienstag. Die etablierten Parteien, die Gewerkschaften, die die 1.-Mai-Demonstrationen unter „pro-europäische“ Mottos stellten, aber auch Konzerne wie die Deutsche Bahn, ThyssenKrupp und Flixbus hatten in groß angelegten Werbekampagnen zur Wahl aufgerufen. Die Wahlbeteiligung in Deutschland lag bei 61,5 Prozent, 2014, bei der letzten EU-Wahl, bei 48,1 Prozent.

Stärkste Partei in der Bundesrepublik wie auch im EU-weiten Gesamtergebnis wurden die Christdemokraten. Auf EU-Ebene folgen die Sozialdemokraten, in Deutschland „Bündnis90/Die Grünen“. Dabei haben die Proteste unter anderem durch „Fridays for Future“ in den letzten Monaten geholfen, „aber auch für diesen Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise bieten sie letztlich nur Antworten, die im Interesse der größten Teile des deutschen Monopolkapitals liegen“, sagte Köbele. Die Grünen trügen „die kriegerische und antisoziale Politik des deutschen Imperialismus“ voll mit.

Die CDU/CSU konnte sich als stärkste Partei vor den Grünen behaupten, aber sie verlor 6,4 Prozentpunkte. CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) fand auch nach der Wahl sogleich den Schuldigen. Der YouTuber „Rezo“ hatte im Vorfeld der Wahl ein Video mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ hochgeladen. In diesem kritisiert der 26-jährige Informatikstudent, dass „die Fakten und Tatsachen einfach dafür sprechen, dass die CDU sich selbst, ihren Ruf und ihr Wahlergebnis selbst zerstört“ hinsichtlich ihrer Umweltpolitik. Er kommt zum Schluss, dass „die CDU aktuell unser Leben und unsere Zukunft zerstört“. Nach einer Gremiensitzung ihrer Partei forderte AKK dazu auf, über Regeln für „Meinungsmache“ im Internet nachzudenken. „Wenn Kramp-Karrenbauer jetzt eine Netzzensur gegen CDU-Kritik auf ‚YouTube‘ fordert, beweist sie sogar, dass Rezo Recht hat“, twitterte der SPD-Politiker Karl Lauterbach. Seine Partei verlor 11,5 Prozent und ist hinter CDU/CSU und den Grünen nur noch drittstärkste Kraft. Ihr früheres Markenzeichen des „Sozialen“ ist zerstört und die Grünen nehmen immer mehr die Rolle als neue Partei links von der CDU im Interesse des deutschen Monopolkapitals ein.

„Trotz Zugewinnen am rechten Rand stellen aber nach wie vor überwiegend pro-europäische Kräfte die Mehrheit im EU-Parlament“, teilte die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) mit. „Hinsichtlich des befürchteten Rechtsrucks hat die führende Kapitalfraktion des deutschen Monopolkapitals im Vorfeld der Wahl deutlich gemacht, dass die AfD (noch) nicht ihre Hauptoption, wohl aber ein gern gesehener Druckfaktor ist. Diese Orientierung führte mit zur hohen Wahlbeteiligung und zum Erfolg der Grünen“, analysiert Köbele. Davon konnte die Partei „Die Linke“ nicht profitieren. Sie verlor 1,9 Prozentpunkte. Im Wahlkampf thematisierte sie die Aufrüstung der EU und das Morden im Mittelmeer – zu einer konsequenten Kritik an der EU konnte sie sich nicht durchringen.

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"Propaganda erfolgreich", UZ vom 31. Mai 2019



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